Übernahmeangebot, Wandelschuldverschreibungen – und die Ermittlung der angemessenen Gegenleistung

Bei der Ermittlung der angemessenen Gegenleistung für ein Übernahmeangebot sind grundsätzlich auch die vom Bieter für den Erwerb von Wandelschuldverschreibungen gezahlten Preise zu berücksichtigen.

Übernahmeangebot, Wandelschuldverschreibungen – und die Ermittlung der angemessenen Gegenleistung

Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 WpÜG hat der Bieter den Aktionären der Zielgesellschaft eine angemessene Gegenleistung anzubieten. Ist die Gegenleistung nicht angemessen, steht den Aktionären, die das Angebot angenommen haben, gegenüber dem Bieter ein zivilrechtlich durchsetzbarer Anspruch auf Zahlung des Unterschiedsbetrags zwischen der angebotenen und der angemessenen Gegenleistung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 WpÜG i.V.m. §§ 3 ff. WpÜGAngebV zu1.

Bei der Bestimmung der angemessenen Gegenleistung sind auch die Erwerbe von Aktien der Zielgesellschaft durch den Bieter zu berücksichtigen, § 31 Abs. 1 Satz 2 WpÜG. Die Gegenleistung für die Aktien der Zielgesellschaft muss dabei mindestens dem Wert der höchsten vom Bieter gewährten oder vereinbarten Gegenleistung für den Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft innerhalb der letzten sechs Monate vor der Veröffentlichung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG oder § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG entsprechen. § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG, wonach dem Erwerb Vereinbarungen gleichgestellt sind, auf Grund derer die Übereignung von Aktien verlangt werden kann, gilt insoweit entsprechend, § 4 Satz 2 WpÜGAngebV.

Auch der Erwerb des Rechts aus einer Wandelschuldverschreibung ust eine Vereinbarung i.S.d. § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG, auf Grund derer die Übereignung von Aktien verlangt werden kann.

Wandelschuldverschreibungen fallen grundsätzlich unter die Vereinbarungen im Sinn des § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG, auf Grund derer die Übereignung von Aktien verlangt werden kann2. Streitig ist jedoch, ob nur der unmittelbare Erwerb der Wandelschuldverschreibung eine Vereinbarung im Sinne von § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG ist, weil die Vereinbarung der Rechtsgrund für den Erwerb sein muss3, oder ob auch der abgeleitete Erwerb von bereits ausgegebenen Wandelschuldverschreibungen eine Vereinbarung im Sinne von § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG sein kann, weil auf Grund der erworbenen Wandelschuldverschreibungen die Übereignung von Aktien verlangt werden kann4.

Der Bundesgerichtshof schließt sich der Auffassung an, dass neben dem originären auch der abgeleitete Erwerb von Wandelschuldverschreibungen bei der Berechnung der angemessenen Gegenleistung gemäß § 31 Abs. 1 und Abs. 6 Satz 1 WpÜG zu berücksichtigen ist.

Der Wortlaut von § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG ist nicht eindeutig. Er ist nicht auf Vereinbarungen mit der Zielgesellschaft beschränkt, sondern erfasst auch Vereinbarungen mit Dritten. Dass auf Grund der Vereinbarung die Übereignung von Aktien verlangt werden kann, muss nicht dahin verstanden werden, die Vereinbarung sei der Rechtsgrund für die Übereignung und es würden nur Vereinbarungen erfasst, auf Grund derer unmittelbar die Übereignung von Aktien verlangt werden kann. Vom Wortlaut der Vorschrift ist auch erfasst, dass die Vereinbarung nur die Grundlage für eine spätere Übereignung auf Grund eines Übereignungsverlangens bildet. Erfasst wird dann auch der mehraktige Vorgang, dass auf Grund der Vereinbarung Wandelschuldverschreibungen erworben werden, die auf ein gesondertes Wandlungsverlangen zum Abschluss eines Zeichnungsvertrags und in der Folge zur Übereignung der Aktien führen.

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Der systematische Zusammenhang mit § 31 Abs. 6 Satz 2 WpÜG führt ebenfalls zu keinem eindeutigen Ergebnis.

