Zahlungen, die nach Insolvenzreife einer GmbH auf dem debitorisch geführten Bankkonto der GmbH eingehen, sind zumindest dann nicht ohne weiteres als Zahlungen im Sinne von § 64 Satz 1 GmbHG zu werten, wenn zugunsten der Bank eine Globalzession besteht.

Der Einzug von Forderungen einer insolvenzreifen GmbH auf ein debitorisches Konto ist zwar grundsätzlich eine masseschmälernde Zahlung im Sinne von § 64 Satz 1 GmbHG, weil dadurch das Aktivvermögen der Gesellschaft zu Gunsten der Bank geschmälert wird1.
Der zwischen der GmbH und der Bank abgeschlossene Globalabtretungsvertrag kann die Annahme masseschmälernder Zahlungen durch die Einziehung von Forderungen auf das debitorisch geführte Konto jedoch ausschließen.
Wie der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 23.06.20152 entschieden hat, stellen der Einzug von Forderungen, die an die Bank zur Sicherheit abgetreten waren, auf einem debitorischen Konto der GmbH und die anschließende Verrechnung mit dem Sollsaldo keine vom Geschäftsführer einer GmbH veranlasste masseschmälernde Zahlung im Sinn von § 64 Satz 1 GmbHG dar, wenn vor Insolvenzreife die Sicherungsabtretung vereinbart und die Forderung der Gesellschaft entstanden und werthaltig geworden ist.
Der Geschäftsführer muss in solchen Fällen die sicherungsabgetretene Forderung ungeachtet der bestehenden Einziehungsermächtigung nicht durch Einziehung auf ein neu eröffnetes, kreditorisch geführtes Konto bei einer anderen Bank der Einziehung und Verrechnung auf dem debitorischen Konto entziehen, da eine solche Umleitung der Zahlungen auf ein anderes Konto nicht einem ordentlichen Geschäftsgebaren entspräche3. Da die eingezogene Forderung infolge der Sicherungsabtretung nicht mehr als freie Masse den Gläubigern zur gleichmäßigen Befriedigung zur Verfügung stand, verlangt auch der Zweck des Zahlungsverbots, die vorhandene Masse zu sichern, nicht, die Zahlung einzubehalten. Die Masse würde durch den Einzug von sicherungsabgetretenen Forderungen ohne Weiterleitung nicht nur erhalten, sondern vergrößert4.
Wenn allerdings die vor Insolvenzreife zur Sicherheit abgetretene zukünftige Forderung erst nach Eintritt der Insolvenzreife entstanden ist oder wenn sie zwar vor Eintritt der Insolvenzreife entstanden, aber erst danach werthaltig geworden ist und der Geschäftsführer die Entstehung der Forderung oder deren Werthaltigwerden hätte verhindern können, liegt eine masseschmälernde Leistung durch die der Bank zugutekommende Zahlung grundsätzlich vor. Der Geschäftsführer kann zwar nicht verhindern, dass der Zessionar die ihm zur Sicherheit abgetretene Forderung nach Insolvenzreife verwertet. Er darf aber nicht bewirken, dass der Zessionar zu Lasten der Masse nach Insolvenzreife noch eine werthaltige Forderung erwirbt, § 64 Satz 1 GmbHG5.
