Die Ersatzpflicht des Organs für Zahlungen nach Insolvenzreife entfällt, soweit die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit ihr ausgeglichen wird. Der als Ausgleich erhaltene Gegenstand muss nicht noch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorhanden sein. Maßgeblich für die Bewertung ist der Zeitpunkt, in dem die Masseverkürzung durch einen Massezufluss ausgeglichen wird.

Die Ersatzpflicht des Organs für Zahlungen nach Insolvenzreife nach § 130a Abs. 1 HGB i.V.m. § 177a Satz 1 HGB entfällt, soweit die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit ihr ausgeglichen wird. § 130a Abs. 1 HGB soll im Interesse einer Gleichbehandlung der Gläubiger eine Schmälerung der Masse nach Eintritt der Insolvenzreife ausgleichen1. Der Erstattungsanspruch gegen das Organ muss folgerichtig nicht nur bei Erfüllung durch das Organ entfallen, sondern auch, wenn die Massekürzung anderweitig ausgeglichen und der Zweck der Ersatzpflicht erreicht ist. Aus diesem Grund besteht kein Erstattungsanspruch gegen das Organ mehr, soweit es dem Insolvenzverwalter gelingt, durch die Insolvenzanfechtung eine Rückerstattung der Zahlung zu erreichen und so die Masseschmälerung wettzumachen2, oder wenn die Massekürzung dadurch ausgeglichen wird, dass für die Zahlung ein Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen gelangt ist, und der Sache nach lediglich ein Aktiventausch vorliegt3.
Da der „Schaden“ bereits in dem Abfluss von Mitteln aus der im Stadium der Insolvenzreife der Gesellschaft zugunsten der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhaltenden Vermögensmasse liegt4, ist nicht jeder beliebige weitere Massezufluss als Ausgleich der Masseschmälerung zu berücksichtigen. Vielmehr ist ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Zahlung erforderlich, damit der Massezufluss der Masseschmälerung zugeordnet werden kann. Auf eine Zuordnung nach wirtschaftlicher Betrachtung zur einzelnen masseschmälernden Zahlung kann nicht verzichtet werden, da der Ersatzanspruch nicht auf Erstattung eines Quotenschadens gerichtet ist5.
Dagegen ist es nach dem Zweck der Vorschrift nicht erforderlich, dass der Gegenstand des Massezuflusses auch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch vorhanden ist. Sollten die Entscheidungen, in denen die Berücksichtigung eines „Aktiventausches“ für möglich erachtet wurde, wenn die Gegenleistung nicht nur ins Gesellschaftsvermögen gelangt ist, sondern auch darin verbleibt, anders zu verstehen sein6, hält der Bundesgerichtshof daran nicht fest. Maßgeblich für die Bewertung ist der Zeitpunkt, in dem die Masseverkürzung durch einen Massezufluss ausgeglichen wird, nicht der Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung7. Die Masseverkürzung ist ausgeglichen und die Haftung des Organs für die masseverkürzende Leistung entfällt, sobald und soweit ein ausgleichender Wert endgültig in das Gesellschaftsvermögen gelangt ist8. Wenn ein Gegenstand oder eine Geldleistung, die als Ausgleich der Masseschmälerung in das Gesellschaftsvermögen gelangt ist, danach wieder ausgegeben wird, führt dies ggf. zu einem neuen Erstattungsanspruch nach § 130a Abs. 1 HGB. Würde demgegenüber der zuvor erfolgte Ausgleich der ersten Masseverkürzung nicht beachtet, würde es ggf. sogar zu einer Vervielfachung des zu erstattenden Betrags kommen, obwohl wertmäßig die Masse nur einmal verkürzt wurde. Das „Zahlungsverbot“ soll aber nur eine Masseverkürzung verhindern, nicht einer Massebereicherung dienen.
