Schadensersatz wegen Pflichtverletzungen des Geschäftsführers – und der besondere Vertreter

Zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen, die mit einer Pflichtverletzung des Geschäftsführers begründet werden, kann ein besonderer Vertreter bestellt werden, auch wenn nicht der Geschäftsführer selbst, sondern eine von ihm mittelbar beherrschte Gesellschaft in Anspruch genommen werden soll.

Schadensersatz wegen Pflichtverletzungen des Geschäftsführers – und der besondere Vertreter

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hat die klagende GmbH drei Gesellschafterinnen. 50 % ihres Stammkapitals hält die C. GmbH, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer R. ist. Weitere 40 % des Stammkapitals hält die insolvente H. GmbH (im Folgenden: H.), deren Alleingesellschafter W. ist. Die übrigen 10 % entfallen auf die insolvente HI. mbH (im Folgenden: HI.). Geschäftsführer der klagenden GmbH war bis Juni 2008 W., ab Ende 2008 zudem R., im August 2010 wurde Ri. zum weiteren Geschäftsführer der GmbH bestellt.

Alleingesellschafterin der beklagten GmbH ist die L. GmbH, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer wiederum R. ist.

Bereits 1999 schloss die GmbH mit der Ha. GmbH (im Folgenden: Käuferin) einen Unternehmenskaufvertrag über die Veräußerung von Anteilen an einer weiteren Gesellschaft. In der Folge kam es zwischen den Kaufvertragsparteien zum Streit. Die GmbH, R. und die W. mbH als Zessionarin der Ansprüche des W. erhoben daraufhin im Jahr 2010 gemeinsam eine Teil-Schiedsklage gegen die Käuferin. Zur Finanzierung ihrer Prozessführung schloss die GmbH, vertreten durch ihre Geschäftsführer R. und Ri., auf der Grundlage eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses am 21./22.02.2011 mit der Prozessfinanzierungs-GmbH, diese wiederum vertreten durch R., einen Prozessfinanzierungsvertrag. Darin verpflichtete sich die Prozessfinanzierungs-GmbH zur Übernahme der Verfahrenskosten der GmbH bis zu einer bestimmten Höhe, im Gegenzug versprach die GmbH der Prozessfinanzierungs-GmbH im Falle eines Prozesserfolgs eine 30%ige Erlösbeteiligung. Spätestens 2015 kam es zwischen den Gesellschafterinnen der GmbH bzw. deren Insolvenzverwaltern zum Streit über die Wirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrags.

Die Gesellschafterinnen der GmbH fassten am 14./15.06.2016 im Umlaufverfahren einen Beschluss, in dem der Insolvenzverwalter der Gesellschafterin H., Rechtsanwalt B., ermächtigt wurde, die Rechtsanwälte H. mit der Erhebung einer Klage gegen die Prozessfinanzierungs-GmbH auf Feststellung der Unwirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrags vom 21./22.02.2011 zu beauftragen.

In der Folge erhob die GmbH, vertreten durch den besonderen Vertreter B., gegen die Prozessfinanzierungs-GmbH eine entsprechende Feststellungsklage. Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Hamburg hat die Klage als unbegründet abgewiesen1, wogegen sich die GmbH mit ihrer Berufung gewandt hat.

Während des Berufungsverfahrens haben am 9.12.2019 die Gesellschafterinnen der GmbH einstimmig den Beschluss gefasst, dass der Insolvenzverwalter der H. in dem Beschluss vom 15./16.06.2016 als besonderer Vertreter „i.S.d. § 46 Nr. 8 Var. 2 GmbHG (analog) ermächtigt worden ist und werden sollte“. Am 17.12.2019 hatten die H. und die HI. gegen die Stimmen der C. GmbH u.a. für eine Neufassung und Ergänzung des Beschlusses vom 15./16.06.2016 gestimmt, insbesondere für die vorsorgliche Ermächtigung des besonderen Vertreters zur Klageerhebung als besonderer Vertreter im Sinne von § 46 Nr. 8 Fall 2 GmbHG (analog) rückwirkend auf den 15.06.2016 (TOP 4 Nr. 1), zur Ausschöpfung des Instanzenwegs (TOP 4 Nr. 2), zur Erhebung einer Leistungsklage, gerichtet auf die Rückzahlung der auf den Prozessfinanzierungsvertrag erbrachten Zahlungen (TOP 4 Nr. 3), und einer negativen Feststellungsklage (TOP 4 Nr. 4). Die GmbH hat die Klage um den Antrag auf Rückzahlung der von der GmbH auf den Prozessfinanzierungsvertrag geleisteten 5.873.896, 55 € und um den Antrag auf Feststellung, dass der Prozessfinanzierungs-GmbH gegenüber der GmbH ein Anspruch aus dem Prozessfinanzierungsvertrag nicht zusteht, erweitert.