Nach § 31 Abs. 6 Satz 2 WpÜG gilt die Ausübung eines gesetzlichen Bezugsrechts auf Grund einer Erhöhung des Grundkapitals der Zielgesellschaft nicht als Erwerb nach Satz 1. Bei der Ausübung eines gesetzlichen Bezugsrechts werden die Aktien zwar in einem mehraktigen Vorgang erworben, weil der Aktionär zunächst sein gesetzliches Bezugsrecht zum Abschluss eines Zeichnungsvertrags geltend machen muss und der Zeichnungsvertrag die schuldrechtliche Grundlage für den späteren Aktienerwerb kraft Gesetzes bildet. § 31 Abs. 6 Satz 2 WpÜG lässt aber nicht eindeutig erkennen, ob die Vorschrift Satz 1 einschränkt, weil für das gesetzliche Bezugsrecht im Grundsatz gelten würde, dass es als mehraktiger Vorgang erfasst wird, oder ob die Vorschrift nur eine Klarstellung beinhaltet. Die Ausübung eines gesetzlichen Bezugsrechts führt zudem zu einem originären Aktienerwerb, so dass sich aus § 31 Abs. 6 Satz 2 WpÜG auch bei Annahme einer Einschränkung von Satz 1 nur darauf schließen ließe, dass der mehraktige originäre Aktienerwerb erfasst wäre.

Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes spricht für eine weite Auslegung im Sinne eines allgemeinen Umgehungsschutzes.

Der Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Finanzen sah vor, nur Kauf- und Austauschverträge, auf Grund derer die Übereignung von Aktien verlangt werden kann, dem Aktienerwerb gleichzustellen (§ 27 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 WpÜG-DiskE, abgedruckt bei Fleischer/Kalss, Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2002, S. 251, 332). Mit der Erweiterung in § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG auf Vereinbarungen anstelle der Beschränkung auf Kauf- und Austauschverträge sollten nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung Umgehungen der in Absatz 3 bis 5 enthaltenen Mindestanforderungen an die Gegenleistung, beispielsweise durch Abschluss eines Kaufvertrags mit herausgeschobenem Erfüllungszeitpunkt über die betreffenden Aktien, vermieden werden. Auch der Abschluss von Verträgen zum Erwerb von Aktien sollte die Rechtsfolgen von Absatz 3 bis 5 auslösen und sowohl Kauf- als auch Tauschverträge sowie der Abschluss von Optionsgeschäften, die zum Bezug der Aktien berechtigen, sollten einbezogen werden5.

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Die Vorschrift enthält danach einen allgemeinen Umgehungsschutz. Die Beschränkung auf Kauf- und Austauschverträge wurde durch den allgemeinen Begriff der „Vereinbarung“ ersetzt. Der Abschluss eines Kaufvertrags mit herausgeschobenem Erfüllungszeitpunkt wird in der Begründung des Gesetzentwurfs nur beispielhaft erwähnt und die Vereinbarung nicht auf Kaufverträge mit herausgeschobenem Erfüllungszeitpunkt beschränkt. Auch die Erwähnung von Optionsgeschäften neben Kauf- und Tauschverträgen ist nicht abschließend, sondern dient nur der Erläuterung, dass der Abschluss von Verträgen zum Erwerb von Aktien und nicht nur der Erwerb, die Erlangung des Eigentums, die Rechtsfolgen von Abs. 3 bis 5 auslösen soll. Dafür, dass unter Optionsgeschäften nur Vereinbarungen zwischen dem Bieter als Optionsnehmer und dem Optionsgeber verstanden werden sollten und nicht auch der Erwerb von Optionskontrakten oder Optionsscheinen erfasst werden sollte, gibt es keine Anhaltspunkte.

Der Erwerb der Wandelschuldverschreibungen fällt auch nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschriften in den Anwendungsbereich von § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG.

Der Gesetzgeber wollte mit der Regelung des § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG einer Umgehung der in § 31 Abs. 1 Satz 2 WpÜG auf den dinglichen Erwerb bezogenen Regeln durch schuldrechtliche Vereinbarungen über ein Erwerbsrecht vorbeugen. Wenn statt eines Erwerbs eine schuldrechtliche Vereinbarung geschlossen wird, die den dinglichen Erwerb ermöglicht, soll bei der Bestimmung des Vorerwerbspreises auf diese Vereinbarung abzustellen sein. Damit soll sichergestellt werden, dass der Bieter an dem Preis festgehalten wird, den er im zeitlichen Zusammenhang mit dem Übernahmeangebot selbst als angemessen angesehen hat. Damit wird der (dingliche) Erwerb durch die (schuldrechtliche) Vereinbarung eines Erwerbsrechts ersetzt6.

