War die Schuldnerin im fraglichen Zeitraum zahlungsunfähig und damit insolvenzreif, haftet der Geschäftsführer für die von ihm veranlassten Zahlungen, sofern er die gegen ihn streitende Vermutung, er habe schuldhaft gehandelt, nicht widerlegt.

Von dem Geschäftsführer einer GmbH wird erwartet, dass er sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft stets vergewissert. Hierzu gehört insbesondere die Prüfung der Insolvenzreife. Wenn der Geschäftsführer erkennt, dass die GmbH zu einem bestimmten Stichtag nicht in der Lage ist, ihre fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten vollständig zu bedienen, hat er die Zahlungsfähigkeit der GmbH anhand einer Liquiditätsbilanz zu überprüfen. Erweisen sich hierbei angestellte Prognosen trotz Aufwendung der gebotenen Sorgfalt nach Ablauf des maßgebenden Zeitraums von drei Wochen als unzutreffend mit dem Ergebnis, dass statt einer angenommenen Zahlungsstockung bereits Zahlungsunfähigkeit besteht, können zwischenzeitlich in der vertretbaren Annahme fortbestehender Zahlungsfähigkeit geleistete Zahlungen unverschuldet sein1.
Der Geschäftsführer handelt fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die Kenntnisse verschafft, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss. Dabei muss er sich, sofern er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügt, gegebenenfalls fachkundig beraten lassen2. Der selbst nicht hinreichend sachkundige Geschäftsführer ist nur dann entschuldigt, wenn er sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einer unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Person hat beraten lassen und danach keine Insolvenzreife festzustellen war. Die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gebietet es zudem, das Prüfergebnis einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen3.
Vorliegend war der Steuerberater nicht (ausdrücklich) mit der Prüfung der Insolvenzreife der Schuldnerin beauftragt. Hieraus folgt aber nicht notwendig, dass die (behauptete) fortdauernde Überprüfung der Liquiditätslage durch den Steuerberater einen geringeren Erkenntniswert gehabt habe als die bei Zweifeln an der Zahlungsfähigkeit an sich gebotene Aufstellung einer Liquiditätsbilanz. Der Geschäftsführer hat exemplarisch ein Monatsreporting vorgelegt und hierzu im Einzelnen vorgetragen. Dem Umstand, dass der Geschäftsführer unmittelbar vor dem (behaupteten) Eintritt der Zahlungsunfähigkeit im Urlaub gewesen sei, kommt in diesem Zusammenhang keine nachvollziehbare Bedeutung zu.
Im Übrigen kann der Geschäftsführer auch durch eine nicht ausdrücklich auf die Prüfung der Insolvenzreife bezogene Auftragserteilung an einen sachkundigen Dritten entlastet werden, wenn er sich nach den Umständen der Auftragserteilung unter Beachtung der gebotenen Sorgfalt darauf verlassen durfte, die Fachperson werde im Rahmen der anderweitigen Aufgabenstellung auch die Frage der Insolvenzreife rechtzeitig prüfen und ihn gegebenenfalls unterrichten4.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. Januar 2016 – II ZR 394/13
- vgl. BGH, Urteil vom 24.05.2005 – IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134, 141[↩]
- BGH, Urteil vom 27.03.2012 – II ZR 171/10, ZIP 2012, 1174 Rn. 15; Urteil vom 19.06.2012 – II ZR 243/11, ZIP 2012, 1557 Rn. 11 ff., jew. mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 27.03.2012 – II ZR 171/10, ZIP 2012, 1174 Rn. 16 ff. mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 27.03.2012 – II ZR 171/10, ZIP 2012, 1174 Rn. 22; Urteil vom 28.04.2015 – II ZR 63/14, ZIP 2015, 1220 Rn. 30[↩]