Gesellschaftersicherheit, Insolvenzanfechtung – und die Zinsen nach Insolvenzeröffnung

Erhöht sich die Forderung des Dritten etwa aufgrund laufender Zinsen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und erhält der Dritte hierfür eine Befriedigung aus

Gesellschaftersicherheit, Insolvenzanfechtung – und die Zinsen nach Insolvenzeröffnung

der Verwertung einer Gesellschaftssicherheit, umfasst der Anfechtungsanspruch gegen den Gesellschafter auch die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Ansprüche des Dritten, wenn sich sowohl die Gesellschaftssicherheit als auch die Gesellschaftersicherheit auf diese Ansprüche erstrecken.

Die Anfechtung gegenüber dem Gesellschafter nach § 135 Abs. 2 InsO kommt nur in Betracht, soweit die Gesellschaftersicherheit für die Forderung des Dritten haftete. Unter dieser Voraussetzung bestimmt § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO, dass der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten hat. Die Anfechtung greift in dem Umfang durch, in dem der vom Gesellschafter besicherte Darlehensanspruch des Dritten durch eine Leistung der Gesellschaft befriedigt worden ist. § 143 Abs. 2 Satz 2 InsO begrenzt den Anfechtungsanspruch der Höhe nach auf den Betrag, mit dem der Gesellschafter als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Eine weitere Begrenzung des Anfechtungsanspruchs sieht das Gesetz nicht vor. Insbesondere ist für den Umfang der Anfechtung nach § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO unerheblich, aus welchen Umständen sich die Höhe der dem Dritten zustehenden Darlehensforderung ergibt.

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Steht dem Insolvenzverwalter wie im Streitfall ein Anfechtungsanspruch in entsprechender Anwendung des § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO zu, ist dieser Anspruch nicht auf die Höhe der zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehenden Darlehensforderung des Dritten begrenzt. Erhöht sich die Forderung des Dritten etwa aufgrund laufender Zinsen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, weil sich die Befriedigung aus der Gesellschaftssicherheit verzögert, erstreckt sich der Anfechtungsanspruch gegen den Gesellschafter auch auf solche Forderungen. Entscheidend ist, in welchem Umfang die Verwertung der Gesellschaftssicherheit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens dazu führt, dass die am Vermögen des Gesellschafters gesicherte Forderung des Darlehensgläubigers befriedigt wird. Ohne Einfluss auf die Höhe des Anfechtungsanspruchs ist es, ob die gesicherte Forderung des Darlehensgläubigers bei einer früheren Befriedigung aus der von der Schuldnerin bestellten Sicherheit niedriger gewesen wäre. Denn der Gesellschafter ist im Verhältnis zur Gesellschaft zur vorrangigen Befriedigung der von ihm besicherten Verbindlichkeit verpflichtet1.

Nach diesen Maßstäben besteht der Anfechtungsanspruch in Höhe des Betrages, den der Insolvenzverwalter aufgrund der Globalzession an die Bank ausgezahlt hat. In diesem Umfang sind die durch die Globalzession besicherten Darlehensforderungen befriedigt worden. Der Anfechtungsanspruch nach § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO entspricht diesem Betrag und ist nur der Höhe nach durch den Höchstbetrag der Bürgschaft begrenzt. 

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Auf den Einwand, die vom Insolvenzverwalter befriedigte Forderung der Bank beruhe in erheblichem Umfang auf Zinsansprüchen nach § 169 Satz 1 InsO, kommt es nicht an. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, erstreckt sich der Anfechtungsanspruch gegenüber dem Gesellschafter aus der entsprechenden Anwendung des § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO auch auf Zinsforderungen, die gemäß § 169 InsO im Hinblick auf eine verzögerte Verwertung der Gesellschaftssicherheit eine Masseverbindlichkeit darstellen. Ist der Sicherungsfall eingetreten, kommt es für diesen Anfechtungsanspruch auf die Höhe der gesicherten Forderung an. Insoweit entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass nach Insolvenzeröffnung fällig werdende Ansprüche auf Kosten und Zinsen von dem Recht auf abgesonderte Befriedigung erfasst werden2 und die Anrechnungsvorschrift des § 367 BGB auch bei der Verwertung von Absonderungsgut im Insolvenzfall gilt3. § 169 InsO hat auf die Verteilung des aus der Verwertung des Absonderungsrechts erzielten Erlöses keinen Einfluss4. Dies gilt auch für den Anfechtungsanspruch in entsprechender Anwendung des § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. Dezember 2021 – IX ZR 201/20

  1. BGH, Urteil vom 13.07.2017 – IX ZR 173/16, BGHZ 215, 262 Rn. 16 ff[]
  2. BGH, Urteil vom 17.07.2008 – IX ZR 132/07, ZIP 2008, 1539 Rn. 7 ff[]
  3. BGH, Urteil vom 17.02.2011 – IX ZR 83/10, ZIP 2011, 579 Rn. 7[]
  4. BGH, Urteil vom 17.02.2011, aaO Rn. 13[]
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