Eine Kommanditgesellschaft als Gesellschafterin einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist grundsätzlich nicht von der Beschlussfassung über die Einholung eines Rechtsgutachtens zur Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen ihren nicht an der Geschäftsführung beteiligten Kommanditisten ausgeschlossen, auch wenn dieser mit 94 % an ihrem Kapital beteiligt und zu 50 % stimmberechtigt ist.

Ein Gesellschafter(-Geschäftsführer) einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts unterliegt wegen des Grundsatzes, dass niemand Richter in eigener Sache sein kann, einem Stimmverbot, wenn Beschlussgegenstand ein pflichtwidriges Unterlassen eines Mitgeschäftsführers ist, das beiden als Geschäftsführer aufgrund übereinstimmender Verhaltensweisen in gleicher Weise angelastet wird; dies gilt auch dann, wenn beide das Unterlassen von Maßnahmen nicht miteinander abgestimmt haben.
Ein Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist von der Abstimmung über einen Beschlussgegenstand, der die Rechtsbeziehungen der Gesellschaft zu einer GmbH betrifft, nicht deshalb ausgeschlossen, weil er Fremdgeschäftsführer oder Prokurist der GmbH ist.
Befangenheit der Kommanditgesellschaft
Bei Beschlussfassungen der Gesellschafter über die Entlastung eines Gesellschafters, die Einleitung eines Rechtsstreits oder die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen einen Gesellschafter sowie die Befreiung eines Gesellschafters von einer Verbindlichkeit unterliegt der betroffene Gesellschafter auch im Personengesellschaftsrecht einem Stimmverbot1. Dem liegt der allgemein geltende Grundsatz (vgl. § 712 Abs. 1, §§ 715, 737 Satz 2 BGB; § 34 BGB, § 47 Abs. 4 Satz 1 Fall 1 und Satz 2 Fall 2 GmbHG, § 43 Abs. 6 GenG, § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG) zugrunde, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf. Das für die Beschlussfassung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen für den betroffenen Gesellschafter geltende Stimmverbot erfasst auch die Beschlussfassung über die Einholung eines Gutachtens zur Prüfung, ob Schadensersatzansprüche gegen den betroffenen Gesellschafter bestehen2. Die dieser Ausdehnung des Stimmverbots zugrundeliegende Erwägung, dass der betroffene Gesellschafter andernfalls schon im Vorfeld die Geltendmachung gegen ihn gerichteter Schadensersatzansprüche vereiteln könnte, gilt für Personengesellschaften in gleicher Weise wie für die GmbH.
Die bloße Befangenheit eines von mehreren Gesellschaftern der Gesellschafterin führt nur dann zu einem Stimmverbot der Gesellschafterin, wenn der betroffene GesellschafterGesellschafter maßgeblichen Einfluss in der Gesellschafterin ausüben und ihr Abstimmungsverhalten in der Gesellschaft maßgeblich beeinflussen kann3. Dagegen genügt es regelmäßig nicht, dass der Gesellschafter lediglich eine Beschlussfassung der Gesellschafterin verhindern kann.
Nach diesen Maßstäben war in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall die Kommanditgesellschaft als Gesellschafter der GbR nicht bei der Abstimmung ausgeschlossen, weil P, der Geschäftsführer der GbR, ihr Abstimmungsverhalten in der GbR nicht entscheidend beeinflussen konnte. P. hatte in der Kommanditgesellschaft keine Leitungsmacht. Als Kommanditist war er von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Seine Beteiligung von 94 % am Kapital der Kommanditgesellschaft verschaffte ihm als nicht geschäftsführender Kommanditist keine Möglichkeit, seine Vorstellungen über das Abstimmungsverhalten der Kommanditgesellschaft bei der Beschlussfassung in der GbR darüber, ob ein Rechtsgutachten zur Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen ihn in Auftrag gegeben werden sollte, durchzusetzen. In einer Kommanditgesellschaft ist für Geschäftsführungsmaßnahmen ein Gesellschafterbeschluss nur unter den Voraussetzungen der §§ 164, 116 Abs. 2 HGB erforderlich. Es ist im hier entschiedenen Fall nicht festgestellt, dass es sich bei der Abstimmung in der GbR über den Antrag, ein Rechtsgutachten zur Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen P. einzuholen, für die Kommanditgesellschaft um ein außergewöhnliches Geschäft im Sinn von § 116 Abs. 2 HGB handelte, das eines Beschlusses sämtlicher Gesellschafter bedurfte. Auch sonstige Umstände, die die Möglichkeit einer beständigen, umfassenden und gesellschaftsrechtlich vermittelten Einflussnahme von P. auf das Abstimmungsverhalten der Kommanditgesellschaft in der GbR begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Ob die Kommanditgesellschaft bei der Abstimmung einem Stimmverbot unterlag, kann dahin stehen, weil sich dies nicht auf das Beschlussergebnis auswirken würde.
