Eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 liegt vor, wenn nach dem Verständnis des Durchschnittsverbrauchers, das auch durch Vorerwartungen und Kenntnissen geprägt wird, ein Zusammenhang zwischen dem Bestandteil eines Lebensmittels und dem Gesundheitszustand des Konsumenten suggeriert wird. Bei der Prüfung, ob eine verwendete gesundheitsbezogene Angabe inhaltlich mit einer im Sinne von Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 angemeldeten Angabe übereinstimmt, ist ein strenger Maßstab anzulegen.

Zwischen einem markentypisch auf ein Unternehmen hinweisendes Kennzeichen (hier: "Praebiotik®") und der von einem Verband zugunsten einer Vielzahl von in Betracht kommenden Verwendern angemeldeten rein beschreibenden Angabe eines Inhaltsstoffs (hier: "Prebiotic fibre supports development of healthy intestinal flora") besteht ein grundlegender inhaltlicher Unterschied, der bei dem anzulegenden strengen Maßstab der Anwendung der Übergangsvorschrift des Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 entgegensteht.
Nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel – II und den speziellen Anforderungen in Kapitel – IV der Verordnung entsprechen, nach ihr zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Art. 13 und 14 der Verordnung aufgenommen sind. Da bei der angegriffenen Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®" jedenfalls das letztere nicht der Fall ist, kommt es im Streitfall darauf an, ob die Bezeichnung eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 ist. Das ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs der Fall.
Die Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®" stellt eine Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 dar. Der Begriff "Angabe" bezeichnet jede Aussage oder Darstellung, die nach dem Unionsrecht oder den nationalen Vorschriften nicht obligatorisch ist und mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt. Die angegriffene Bezeichnung ist keine rechtlich zwingend vorgeschriebene Kennzeichnung. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts versteht der angesprochene Verkehr die Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®" dahin, dass die von der Beklagten angebotenen Lebensmittel "Präbiotika" und "Probiotika", also Bestandteile enthalten, die sich als probiotisch und präbiotisch qualifizieren lassen. Damit wird durch die Verwendung von "Praebiotik® + Probiotik®" zumindest mittelbar zum Ausdruck gebracht, dass das so bezeichnete Lebensmittel präbiotische und probiotische Eigenschaften besitzt.
Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) 1924/2006 ist eine gesundheitsbezogene Angabe gegeben, wenn mit einer Angabe erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Der Begriff "Zusammenhang" ist dabei weit zu verstehen 1. Der Begriff "gesundheitsbezogene Angabe" erfasst daher jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert 2. Darüber hinaus wird jeder Zusammenhang erfasst, der impliziert, dass für die Gesundheit negative oder schädliche Auswirkungen, die in anderen Fällen mit einem solchen Verzehr einhergehen oder sich ihm anschließen, fehlen oder geringer ausfallen. Dabei sind sowohl die vorübergehenden und flüchtigen Auswirkungen als auch die kumulativen Auswirkungen des wiederholten und längerfristigen Verzehrs eines bestimmten Lebensmittels auf den körperlichen Zustand zu berücksichtigen 3.
Nach Erwägungsgrund 16 der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 kommt es darauf an, wie Angaben über Lebensmittel vom Verbraucher verstanden werden. Dabei ist vom normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher auszugehen. Es gilt kein statistischer, sondern ein normativer Maßstab, nach dem die nationalen Gerichte und Verwaltungsbehörden gehalten sind, von ihrer eigenen Urteilsfähigkeit unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszugehen.
Nach diesen Grundsätzen liegt eine gesundheitsbezogene Angabe auch dann vor, wenn nach dem Verständnis des Durchschnittsverbrauchers, das naturgemäß auch durch Vorerwartungen und Kenntnisse geprägt wird, ein Zusammenhang zwischen dem Bestandteil eines Lebensmittels und dem Gesundheitszustand des Konsumenten suggeriert wird.