Eine dem Gesellschaftsorgan nicht zurechenbare, insbesondere zufällige Verschlechterung des Gegenstands des Ausgleichs bei der Gesellschaft bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällt schon nicht unter den Schutzzweck § 130a Abs. 1 HGB. Das Organ ist nach dieser Vorschrift nicht für jede Masseverkürzung verantwortlich. § 130a Abs. 1 HGB schützt nur vor Massekürzungen, die das Organ veranlasst hat9, und erfasst nicht jeden Schaden, der durch die Insolvenzverschleppung entsteht. Für Insolvenzverschleppungsschäden, die nicht in einer Masseschmälerung durch Zahlung bestehen, haftet das Organ nach § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB.
Auch bei einer durch das Organ veranlassten Verarbeitung oder ähnlichen Fällen eines Verlusts eines als Ausgleich in die Masse gelangten Gegenstands entstehen keine Schutzlücken. Regelmäßig bleibt dadurch der geschaffene Wert im Vermögen der Gesellschaft erhalten oder es wird eine Gegenleistung erwirtschaftet. Ist dies ausnahmsweise nicht der Fall, kommt auch hier eine Haftung nach § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB wegen Insolvenzverschleppung in Betracht.
Ob die zurückgeführten Mittel bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch vorhanden waren, ist für die Entscheidung ohne Bedeutung, da der Zeitpunkt des Massezuflusses maßgeblich ist.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. November 2014 – II ZR 231/13
- st. Rspr., BGH, Urteil vom 03.06.2014 – II ZR 100/13, ZIP 2014, 1523 Rn. 14; Urteil vom 26.03.2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 Rn. 7; Beschluss vom 05.02.2007 – II ZR 51/06, ZIP 2007, 1501 Rn. 4; vgl. zur Parallelvorschrift § 64 Satz 1 GmbHG bzw. § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. BGH, Urteil vom 08.01.2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264, 275; Urteil vom 29.11.1999 – II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 186; Urteil vom 18.12 1995 – II ZR 277/94, BGHZ 131, 325, 328[↩]
- BGH, Urteil vom 03.06.2014 – II ZR 100/13, ZIP 2014, 1523 Rn. 14; Urteil vom 18.12 1995 – II ZR 277/94, BGHZ 131, 325, 327[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 18.10.2010 – II ZR 151/09, ZIP 2010, 2400 Rn. 21 – Fleischgroßhandel; Urteil vom 31.03.2003 – II ZR 150/02, ZIP 2003, 1005, 1006; vgl. auch Beschluss vom 05.11.2007 – II ZR 262/06, ZIP 2008, 72 Rn. 5[↩]
- BGH, Urteil vom 26.03.2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 Rn. 7[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 26.03.2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 Rn. 7; Beschluss vom 05.02.2007 – II ZR 51/06, ZIP 2007, 1501 Rn. 4[↩]
- BGH, Urteil vom 18.10.2010 – II ZR 151/09, ZIP 2010, 2400 Rn. 21 – Fleischgroßhandel; Urteil vom 31.03.2003 – II ZR 150/02, ZIP 2003, 1005, 1006; Urteil vom 11.09.2000 – II ZR 370/99, ZIP 2000, 1896, 1897; Urteil vom 18.03.1974 – II ZR 2/72, NJW 1974, 1088, 1089[↩]
- Münch-KommGmbHG/Müller § 64 Rn. 137; Ulmer/Casper, GmbHG, § 64 Rn. 85; Habersack/Foerster, ZHR 178 [2014], 387, 404; aA Baumbach/Hueck/Haas, GmbHG, 20. Aufl., § 64 Rn. 70b; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., § 64 Rn. 7; Sandhaus in Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, § 64 Rn. 27[↩]
- vgl. RGZ 159, 211, 230[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 16.03.2009 – II ZR 32/08, ZIP 2009, 956 Rn. 13; zu § 64 Satz 1 GmbHG BGH, Urteil vom 25.01.2011 – II ZR 196/09, ZIP 2011, 422 Rn. 28; zu § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG BGH, Urteil vom 16.03.2009 – II ZR 280/07, ZIP 2009, 860 Rn. 42[↩]
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