Befangenheit des Mitgeschäftsführers
Denn der Beschluss wurde jedenfalls deshalb mehrheitlich gefasst, weil der Beklagte zu 2 als ehemaliger weiterer Geschäftsführer der GbR von der Abstimmung ausgeschlossen war. Zwar war der Beklagte zu 2 selbst von der Beschlussfassung zu TOP 12 nicht unmittelbar betroffen, weil der beantragte Beschluss lediglich eine mögliche Verfehlung seines (ehemaligen) Mitgeschäftsführers zum Inhalt hatte. Ein Gesellschafter ist aber auch dann von der Abstimmung ausgeschlossen, wenn Beschlussgegenstand eine Verfehlung des (Gesellschafter) Geschäftsführers ist, die der Gesellschafter gemeinsam mit diesem begangen haben soll4. Hierfür genügt es, dass beiden Geschäftsführern aufgrund übereinstimmender Verhaltensweisen ein pflichtwidriges Unterlassen angelastet wird. Dies ist hier der Fall. Als jeweils allein handlungsbefugte und allein vertretungsberechtigte Geschäftsführer traf P. und den Beklagten zu 2 in gleicher Weise die Verpflichtung, schadensabwendende oder mindernde Geschäftsführungsmaßnahmen zu ergreifen. Entgegen der Auffassung der Revision ist nicht erforderlich, dass sie das Unterlassen solcher Maßnahmen miteinander abgestimmt haben5. Maßgeblich ist, dass der Beklagte zu 2 die Vorwürfe gegen P. nicht unbefangen beurteilen konnte, weil sie ihn selbst als weiteren Geschäftsführer gleichermaßen trafen, und er deshalb Richter in eigener Sache wäre. Ebenso ist ohne Belang, dass über die Beauftragung eines Rechtsgutachtens zur Prüfung von Schadensersatzansprüchen wegen der Pflichtwidrigkeit dieses Verhaltens hinsichtlich beider Geschäftsführer getrennt und nicht in einem Akt abgestimmt wurde6.
Aus der von der Revision angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs7 ergibt sich nichts Gegenteiliges. Der Bundesgerichtshof hat dort lediglich für den Fall, dass dem abstimmenden Gesellschafter eine ganz andersartige als die zu beurteilende Pflichtverletzung des GesellschafterGeschäftsführers angelastet wird, nämlich ein Kompetenzverstoß des GesellschafterGeschäftsführers einerseits und ein Aufsichtsversäumnis des anderen Gesellschafters andererseits, mangels einer gemeinsam begangenen Pflichtverletzung ein Stimmverbot verneint.
Befangenheit wegen Beteiligung an einer begünstigten Drittgesellschaft
Bei der GmbH wird § 47 Abs. 4 Satz 2 Fall 1 GmbHG auch dann angewendet, wenn ein Gesellschafter mit dem Vertragspartner der Gesellschaft zwar nicht rechtlich identisch, aber wirtschaftlich so stark verbunden ist, dass man sein persönliches Interesse mit dem des Vertragspartners gleichsetzen kann8. Maßgebend hierfür ist das in der anderweitigen Beteiligung des Gesellschafters verkörperte Interesse, das bei Entscheidungen über Rechtsgeschäfte mit diesem Unternehmen eine unbefangene Stimmabgabe – wie in den unmittelbar in § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG geregelten Fällen – in der Regel ausschließt und deshalb für die GmbH eine erhebliche Gefahr bedeutet9. Dabei kommt es entscheidend auf die wirtschaftliche und unternehmerische Einheit des Gesellschafters mit dem Vertragspartner der GmbH an, wobei primär nicht die Frage der Leitungsmacht und damit der Entschlussfreiheit innerhalb dieses Unternehmens maßgeblich ist, sondern der Interessenwiderstreit des abstimmenden Gesellschafters im Hinblick auf ein ihn wirtschaftlich selbst betreffendes Geschäft10. Weder der Beklagte zu 2 noch die Komplementärin der Beklagten zu 1 erfüllen diese Voraussetzung, weil sie nicht Gesellschafter der IVG sind.
