Es ist unzulässig, mit der Restitutionsklage einen neuen Streitgegenstand einzuführen.

Die Geltendmachung eines Anspruchs der Gesellschaft gegen einen Gesellschaftsschuldner als Dritten durch einen Gesellschafter beruht auf einem anderen Anspruchsgrund als dessen Inanspruchnahme als Mitgesellschafter durch einen Gesellschafter aufgrund einer Auseinandersetzungsrechnung.
Gemäß § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO findet eine Restitutionsklage statt, wenn die Partei eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Für die Feststellung, ob die nachträglich aufgefundene Urkunde eine günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde, sind außer der Urkunde nur der Prozessstoff des Vorprozesses und die im Zusammenhang mit der Urkunde vom Restitutionskläger neu aufgestellten Behauptungen zu berücksichtigen1. Die Wiederaufnahme, zu der nach § 578 Abs. 1 ZPO auch das Restitutionsverfahren gehört, ermöglicht ausnahmsweise die Anfechtung rechtskräftiger Urteile, wenn diese mit gravierenden Mängeln behaftet sind. Der Vorprozess wird dazu weitergeführt (§ 590 Abs. 1 ZPO). Die Auswechslung des Klagegrundes geht über das mögliche Vorbringen neuer Tatsachen und Behauptungen im Rahmen des Vorprozesses hinaus. Mit dem Austausch des Klagegrundes und neuen Klageanträgen wird der Ausgang des früheren Verfahrens nicht in Frage gestellt. Der Rechtsstreit wird nicht fortgeführt, sondern wird in der Gestalt eines neuen Verfahrens mit einem anderen Streitgegenstand begonnen. Es ist deshalb nicht zulässig, den Streitgegenstand in dem sogenannten zweiten Verfahrensabschnitt auszuwechseln, in dem zu prüfen ist, ob die vom Revisionskläger neu vorgebrachte Urkunde, hätte er sie schon im Vorprozess beigebracht, eine günstigere Entscheidung hätte herbeigeführt haben können2.
So auch im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Verfahren, in dem die Kläger im Gegensatz zur Auffassung des in der Vorinstanz tätigen Oberlandesgerichts München3 nicht nur die neu zur Verfügung stehende Urkunde vorgelegt haben, um damit den ursprünglichen Prozess gewinnen zu wollen, sondern den Streitgegenstand im Restitutionsverfahren ausgetauscht haben:
Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO wird der Streitgegenstand durch das Rechtsschutzbegehren (Antrag) und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. Zum Anspruchsgrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen; vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den eine Partei zur Stützung ihres Rechtsschutzbegehrens vorträgt. Vom Streitgegenstand werden damit alle materiellrechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen. Das gilt unabhängig davon, ob die einzelnen Tatsachen des Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht4. Allerdings können verschiedene materiellrechtliche Ansprüche auch dann, wenn sie wirtschaftlich auf das Gleiche gerichtet sind und der Kläger die Leistung einmal verlangen kann, unterschiedliche Streitgegenstände aufweisen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Ansprüche sowohl in ihren materiellrechtlichen Voraussetzungen als auch in ihren Folgen verschieden sind. Entscheidend ist, ob sich die dem jeweiligen Anspruch zugrundeliegenden Lebenssachverhalte in wesentlichen Punkten unterscheiden oder ob es sich nur um marginale Abweichungen handelt, die bei natürlicher Betrachtung nach der Verkehrsauffassung keine Bedeutung haben5.
Die der geltend gemachten Haftung zugrundeliegenden Lebenssachverhalte im Vorprozess und im Restitutionsverfahren unterscheiden sich so wesentlich, dass bei diesen Ansprüchen kein einheitlicher Streitgegenstand angenommen werden kann
Die Kläger haben im Vorprozess die Beklagte als außerhalb der Gesellschaft stehende Dritte, als Gesellschaftsschuldnerin bzw. als Mittäterin einer unerlaubten Handlung in Anspruch genommen. Es handelte sich um eine Haftung im Außenverhältnis, die sich nach dem Rechtsverhältnis der Beklagten gegenüber der Gesellschaft richtete. Die Kläger hatten insoweit (erfolglos) geltend gemacht, die der Gesellschaft zustehende Forderungen im eigenen Namen geltend machen zu können bzw. dass die Beklagte bei der Entgegennahme der Zahlung vom Gesellschaftskonto kollusiv mit ihrem Ehemann zusammengewirkt habe. Nunmehr machen sie mit der vorgelegten Urkunde geltend, dass die Beklagte Mitgesellschafterin und aufgrund der im Restitutionsverfahren zusätzlich vorgelegten Auseinandersetzungsrechnung zur Zahlung verpflichtet sei. Der von den Klägern im Restitutionsverfahren geltend gemachte; und vom Oberlandesgericht München zugesprochene Ausgleichsanspruch betrifft das Innenverhältnis der Gesellschaft und damit einen anderen Sachverhalt, weil er in wesentlichen Punkten abweicht. Für den Innenausgleich sind allein die Regelungen im Innenverhältnis insbesondere des Gesellschaftsvertrags von Bedeutung. Der Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis setzt die Begründung der Gesellschafterstellung der Beklagten, mindestens eine einfache Auseinandersetzungsrechnung und insbesondere inhaltlich die Abrechnung der darin einzustellenden Positionen voraus. Einer auf die Auseinandersetzung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gestützten Klage, hätte im Gegensatz zur Auffassung des Oberlandesgerichts München nicht die Rechtskraft der Entscheidungen im Vorprozess entgegengestanden.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 3. August 2021 – II ZR 283/19
- BGH, Urteil vom 12.12.1962 – IV ZR 127/62, BGHZ 38, 333; Urteil vom 13.06.1983 – II ZR 211/81, WM 1983, 959[↩]
- BGH, Beschluss vom 07.07.2008 – II ZA 2/08 5 zur Nichtigkeitsklage unter Bezugnahme auf das zum Restitutionsverfahren ergangene Urteil des BGH vom 13.06.1983 – II ZR 211/81, WM 1983, 959[↩]
- OLG München, Urteil vom 27.11.2019 – 15 U 3962/17[↩]
- st. Rspr., BGH, Beschluss vom 03.03.2016 – IX ZB 33/14, BGHZ 209, 168 Rn. 27 mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 15.12.2020 – II ZR 108/19, ZIP 2021, 255 Rn. 13 mwN[↩]