Dass der unmittelbare Erwerb von Aktien durch eine schuldrechtliche Vereinbarung ersetzt wird, die den dinglichen Erwerb ermöglicht, trifft auch auf Wandelschuldverschreibungen zu, die im maßgeblichen Zeitraum erworben werden und die in Aktien gewandelt werden können. Dass die durch die Vereinbarung erworbenen Wandelschuldverschreibungen nicht unmittelbar einen Anspruch auf Übereignung von Aktien gewähren, sondern der Erwerber wie bei erworbenen Optionskontrakten oder bei Optionsscheinen erst noch die Übereignung von Aktien verlangen und ein Zeichnungsvertrag abgeschlossen werden muss, also ein mehraktiger Vorgang vorliegt, ist im Hinblick auf den beabsichtigten Umgehungsschutz ohne Bedeutung7. Der Umgehungsschutz ist nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf das Herausschieben des Erfüllungszeitpunkts für die Übereignungsverpflichtung beschränkt. In der Begründung des Regierungsentwurfs ist dieser Fall lediglich beispielhaft als Umgehung aufgeführt. Die Vorschrift sollte neben Aktienkauf- und Aktientauschverträgen ausdrücklich auch Optionen erfassen8. Der Bieter zeigt mit dem Erwerb von Rechten, die einen Erwerb von Aktien ermöglichen, vielmehr wie bei herausgeschobenen Kaufverträgen, welchen Preis er als angemessen für die Aktien ansieht.

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Gegen die Einbeziehung des Erwerbs von Wandelschuldverschreibungen spricht auch nicht, dass der Erwerber von bereits ausgegebenen Wandelschuldverschreibungen keinen Einfluss auf den Zeitpunkt hat, zu dem das Wandlungsrecht ausgeübt werden kann. Eine Beschränkung auf Vereinbarungen über ein Herausschieben der Fälligkeit lässt sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen. Es macht auch keinen Unterschied, ob der Bieter bei der schuldrechtlichen Vereinbarung selbst ein Herausschieben der Fälligkeit der Übereignung aus dem maßgebenden Zeitraum vereinbart oder ob er ein Recht auf Übereignung der Aktien erwirbt, das nach den vereinbarten Bedingungen mit einer herausgeschobenen Fälligkeit verbunden ist. In beiden Fällen zeigt der Bieter, welchen Preis er im zeitlichen Zusammenhang mit dem Übernahmeangebot als angemessen ansieht.

Dass es dem Erwerber als Gläubiger einer Wandelschuldverschreibung überlassen bleibt, ob er die Übereignung von Aktien verlangt oder sich mit der Rückzahlung der Anleihe begnügt, spricht ebenfalls nicht gegen die Anwendung von § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG. Auch bei den vom Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren in den Blick genommenen Optionen kommt es nicht darauf an, ob sie ausgeübt werden9. Maßgebend ist, dass der Bieter mit dem Erwerb der Übereignungsmöglichkeit zeigt, welchen Preis er im zeitlichen Zusammenhang mit dem Übernahmeangebot selbst als angemessen angesehen hat. Dass es einem Bieter im Zusammenhang mit dem Aufbau der Beteiligung mehr auf eine günstige Verzinsung ankommen könnte, wie die Revision zu bedenken gibt, liegt auch eher fern.

Einer Berücksichtigung der für Wandelschuldverschreibungen gezahlten Preise steht auch nicht entgegen, wenn einzelne Anleihebedingungen Barabfindungsklauseln enthalten, die die Zielgesellschaft berechtigen, unter bestimmten Umständen anstatt der Lieferung der Aktien eine Barzahlung vorzunehmen. Solange offen ist, ob der Bieter mit der Wandlung rechnen kann, besteht kein Grund, den für solche Wandelschuldverschreibungen gezahlten Preis nicht zu berücksichtigen. Wie bei dem Erwerb einer Option zeigt er mit dem Erwerb, welchen Preis er für die Übereignungsmöglichkeit selbst für angemessen hält.