Auch wenn darüber hinausgehend im Schrifttum für die GmbH teilweise die Erstreckung des Stimmverbots auf Organmitglieder des Vertragspartners befürwortet wird11, ist dies jedenfalls für den Fremdgeschäftsführer12 und die Prokuristin zu verneinen. Fehlt eine eigene Beteiligung an der betroffenen Drittgesellschaft, so kann weder für den Fremdgeschäftsführer noch für die bloße Prokuristin typischerweise die Gefahr angenommen werden, sie würden die Interessen der Gesellschaft, an der sie mittelbar oder unmittelbar beteiligt sind, bei der Abstimmung hintanstellen. Zwar kann sich aus diesen Funktionen ein Interessenkonflikt bei der Abstimmung über ein Rechtsgeschäft mit der Drittgesellschaft ergeben. Dies ist jedoch nicht, wie es für die Rechtfertigung eines Stimmverbots erforderlich ist, typischerweise der Fall. Deshalb muss es bei einer solchen Konstellation auch im Interesse der Rechtssicherheit genügen, das Abstimmungsverhalten im Rahmen einer inhaltlichen Beschlusskontrolle am Maßstab der mitgliedschaftlichen Treuepflicht zu messen.
Ebenso wenig ergibt sich aus dem Umstand, dass seine Ehefrau Alleingesellschafterin der IVG war, ein Stimmverbot. Ein Stimmverbot, dem ein Gesellschafter unterliegt, erstreckt sich nicht ohne weiteres auf seinen Ehegatten13. Ebenso kann ein Stimmverbot für einen Gesellschafter nicht allein aus dem Näheverhältnis zu seinem Ehegatten hergeleitet werden, da nicht typischerweise davon ausgegangen werden kann, dass Ehegatten den Interessen des jeweils anderen oder gegebenenfalls dadurch vermittelten eigenen (privaten) Interessen stets den Vorzug vor den Interessen der Gesellschaft geben. Der Umstand, dass die Ehefrau des Beklagten zu 2 Alleingesellschafterin und der Beklagte zu 2 alleiniger Geschäftsführer der IVG waren, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Auch unter Berücksichtigung seiner Stellung als Fremdgeschäftsführer der IVG könnte ein Stimmverbot für den Beklagten zu 2 wegen der Alleingesellschafterstellung seiner Ehefrau nur in Betracht kommen, wenn tatsächlich lediglich ein Treuhandverhältnis vorläge oder der Beklagte zu 2 mit der Übertragung der Geschäftsanteile an der IVG nur die Umgehung eines Stimmverbots in der GbR bezweckt hätte. Hierfür bestehen unter Zugrundelegung der Feststellungen des Berufungsgerichts keine Anhaltspunkte. Es ist deshalb lediglich im Einzelfall zu überprüfen, ob die Stimmabgabe des Beklagten zu 2 als Ehegatte der Alleingesellschafterin der IVG und als deren alleiniger Geschäftsführer treupflichtwidrig war.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. Februar 2012 – II ZR 230/09 – OLG München
- BGH, Urteil vom 09.05.1974 – II ZR 84/72, WM 1974, 834, 835; Urteil vom 04.11.1982 – II ZR 210/81, WM 1983, 60; ebenso bereits RGZ 136, 236, 245; 162, 370, 372 f.; MünchKomm-BGB/Ulmer/Schäfer, 5. Aufl., § 709 Rn. 65; Goette in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 119 Rn. 11 f.; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 35. Aufl., § 119 Rn. 8[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 09.07.1990 – II ZR 9/90, ZIP 1990, 1194, 1195[↩]
- BGH, Beschluss vom 04.05.2009 – II ZR 168/07, ZIP 2009, 2194 Rn. 5 f.; vgl. auch Urteil vom 13.12.2004 – II ZR 206/02, ZIP 2005, 117, 118 jeweils zur GmbH[↩]
- BGH, Urteil vom 20.01.1986 – II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 34; Urteil vom 27.04.2009 – II ZR 167/07, ZIP 2009, 1158 Rn. 30; Beschluss vom 04.05.2009 – II ZR 169/07, ZIP 2009, 2195 Rn. 11[↩]
- vgl. Zöllner in BaumbachHueck, GmbHG, 19. Aufl., § 47 Rn. 93[↩]
- BGH, Urteil vom 20.01.1986 – II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 34[↩]
- BGH, Beschluss vom 04.05.2009 – II ZR 166/07, ZIP 2009, 2193 Rn. 11[↩]
- BGH, Urteil vom 10.02.1977 – II ZR 81/76, BGHZ 68, 107, 109 f.[↩]
- BGH, Urteil vom 10.02.1977 – II ZR 81/76, BGHZ 68, 107, 110[↩]
- BGH, Urteil vom 29.03.1973 – II ZR 139/70, NJW 1973, 1039, 1040 f.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., § 47 Rn. 163 f.[↩]
- Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl., § 47 Rn. 84 a; MünchKomm-GmbHG/Drescher, § 47 Rn.200; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 47 Rn. 100; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 281[↩]
- so auch MünchKomm-GmbHG/Drescher, § 47 Rn.200[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 16.02.1981 – II ZR 168/79, BGHZ 80, 69, 71; Urteil vom 13.01.2003 – II ZR 227/00, BGHZ 153, 285, 291 f.[↩]
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