Im Streitfall kann nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ferner nicht angenommen werden, dass der Verkehr in der Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®" allein den Hinweis auf die Inhaltsstoffe des so bezeichneten Lebensmittels sieht. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass das Lebensmittel als Inhaltsstoffe die präbiotische Komponente Calactooligosaccharide und als probiotische Komponente das Bakterium Lactobacillus fermentum hereditum enthält. Es ist ferner davon ausgegangen, dass der angesprochene Verkehr die Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®" dahin versteht, dass das von der Beklagten angebotene Lebensmittel Probiotika und Präbiotika, also Bestandteile enthält, die sich als probiotisch und präbiotisch qualifizieren lassen. Durch die Eigenschaften "probiotisch" und "präbiotisch" eines Lebensmittels wird ein Wirkungsbezug zum Gesundheitszustand des Konsumenten hergestellt. So hat das Landgericht festgestellt, dass damit die Fähigkeit ausgedrückt wird, die natürliche Darmfunktion und die Abwehrkräfte zu stimulieren. Dies entspricht der Lebenserfahrung 4 und wird auch dadurch gestützt, dass die Kommission der Europäischen Union in der Angabe "contains probiotics/prebiotics" ein typisches Beispiel für die Erklärung einer gesundheitsfördernden Wirkung im Sinne einer gesundheitsbezogenen Angabe gesehen hat 5. Abweichende Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Es sind auch sonst keine Umstände ersichtlich, die dafür sprechen könnten, dass die normativ zu bestimmende Auffassung des Durchschnittsverbrauchers nicht allein in den Angaben "Calactooligosaccharide" und "Lactobacillus fermentum hereditum" die Beschreibung eines Inhaltsstoffs sieht, sondern auch in der Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®", die erkennbar eng an die Wörter "Praebiotikum" und "Probiotikum" und damit an Begriffe angelehnt sind, die – wie etwa Narkotikum und Analgetikum – nach der Lebenserfahrung regelmäßig ein Mittel speziell in seiner Eigenschaft benennen, eine bestimmte Wirkung auf Körperfunktionen zu erzielen.
Die Verwendung der Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®" ist auch nicht durch Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 erlaubt. Danach dürfen Handelsmarken, Markennamen oder Phantasiebezeichnungen, die in der Kennzeichnung, Aufmachung oder Werbung für ein Lebensmittel verwendet werden und als nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe aufgefasst werden können, ohne die in der Verordnung vorgesehenen Zulassungsverfahren verwendet werden, sofern der betreffenden Kennzeichnung, Aufmachung oder Werbung eine nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist, die der Verordnung entspricht. Wie bei der Prüfung des Klageantrags zu 2 dargelegt werden wird, ist der Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®" mit der Wendung "zur Unterstützung einer gesunden Darmflora" eine gesundheitsbezogene Angabe beigefügt. Die Annahme des Berufungsgerichts, diese Angabe entspreche ebenfalls der Verordnung (EG) Nr.1924/2006, weil sich die Beklagte auf die Übergangsvorschrift nach Art. 28 Abs. 6 Buchst. b dieser Verordnung berufen könne, ist jedoch nicht frei von Rechtsfehlern. Es kann deshalb offenbleiben, ob es für die Privilegierung des Art. 1 Abs. 3 der Verordnung ausreicht, dass der zulassungsbedürftigen Marke Angaben beigefügt werden, die nicht positiv zugelassen sind, sondern hinsichtlich deren lediglich die Übergangsvorschrift nach Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung eingreift. Auch die Beifügung der Angabe "Mit natürlichen Milchsäurekulturen" rechtfertigt die Verwendung der Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®" nicht 6.
Nach Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 dürfen gesundheitsbezogene Angaben, die – wie im Streitfall – keiner Bewertung durch einen Mitgliedstaat unterzogen und nicht zugelassen wurden, weiterhin verwendet werden, sofern vor dem 19.01.2008 ein Antrag nach der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 gestellt wurde; gesundheitsbezogene Angaben, die nicht nach diesem Verfahren zugelassen wurden, dürfen bis zu sechs Monate nach einer Entscheidung im Sinne des Art. 17 Abs. 3 der Verordnung weiter verwendet werden.