Für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG auf schuldrechtliche Vereinbarungen über einen unmittelbaren Aktienerwerb spricht auch nicht die Rechtssicherheit als eines der Ziele des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes. Zweck des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes ist es, einen verlässlichen Rechtsrahmen für die unmittelbar an Übernahmen Beteiligten und für die Akteure an den Finanzmärkten bereitzustellen. Das soll durch praktikable Regeln geschehen, die die unterschiedlichen Interessen der an einem Übernahmeverfahren beteiligten Parteien berücksichtigen. Daher soll eine Regulierung von Unternehmensübernahmen vor allem einen Rechtsrahmen für ein faires und transparentes Verfahren zur Verfügung stellen10. Entgegen der Auffassung der Revision wird damit nicht ein besonders „verlässlicher“ Rechtsrahmen verlangt, sondern das faire und transparente Verfahren in den Vordergrund gestellt. Zwar hat der Gesetzgeber aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten die rechtsverbindliche Festlegung von Eckpunkten zur Bestimmung der Angemessenheit als wünschenswert bezeichnet und damit der Rechtssicherheit für die Preisbestimmung nach § 31 Abs. 1 WpÜG einen Stellenwert eingeräumt11. Rechtssicherheit kann danach aber nur im Rahmen des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes erreicht werden. Der Rechtssicherheit soll in erster Linie der Erlass einer Rechtsverordnung mit näheren Bestimmungen über die Angemessenheit der Gegenleistung dienen. Mit § 4 Satz 2 WpÜGAngebV verweist diese gerade auf die entsprechende Anwendung von § 31 Abs. 6 WpÜG.

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Mit einer Berücksichtigung des für die Wandelschuldverschreibungen gezahlten Preises wird zwar entgegen dem Ziel des Gesetzgebers, mit praktikablen Regeln einen verlässlichen Rechtsrahmen aufzustellen, die Bestimmung der angemessenen Gegenleistung erschwert, da Wandelschuldverschreibungen verzinst werden und daher Zweifel bestehen können, ob der für sie gezahlte Preis dem für die Aktie als angemessen erachteten Preis entspricht. Diese Unsicherheiten hat der Gesetzgeber aber mit der Erweiterung in § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG auf Vereinbarungen, auf Grund derer die Übereignung von Aktien verlangt werden kann, in Kauf genommen. Solche Berechnungsschwierigkeiten bestehen auch bei den vom Gesetzgeber in den Blick genommenen Optionen und können im Hinblick auf eine Verzinsung sogar bei einer nur hinausgeschobenen Fälligkeit entstehen.

Da mit dem Rechtsrahmen des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes ein faires und transparentes Verfahren zur Verfügung gestellt werden soll, ist zur Durchsetzung eines fairen Angebots an alle Aktionäre eine weite Auslegung der Umgehungsvorschrift angezeigt. Der Bundesgerichtshof hat daher bereits entschieden, dass die Preisregelungen des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes zum Schutz vor einer Umgehung einer erweiternden Auslegung zugänglich sind12.

Die Berücksichtigung der Vereinbarung zum mittelbaren Erwerb der Aktien widerspricht nicht einem allgemeinen Grundsatz, dass Inhaber von Wertpapieren derselben Gattung gleich zu behandeln sind.

Durch die erweiternde Auslegung des § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG werden Aktien und Wandelschuldverschreibungen nicht gleichgesetzt. Die Wandelschuldverschreibungen werden durch die Berücksichtigung bei der Preisfindung nicht mit Aktien gleichgestellt, sondern es wird eine Gleichstellung von Aktien, die die Bieterin auf Grundlage dieser Wandelschuldverschreibung erworben hat, mit den übrigen erworbenen Aktien erreicht. Das Gebot in § 3 Abs. 1 WpÜG, Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft, die derselben Gattung angehören, gleich zu behandeln, wird nicht verletzt. Ein Verbot der Gleichbehandlung von Wertpapieren unterschiedlicher Gattungen enthält § 3 Abs. 1 WpÜG nicht.

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Anders als die Revision13 meint, muss § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG auch nicht anhand Art. 5 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.04.2004 betreffend Übernahmeangebote14 richtlinienkonform dahin ausgelegt werden, dass als höchster Erwerbspreis nur für die gleichen Wertpapiere und damit hier für Aktien gezahlten Preise berücksichtigt werden. Nach Art. 5 Abs. 4 Satz 1 RL 2004/25/EG gilt als angemessener Preis der höchste Preis, der vom Bieter oder einer mit ihm gemeinsam handelnden Person in einem von den Mitgliedstaaten festzulegenden Zeitraum von mindestens sechs und höchstens zwölf Monaten vor dem Angebot gemäß Absatz 1 für die gleichen Wertpapiere gezahlt worden ist.