Im Falle der Abtretung einer künftigen Forderung ist der Verfügungstatbestand mit dem Zustandekommen des Abtretungsvertrages abgeschlossen. Der Rechtsübergang auf den Gläubiger vollzieht sich jedoch erst mit dem Entstehen der Forderung. Wenn die Abtretung bereits vor der Insolvenzreife für künftige Forderungen vereinbart wurde, kann gleichwohl eine Masseschmälerung eintreten, deren Ursache nicht in der Abtretungsvereinbarung, sondern darin liegt, dass die sicherungsabgetretene Forderung nicht mehr zugunsten des Vermögens der GmbH, sondern zugunsten des Zessionars entsteht. Wenn der Geschäftsführer die Zession etwa durch die Kündigung des Kontokorrentvertrages oder das Entstehen der Forderung nach Eintritt der Insolvenzreife verhindern kann, liegt daher im Ergebnis eine von ihm veranlasste Leistung an die Bank vor, wenn die Forderung nach der vor Insolvenzreife vereinbarten Sicherungsabtretung an die Bank entsteht und von ihr verwertet wird. Das betrifft vor allem Verträge, die die Schuldnerin nach Eintritt der Insolvenzreife eingeht und bei denen der Anspruch auf die Gegenleistung für eine Leistung der Schuldnerin aufgrund der Sicherungsabtretung der Bank zusteht6.
Das gleiche gilt, wenn der Anspruch auf die Gegenleistung rechtlich zwar bereits entstanden ist, zulasten des Vermögens der Schuldnerin aber erst nach Eintritt der Insolvenzreife werthaltig gemacht wird, etwa indem die Schuldnerin die von ihr vertraglich zugesagte Leistung erbringt. Die Masseschmälerung liegt in diesen Fällen darin, dass die abgetretene Forderung zugunsten des Gläubigers werthaltig gemacht worden ist. Die Wertschöpfung geschieht dann zu Lasten der Gläubigergesamtheit bzw. der Masse und zugunsten des gesicherten Gläubigers7.
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die auf das Kontokorrentkonto eingezogenen Forderungen, für die die Insolvenzverwalterin Ersatz verlangt, von der Globalzession erfasst und vor dem Eintritt der Insolvenzreife entstanden bzw. werthaltig gemacht worden sind, liegt bei dem beklagten Geschäftsführer8.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 3. Mai 2016 – II ZR 318/15
- BGH, Urteil vom 23.06.2015 – II ZR 366/13, BGHZ 206, 52 mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 23.06.2015 – II ZR 366/13, BGHZ 206, 52 Rn. 12 ff.; ebenso BGH, Urteil vom 08.12 2015 – II ZR 68/14, ZIP 2016, 364 Rn. 13 ff.; Urteil vom 26.01.2016 – II ZR 394/13[↩]
- BGH, Urteil vom 23.06.2015 – II ZR 366/13, BGHZ 206, 52 Rn. 16 ff.; Urteil vom 08.12 2015 – II ZR 68/14, ZIP 2016, 364 Rn. 16; Urteil vom 26.01.2016 – II ZR 394/13[↩]
- BGH, Urteil vom 23.06.2015 – II ZR 366/13, BGHZ 206, 52 Rn. 18; Urteil vom 08.12 2015 – II ZR 68/14, ZIP 2016, 364 Rn. 16; Urteil vom 26.01.2016 – II ZR 394/13, Umdruck S. 17[↩]
- BGH, Urteil vom 23.06.2015 – II ZR 366/13, BGHZ 206, 52 Rn.19; Urteil vom 08.12 2015 – II ZR 68/14, ZIP 2016, 364 Rn. 17; Urteil vom 26.01.2016 – II ZR 394/13[↩]
- BGH, Urteil vom 23.06.2015 – II ZR 366/13, BGHZ 206, 52 Rn. 22 mwN; Urteil vom 08.12 2015 – II ZR 68/14, ZIP 2016, 364 Rn. 18; Urteil vom 26.01.2016 – II ZR 394/13[↩]
- BGH, Urteil vom 23.06.2015 – II ZR 366/13, BGHZ 206, 52 Rn. 23; Urteil vom 08.12 2015 – II ZR 68/14, ZIP 2016, 364 Rn. 17; Urteil vom 26.01.2016 – II ZR 394/13[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2015 – II ZR 366/13, BGHZ 206, 52 Rn. 34; Urteil vom 08.12 2015 – II ZR 68/14, ZIP 2016, 364 Rn. 27; Urteil vom 26.01.2016 – II ZR 394/13[↩]