Bei der Prüfung, ob eine verwendete gesundheitsbezogene Angabe inhaltlich mit einer im Sinne von Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 angemeldeten Angabe übereinstimmt, ist ein strenger Maßstab anzulegen 7. Dafür spricht zunächst der Wortlaut der Bestimmung. Danach kann diejenige Angabe weiterhin verwendet werden, hinsichtlich deren ein Antrag nach der Verordnung gestellt worden ist. Es muss sich also um die nämliche Angabe handeln. Auch der Sinn und Zweck sowie die Systematik der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 sprechen dafür, an die Übereinstimmung der verwendeten mit der beantragten Angabe strenge Anforderungen zu stellen. Die Übergangsbestimmung des Art. 28 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 ist eine Ausnahme vom Verbotstatbestand des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung. Das dort statuierte grundsätzliche Verbot der Verwendung nicht zugelassener Angaben dient dem Zweck der Richtlinie, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten (Erwägungsgründe 1, 36). Aus der systematischen Konzeption der Verordnung, wonach die Zulassung von gesundheitsbezogenen Angaben grundsätzlich die Aufnahme in eine Positivliste nach einer wissenschaftlichen Nachprüfung voraussetzt, folgt ferner, dass dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit besondere Bedeutung zukommt (vgl. auch Erwägungsgrund 31). Damit stünde es nicht im Einklang, im Wege einer extensiven Anwendung der Übergangsvorschrift des Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 die Verwendung von Angaben zu gestatten, die sich nicht eng mit der beantragten Angabe decken.
Zwischen einem markentypisch auf ein einziges Unternehmen hinweisenden Kennzeichen und der – zudem von einem Verband zugunsten einer Vielzahl von in Betracht kommenden Verwendern angemeldeten – rein beschreibenden Angabe eines Inhaltsstoffs besteht aber ein grundlegender inhaltlicher Unterschied, der der Anwendung der Übergangsvorschrift des Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 entgegensteht 8.
Eine abweichende Ansicht läuft auf eine Privilegierung der Verwendung von Marken mit beschreibenden Anklängen hinaus, die mit der Systematik und dem Sinn und Zweck der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 nicht im Einklang steht. Nach Erwägungsgrund 4 der Verordnung findet diese auch auf Handelsmarken und sonstige Markennamen Anwendung, die als nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe ausgelegt werden können. Eine Privilegierung solcher Marken sieht die Verordnung allein insoweit vor, als dem Verwender nach Art. 1 Abs. 3 der Verordnung ein Wahlrecht im Hinblick auf die Beifügung einer gesundheits- oder ernährungsbezogenen Angabe zusteht und ihm in Art. 28 Abs. 2 der Verordnung eine weitreichende Übergangsfrist gewährt wird. Dagegen ist nichts dafür ersichtlich, dass dem Verwender einer solchen Marke darüber hinaus auch eine Privilegierung dahingehend zukommen soll, dass bei der Prüfung der Übereinstimmung der angemeldeten mit der verwendeten Angabe im Sinne des Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung der Kennzeichencharakter der verwendeten Angabe außer Betracht gelassen werden kann. Vielmehr steht dem der Zweck der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 entgegen, ein hohes Verbraucherschutzniveau und eine transparente und rechtssichere Handhabung der Erlaubnistatbestände zu gewährleisten.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. Februar 2014 – I ZR 178/12 – Praebiotik
- EuGH, Urteil vom 06.09.2012 – C544/10, GRUR 2012, 1161 Rn. 34 = WRP 2012, 1368 – Deutsches Weintor; EuGH, Urteil vom 18.07.2013 – C299/12, GRUR 2013, 1061 Rn. 22 = WRP 2013, 1311 – Green – Swan Pharmaceuticals[↩]
- EuGH, GRUR 2012, 1161 Rn. 35 – Deutsches Weintor; BGH, Beschluss vom 05.12 2012 – I ZR 36/11, GRUR 2013, 189 Rn. 9 = WRP 2013, 180 – Monsterbacke; BGH, GRUR 2013, 958 Rn. 10 – Vitalpilze[↩]
- EuGH, GRUR 2012, 1161 Rn. 35, 38 – Deutsches Weintor[↩]
- vgl. auch Gerstberger, ZLR 2012, 723, 725 mwN[↩]
- vgl. Guidance on the implemantation of Regulation No 1924/2006 on nutrition and health claims made on foods conclusions of the Standing Committee on the Food Chain and Animal Health vom 14.12 2007, S. 11, vgl. dazu auch Gerstberger, ZLR 2012, 723, 727; Omsels, jurisPR-WettbR 9/2012, Anm. 3, E[↩]
- vgl. Gerstberger, ZLR 2012, 723, 730 f.[↩]
- OLG Hamburg, WRP 2013, 99, 101; Meisterernst in Meisterernst/Haber aaO Art. 28 Rn. 28h[↩]
- ebenso OLG Hamburg, WRP 2013, 99, 101 f.; Gerstberger, ZLR 2012, 723, 732[↩]