Abs. 4 Satz 1 RL 2004/25/EG steht der Auslegung von § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG dahin, dass auch für Wandelschuldverschreibungen gezahlte Preise, die einen Aktienerwerb ermöglichen, zu berücksichtigen sind, aber nicht entgegen. Der deutsche Gesetzgeber ist durch Art. 5 Abs. 4 RL 2004/25/EG nicht darauf beschränkt, nur für gleiche Wertpapiere gezahlte Preise als angemessenen Preis gelten zu lassen. Die Richtlinie enthält nur Mindestanforderungen und die Mitgliedstaaten können für Angebote zusätzliche Bedingungen und strengere Bestimmungen als in dieser Richtlinie festlegen (Art. 3 Abs. 2 RL 2004/25/EG).

Maßgeblich für die Angemessenheit der angebotenen Gegenleistung im Sinne von § 31 Abs. 1 WpÜG i.V.m. §§ 4, 5 WpÜGAngebV ist der höchste, für den Erwerb der Wandelschuldverschreibungen, bezogen auf eine Aktie gezahlte Betrag, der von der Übernehmerin innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 WpÜGAngebV gezahlt wurde.

Angesichts der Wandlungsmöglichkeit unmittelbar nach Erwerb der Wandelschuldverschreibungen hat das Berufungsgericht zu Recht keinen Abschlag für eine Verzinsung der Anleihen gemacht. Zu Recht hat es auch keine Verminderung des Preises vorgenommen, weil die über die Wandelschuldverschreibung erworbenen Aktien anders als Aktien, die die Klägerinnen eingeliefert haben, für das Jahr 2013 nicht gewinnbezugsberechtigt waren. Die über die Wandelschuldverschreibungen bezogenen Aktien könnten aus diesem Grund allenfalls weniger wert als die eingelieferten Aktien sein.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. November 2017 – II ZR 37/16

  1. BGH, Urteil vom 29.07.2014 – II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 Rn. 22 ff.[]
  2. Kremer/Oesterhaus in KK-WpÜG, 2. Aufl., § 31 Rn. 98 f.; MünchKomm-AktG/Wackerbarth, 4. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 84c; Noack in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 92 f.; Krause in Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, 2. Aufl., § 31 Rn. 151; Marsch-Barner in Baums/Thoma, WpÜG, Stand 2016, § 31 Rn. 122; Glade in Heidel, AktG, 4. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 32; Haarmann in Haarmann/Schüppen, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 150; Wackerbarth, ZIP 2012, 253, 255; Leyendecker-Langner/Läufer, NZG 2014, 161, 163[]
  3. Santelmann/Nestler in Steinmeyer, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 104; Süßmann in Angerer/Geibel/Süßmann, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 64; Hippeli, jurisPR-HaGesR 3/2016, Anm. 1; Boucsein/Schmiady, AG 2016, 597, 603; Drinkuth in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 4. Aufl., Rn. 60.74; vgl. auch Technau, Der Konzern 2016, 313, 315[]
  4. Bader, AG 2016, 239; Nikoleyczik/Hildebrand, NZG 2016, 505; Zschocke, DB 2016, 581; Müller-Eising, EWiR 2016, 589[]
  5. BT-Drs. 14/7034, S. 57[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2014 – II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 Rn. 31[]
  7. vgl. zu Optionen Kremer/Oesterhaus in KK-WpÜG, 2. Aufl., § 31 Rn. 98; Krause in Assman/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 31 Rn. 155; Haarmann in Haarmann/Schüppen, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 149, 151; MünchKomm-AktG/Wackerbarth, 4. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 84c; Marsch-Barner in Baums/Thoma, WpÜG, Stand 2016, § 31 Rn. 122[]
  8. RegE, BT-Drs. 14/7034, S. 57[]
  9. Krause in Assman/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 31 Rn. 155; Haarmann in Haarmann/Schüppen, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 149, 151; Kremer/Oesterhaus in KK-WpÜG, 2. Aufl., § 31 Rn. 98; Marsch-Barner in Baums/Thoma, WpÜG, Stand 2016, § 31 Rn. 122[]
  10. RegE, BT-Drs. 14/7034, S. 27[]
  11. RegE, BT-Drs. 14/7034, S. 55[]
  12. BGH, Urteil vom 29.07.2014 – II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 Rn. 34 ff.[]
  13. so auch Hippeli, jurisPR-HaGesR 3/2016, Anm. 1[]
  14. ABl. EG L 142 S. 12[]