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Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat die Berufung der GmbH mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage unzulässig sei2. Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die GmbH ihre Klageanträge weiter, den Zahlungsantrag jedoch nur in Höhe von 4.458.599, 87 € nebst Zinsen. Der Bundesgerichtshof beurteilte die Revision als zulässig und begründet:

Die Revision ist zulässig.

Der Zulässigkeit der Revision der GmbH steht nicht der mögliche Mangel der Legitimation des besonderen Vertreters B. entgegen, da auch eine Partei, deren gesetzliche Vertretung in der Vorinstanz verneint worden ist, wirksam ein Rechtsmittel einlegen kann, um eine andere Beurteilung zu erreichen3.

Die Revision ist begründet.

Entgegen der Ansicht des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg kann entsprechend § 46 Nr. 8 GmbHG zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen, die mit einer Pflichtverletzung des Geschäftsführers begründet werden, ein besonderer Vertreter bestellt werden, auch wenn nicht der Geschäftsführer selbst, sondern eine von ihm mittelbar beherrschte Gesellschaft in Anspruch genommen werden soll.

§ 46 Nr. 8 GmbHG soll die unvoreingenommene Prozessführung der Gesellschaft in Rechtsstreitigkeiten sicherstellen, in denen die nach § 35 GmbHG an sich zur Vertretung berufenen Geschäftsführer insgesamt oder teilweise nicht als Vertretungsorgan in Betracht kommen, weil die Gefahr besteht, dass sie wegen der eigenen Betroffenheit befangen sind4. Im Hinblick auf den Normzweck ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine entsprechende Anwendung des § 46 Nr. 8 GmbHG möglich bei Prozessen der Gesellschaft gegen einen Gesellschafter, wenn dem Gesellschafter neben dem Geschäftsführer dieselbe oder eine in engem Zusammenhang stehende Pflichtverletzung vorgeworfen wird. Auch in diesem Fall ist nämlich die Vertretungsmacht nicht gegeben, wenn der Geschäftsführer auch selbst wegen der Pflichtverletzung in Anspruch genommen werden soll und deshalb gehindert ist, insoweit die Gesellschaft zu vertreten5. bb)) Die Kompetenz der Gesellschafter aus § 46 Nr. 8 GmbHG zur Bestellung eines besonderen Vertreters ist auch auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, die der Gesellschaft gegen eine von ihrem Geschäftsführer mittelbar beherrschte Gesellschaft zustehen sollen, zu erstrecken. Eine Gefährdung des Vertrauensverhältnisses und der persönlichen Beziehungen der Beteiligten ist bei einer Inanspruchnahme der vom Geschäftsführer mittelbar beherrschten Gesellschaft in gleicher Weise möglich wie bei einer unmittelbaren Inanspruchnahme des Geschäftsführers durch die Gesellschaft. Auch in einem solchem Fall besteht die Gefahr, dass Ansprüche der Gesellschaft nicht mit dem nötigen Nachdruck verfolgt werden, wenn die Entscheidung darüber auch dem Geschäftsführer obliegt, dessen persönliche und wirtschaftliche Interessen auch im Hinblick auf seine mittelbare Beteiligung und Beherrschung des Anspruchsgegners betroffen sind. Ein Ersatzanspruch gegen eine von ihm wie hier vollständig beherrschte Gesellschaft ist insoweit nicht anders zu bewerten als der Ersatzanspruch gegen den Geschäftsführer selbst. Beschließen in dieser Situation die Gesellschafter über die Geltendmachung oder Nichtgeltendmachung der Ersatzansprüche, wird der Geschäftsführer von diesem Interessenkonflikt entlastet.

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Die Feststellung der Unwirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrags, dessen Nichtigkeit die GmbH unter anderem mit dem Missbrauch der Vertretungsmacht durch R. beim Abschluss des Prozessfinanzierungsvertrags und Verstößen gegen §§ 134, 138 BGB begründet, fällt unter die Geltendmachung eines Ersatzanspruchs im Sinne des § 46 Nr. 8 GmbHG. Zu den Ersatzansprüchen im Sinne von § 46 Nr. 8 GmbHG zählen alle aus der Geschäftsführung hergeleiteten Ersatzansprüche auf vertraglicher oder außervertraglicher Grundlage6. Der Abschluss und die Ausführung des Prozessfinanzierungsvertrags, dessen Unwirksamkeit die GmbH klageweise festgestellt wissen möchte, sind der Geschäftsführung der GmbH durch ihren Geschäftsführer R. unmittelbar zuzuordnen. Bei einer Unwirksamkeit des Vertrags kommen nicht nur ein etwaig pflichtwidriges Verhalten des Geschäftsführers R. und daraus folgende Schadensersatzansprüche gegen ihn in Betracht. Vielmehr würden aus der Unwirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrags typischerweise bereicherungsrechtliche Ansprüche resultieren, die ihrerseits beim Zusammentreffen mit einer möglichen Pflichtverletzung als Ersatzanspruch im Sinne des § 46 Nr. 8 GmbHG anzusehen sind6. Solcher Bereicherungsansprüche aufgrund der Unwirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrags berühmt sich die GmbH durch ihre Klageerweiterung in der Berufungsinstanz.

Der Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 46 Nr. 8 GmbHG steht nicht entgegen, dass es weitere Geschäftsführer gibt, die nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG eine organschaftliche Vertretung der Gesellschaft in einem Prozess grundsätzlich übernehmen könnten. Die GmbH musste sich in dem Prozess gegen die Prozessfinanzierungs-GmbH mithin nicht auf ihre Vertretung durch den weiteren Geschäftsführer verweisen lassen.

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für § 46 Nr. 8 GmbHG anerkannt, dass die Gesellschafterversammlung einen besonderen Vertreter auch dann bestellen kann, wenn eine satzungsmäßige Vertretung der Gesellschaft im Prozess durch weitere vorhandene Geschäftsführer nach § 35 GmbHG prinzipiell möglich wäre7. Die Gesellschafter müssen sich nicht auf die Möglichkeit verweisen lassen, kraft ihrer Weisungsbefugnis Einfluss auf den weiteren Geschäftsführer zu nehmen und die Prozessführung zur Durchsetzung der Ersatzansprüche mittels Weisungen der Gesellschafterversammlung zu lenken. Einem weiteren Geschäftsführer kann es in einer solchen Situation an der erforderlichen Unvoreingenommenheit fehlen, um die Interessen der Gesellschaft im Prozess zur Durchsetzung der Ersatzan- sprüche gegen den Geschäftsführer mit dem nötigen Nachdruck zu verfolgen.

Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Nicht frei von Rechtsfehlern hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg ein Feststellungsinteresse der GmbH im Sinne des § 256 ZPO an der Feststellung der Unwirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrags verneint. Ein rechtliches Interesse der GmbH an der Feststellung der Unwirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrages besteht im maßgeblichen Rechtsverhältnis der Parteien und wird nicht dadurch widerlegt, dass die Prozessfinanzierungs-GmbH die GmbH zuletzt vor der Klageerhebung in diesem Rechtsstreit aus dem Prozessfinanzierungsvertrag in Anspruch genommen hat.

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Ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen8. Die Parteien haben den Prozessfinanzierungsvertrag vom 21./22.02.2011 über Jahre gelebt und gegenseitig Leistungen auf ihre Verpflichtungen erbracht. Spätestens mit der Beschlussfassung vom 14./15.06.2016 haben sich die Gesellschafter der GmbH zur gerichtlichen Überprüfung der Wirksamkeit des Vertrags entschlossen und damit eine maßgebliche Unsicherheit seitens der GmbH belegt. Unerheblich ist dabei eine etwaig abweichende Rechtsauffassung des R. als Geschäftsführer der GmbH, den gemäß § 37 Abs. 1 Fall 2 GmbHG eine Folgepflicht im Hinblick auf die Beschlussfassung der Gesellschafter trifft. Auf Seiten der Prozessfinanzierungs-GmbH hat sich deren gegenteilige Rechtsauffassung spätestens in dem vorliegenden Rechtsstreit gezeigt.

Das Feststellungsinteresse der GmbH wird entgegen der Ansicht des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg nicht dadurch widerlegt, dass die Prozessfinanzierungs-GmbH die GmbH aus dem Vertrag zuletzt vor Klageerhebung in Anspruch genommen hat. Im Hinblick auf R. als Geschäftsführer der GmbH sowie als Geschäftsführer und Alleingesellschafter ihrer Gesellschafterin C. GmbH einerseits und als Geschäftsführer und mittelbarer Alleingesellschafter der Prozessfinanzierungs-GmbH andererseits liegt es vielmehr nahe, dass die Prozessfinanzierungs-GmbH die von den Gesellschafterinnen der GmbH 2016 einstimmig beschlossene und mit Beschluss vom 09.12.2019 einstimmig bestätigte gerichtliche Klärung der Wirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrags zunächst abwartet, bevor sie weitere Leistungen aus dem Vertrag einfordert.

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat schließlich rechtsfehlerhaft die Zulässigkeit der Klageerweiterung verneint. Die von dem besonderen Vertreter B. erhobene Klageerweiterung der GmbH um die Zahlung von nunmehr noch 4.458.599, 87 € nebst Zinsen seit dem 7.02.2020 und um die Feststellung, dass der Prozessfinanzierungs-GmbH ein Anspruch aus dem Prozessfinanzierungsvertrag nicht zusteht, erfüllt die Voraussetzungen des § 533 Nr. 2 ZPO und ist im Übrigen auch sachdienlich im Sinne des § 533 Nr. 1 ZPO.

Der besondere Vertreter der GmbH war aufgrund des Beschlusses der Gesellschafterinnen der GmbH vom 17.12.2019 als gesetzlicher Vertreter im Sinne des § 51 ZPO zur Klageerweiterung befugt. Es handelt sich bei der Prozessführungsbefugnis um eine Prozessvoraussetzung, die auch im Revisionsverfahren noch von Amts wegen zu prüfen ist9.

Die C. GmbH unterlag bei der Beschlussfassung am 17.12.2019 einem Stimmverbot nach § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG. Ist ein GmbH-Gesellschafter Alleingesellschafter einer Drittgesellschaft, besteht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 47 Abs. 4 GmbHG für ihn ein Stimmverbot bei einer Beschlussfassung, die die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegen diese Drittgesellschaft betrifft10. Das Stimmverbot trifft auch eine GmbH-Gesellschafterin, wenn sie zwar nicht selbst Gesellschafterin der Drittgesellschaft ist, aber ihr Alleingesellschafter Alleingesellschafter der Drittgesellschaft ist. Dann ist die wirtschaftliche Verbindung so stark, dass man das persönliche Interesse der GmbH-Gesellschafterin und ihres Gesellschafters mit dem der Drittgesellschaft gleichsetzen kann. Das in der anderweitigen Beteiligung des Gesellschafter-Gesellschafters verkörperte Interesse schließt dann bei Entscheidungen über Rechtsgeschäfte oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits mit der Drittgesellschaft eine unbefangene Stimmabgabe in der Regel aus und bedeutet deshalb für die GmbH eine erhebliche Gefahr11. Danach unterlag die C. GmbH, deren Alleingesellschafter R. ist, aufgrund der starken wirtschaftlichen Verbundenheit des R. mit der Prozessfinanzierungs-GmbH als ihrem mittelbaren Alleingesellschafter einem Stimmverbot. Die C. GmbH war deshalb nach § 3 (8) Satz 1 des Gesellschaftsvertrags der GmbH nicht stimmberechtigt, wonach deren Gesellschafter auch in eigenen Angelegenheiten stimmberechtigt sind, es sei denn, dass einer der in § 47 Abs. 4 GmbHG bezeichneten Gegenstände Gegenstand der Beschlussfassung ist. Ihre dennoch erfolgte Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung der GmbH war deshalb nichtig und nicht mitzuzählen12.

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Die nach § 3 (8) Satz 2 des Gesellschaftsvertrags der GmbH erforderliche Zustimmung aller übrigen Gesellschafter lag vor. Die Gesellschafterin H., deren Insolvenzverwalter zum besonderen Vertreter bestellt worden war und der durch den Beschluss vom 17.12.2019 zur Ausschöpfung des Instanzenwegs ermächtigt worden ist, unterlag dabei keinem Stimmverbot. Bei der Bestellung des besonderen Vertreters und seiner Ermächtigung zur Rechtsverfolgung ist im Ausgangspunkt kein gesellschaftsfremdes Eigeninteresse anzunehmen, sondern der an der Verfolgung des Anspruchs interessierte Gesellschafter verfolgt typischerweise dasselbe Interesse wie die GmbH.

Entgegen dem von der Prozessfinanzierungs-GmbH in der Revisionsverhandlung erhobenen Vorwurf ist der weitere Beschluss der Gesellschafter der GmbH vom 17.12.2019 auch nicht treuwidrig, weil, wie die Prozessfinanzierungs-GmbH geltend macht, der einstimmig gefasste Gesellschafterbeschluss vom 15./16.06.2016 vergleichsartigen Charakter habe, das Vorgehen bis zur Klärung der Unwirksamkeit bzw. Wirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrags abschließend regele und deshalb einer inhaltlichen Erweiterung, wie durch den Beschluss vom 17.12.2019 erfolgt, entgegen stehe. Der Bundesgerichtshof kann die behauptete Vergleichsvereinbarung nicht selbst auslegen, weil sie als schuldrechtliche Abrede unabhängig davon, ob sie wie nicht ersichtlich zum Gegenstand der Beschlussfassung gemacht worden ist, nicht objektiv wie eine Satzung oder ein Gesellschafterbeschluss, sondern subjektiv auszulegen ist. Die Auslegung, für die es zudem an den erforderlichen Feststellungen fehlt, obliegt insoweit nach den allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg als Tatrichter13.

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg durfte die Zulässigkeit der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz nicht unter Verweis auf die Voraussetzungen des § 533 Nr. 2 ZPO ablehnen. Die Klageerweiterung ist im Sinne des § 533 Nr. 2 ZPO auf Tatsachen gestützt, die das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Die mit Schriftsatz vom 31.01.2020 erhobene Klageerweiterung auf Zahlung von 5.873.896, 55 € nebst Zinsen beruht von der Prozessfinanzierungs-GmbH nicht bestritten auf den Zahlungen der GmbH an die Prozessfinanzierungs-GmbH wegen von der Prozessfinanzierungs-GmbH verauslagten Schiedsgerichtskosten und Anwaltshonoraren in Höhe von 1.415.296, 68 € und zwei Abschlagszahlungen der GmbH an die Prozessfinanzierungs-GmbH auf die Erlösbeteiligung in Höhe von 1.000.000 € und 3.458.599, 87 €, deren Rückerstattung die GmbH begehrt. Diesen neuen Vortrag der GmbH hätte das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg seiner Entscheidung als unstreitig gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 ZPO ohne Weiteres zugrunde legen müssen14. Das gilt auch im Rahmen von § 533 Nr. 2 ZPO15.

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Rechtsfehlerhaft hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg darauf abgestellt, dass es für eine Entscheidung auf Grundlage des gemäß § 529 Abs. 1 ZPO maßgeblichen Tatsachenvortrags an einem Vorbringen der Parteien zu den Voraussetzungen einer bereicherungsrechtlichen Gesamtsaldierung, insbesondere im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 814 BGB, fehle. Die GmbH hat mit der Begründung ihrer Klageerweiterung nicht nur dargelegt, was sie aufgrund des unwirksamen Vertrags zurückzuverlangen können glaubt, sondern zugleich auch zu den von der Prozessfinanzierungs-GmbH verauslagten Schiedsgerichtskosten und Anwaltshonoraren in Höhe von 1.415.296, 68 € vorgetragen. Der ihr als Saldogläubigerin obliegenden Darlegungslast, bei der Anspruchsbegründung auch darzulegen, was die andere Partei hingegeben hat16, ist sie damit gerecht geworden. Eine etwaige weitere Minderung des Saldos vorzutragen, obliegt dem Bereicherungsschuldner17, mithin der Prozessfinanzierungs-GmbH, die sich dazu nicht verhalten hat. Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hätte deshalb aufgrund des zu berücksichtigenden unstreitigen Vorbringens eine Saldierung vornehmen und in diesem Rahmen § 814 BGB zu Lasten der insofern als Leistungsempfängerin darlegungs- und beweispflichtigen18 GmbH anwenden können.

Die Klageerweiterung ist auch sachdienlich im Sinne des § 533 Nr. 1 ZPO.

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat offengelassen, ob die Klageerweiterung sachdienlich ist. Hat der Tatrichter die Sachdienlichkeit einer Klageänderung nicht geprüft, entscheidet hierüber das Revisionsgericht19. Maßgeblich ist eine objektive Beurteilung, ob und inwieweit die Klageänderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt und einem andernfalls zu führenden Rechtsstreit vorbeugt20.

Von einer solchen Erledigung ist im Hinblick auf die Klageerweiterung bezüglich des Zahlungsantrags auszugehen, da einem weiteren Rechtsstreit um die Rückzahlung der von der GmbH auf den Prozessfinanzierungsvertrag dessen Unwirksamkeit unterstellt, die das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg ohnehin zu prüfen haben wird geleisteten Zahlungen vorgebeugt wird.

Gleiches gilt für den mit der Klageerweiterung erhobenen weiteren Feststellungsantrag.

Das Berufungsurteil war danach im ausgesprochenen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Bundesgerichtshof, Urteil vom 30. November 2021 – II ZR 8/21

  1. LG Hamburg, Urteil vom 17.07.2018 – 411 HKO 9/17[]
  2. OLG Hamburg, Urteil vom 18.12.2020 – 11 U 244/18[]
  3. BGH, Beschluss vom 11.05.2021 – II ZB 32/20, ZIP 2021, 1701 Rn. 6 mwN[]
  4. BGH, Urteil vom 20.01.1986 – II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 35; Urteil vom 16.12.1991 – II ZR 31/91, BGHZ 116, 353, 355; Urteil vom 06.03.2012 – II ZR 76/11, ZIP 2012, 824 Rn. 12; Beschluss vom 02.02.2016 – II ZB 2/15, GmbHR 2016, 545 Rn. 13; Beschluss vom 22.03.2016 – II ZR 253/15, ZIP 2016, 2413 Rn. 9[]
  5. BGH, Urteil vom 20.01.1986 – II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 35; Urteil vom 16.12.1991 – II ZR 31/91, BGHZ 116, 353, 355[]
  6. BGH, Urteil vom 21.04.1986 – II ZR 165/85, BGHZ 97, 382, 390 f.[][]
  7. BGH, Urteil vom 24.02.1992 – II ZR 79/91, ZIP 1992, 760, 761; Urteil vom 06.03.2012 – II ZR 76/11, ZIP 2012, 824 Rn. 12; Beschluss vom 22.03.2016 – II ZR 253/15, ZIP 2016, 2413 Rn. 11; Urteil vom 02.07.2019 – II ZR 406/17, BGHZ 222, 323 Rn. 30 mwN[]
  8. BGH, Urteil vom 13.01.2010 – VIII ZR 351/08, NJW 2010, 1877 Rn. 12; Urteil vom 22.01.2019 – II ZR 59/18, ZIP 2019, 414 Rn. 12 mwN[]
  9. BGH, Urteil vom 12.10.1987 – II ZR 21/87, NJW 1988, 1585, 1587; Urteil vom 10.10.1985 – IX ZR 73/85, NJW-RR 1986, 157, 158[]
  10. BGH, Urteil vom 29.03.1971 – III ZR 255/68, BGHZ 56, 47, 53; Urteil vom 29.03.1973 – II ZR 139/70, NJW 1973, 1039, 1040[]
  11. vgl. BGH, Urteil vom 10.02.1977 – II ZR 81/76, BGHZ 68, 107, 110; Urteil vom 07.02.2012 – II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 32 mwN[]
  12. vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl., § 47 Rn. 104; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 47 Rn. 52[]
  13. vgl. BGH, Urteil vom 10.05.2016 – II ZR 342/14, BGHZ 210, 186 Rn. 34[]
  14. vgl. BGH, Urteil vom 18.11.2004 – IX ZR 229/03, BGHZ 161, 138, 142; Urteil vom 20.05.2009 – VIII ZR 247/06, NJW 2009, 2532 Rn. 15; Urteil vom 13.07.2016 – VIII ZR 49/15, NJW 2016, 3654 Rn. 32[]
  15. vgl. BGH, Urteil vom 08.05.2018 – XI ZR 538/17, NJW 2018, 2269 Rn. 22 ff.[]
  16. BGH, Urteil vom 10.02.1999 – VIII ZR 314/97, NJW 1999, 1181[]
  17. BGH, Urteil vom 10.02.1999 – VIII ZR 314/97, NJW 1999, 1181, 1182; Urteil vom 15.01.2019 – II ZR 392/17, ZIP 2019, 564 Rn. 42[]
  18. vgl. BAG, Urteil vom 26.06.2019 5 AZR 178/18, NJW 2020, 170 Rn. 35 mwN[]
  19. BGH, Urteil vom 07.07.1993 – IV ZR 190/92, BGHZ 123, 132, 137; Urteil vom 15.01.2001 – II ZR 48/99, ZIP 2001, 515, 517[]
  20. BGH, Urteil vom 10.01.1985 – III ZR 93/83, NJW 1985, 1841, 1842; Urteil vom 13.04.2011 – XII ZR 110/09, BGHZ 189, 182 Rn. 41[]
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