Ginkgo-Extrakt

Hat ein Produkt ab einer bestimmten Menge eine pharmakologische Wirkung, so ist es als Funktionsarzneimittel anzusehen, wenn davon auszugehen ist, dass diese Menge bei Einhaltung der normalen Verzehrgewohnheiten aufgenommen wird. Eine auf dem Produkt angegebene Empfehlung, von dem Getränk täglich eine bestimmte, nicht präzise umschriebene Menge (hier: ein bis zwei Gläser) zu trinken, steht der Einordnung als Funktionsarzneimittel auch dann nicht entgegen, wenn diese Menge (bei Gläsern üblicher Größe) noch knapp unter der Grenze liegt, von der ab eine pharmakologische Wirkung nachgewiesen ist.

Ginkgo-Extrakt

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs kommt den objektiven pharmakologischen Eigenschaften eines Produkts eine zentrale Bedeutung für die Beurteilung zu, ob es sich bei einem Erzeugnis um ein Arzneimittel oder ein Lebensmittel handelt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Begriff des Funktionsarzneimittels nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG im Sinne des europarechtlichen Arzneimittelbegriffs nach den Richtlinien 2004/27/EG vom 31. März 2004 und 2001/83/EG vom 6. November 2001 zu bestimmen1. Danach sind bei der Beurteilung, ob ein Erzeugnis unter die Definition des Funktionsarzneimit-tels fällt, alle seine Merkmale und insbesondere seine Zusammensetzung, sei-ne pharmakologischen Eigenschaften, wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen, die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern sowie die Risiken zu berücksichtigen, die seine Verwendung mit sich bringen kann2. Die pharmakologischen Eigenschaften eines Erzeugnisses sind dabei der Faktor, auf dessen Grundlage – ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten des Erzeugnisses – zu beurteilen ist, ob dieses im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt werden kann3.

Weiterlesen:
"Klick und wirf zurück"

Stoffe, die zwar auf den menschlichen Körper einwirken, sich aber nicht nennenswert auf den Stoffwechsel auswirken und somit dessen Funktionsbedingungen nicht wirklich beeinflussen, dürfen nicht als Funktionsarzneimittel eingestuft werden4. Der Begriff des Funktionsarzneimittels soll allein diejenigen Erzeugnisse erfassen, deren pharmakologische Eigenschaften wissenschaftlich festgestellt und die tatsächlich dazu bestimmt sind, eine ärztliche Diagnose zu erstellen oder physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu bessern oder zu beeinflussen5. Wirkt ein Stoff pharmakologisch nur in einer bestimmten Menge oder in einer bestimmten Dosis, tritt eine pharmakologische Wirkung dagegen unterhalb dieser Menge nicht ein, so kann ein Erzeugnis, das diesen Stoff enthält, nur dann als Arzneimittel eingestuft werden, wenn und soweit es die für die Wirkung erforderliche Menge dieses Stoffes aufweist6.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 1. Juli 2010 – I ZR 19/08

  1. BGH, Urteil vom 26.06.2008 – I ZR 61/05, GRUR 2008, 830 Tz. 12, 16 = WRP 2008, 1213 – L-Carnitin II; Urteil vom 26.06.2008 – I ZR 112/05, GRUR 2008, 834 Tz. 14 = WRP 2008, 1209 – HMB-Kapseln[]
  2. EuGH, Urteil vom 09.06.2005 – C-211/03, C-299/03 und C-316/03 bis C-318/03, Slg. 2005, I-5141 = WRP 2005, 863 Tz. 51 – HLH Warenvertrieb und Orthica; Urteil vom 15.11.2007 – C-319/05, Slg. 2007, I-9811 = GRUR 2008, 271 Tz. 55 = WRP 2008, 59 – Knoblauchkapseln; Urteil vom 15.01.2009 – C-140/07, Slg. 2009, I-41 = GRUR 2009, 511 Tz. 37 – Hecht-Pharma/Staatliches Gewerbeaufsichtsamt; vgl. ferner BGHZ 151, 286, 293 – Muskelaufbaupräparate; BGH GRUR 2008, 830 Tz. 18 – L-Carnitin II; GRUR 2008, 834 Tz. 19 – HMB-Kapseln[]
  3. EuGH, Urteil vom 30.04.2009 – C-27/08, Slg. 2009, I-3785 = GRUR 2009, 790 Tz. 20 = WRP 2009, 728 – BIOS Naturprodukte/Saarland, m.w.N.; BGH, Urteil vom 14.01.2010 – I ZR 138/07, GRUR 2010, 259 Tz. 15 = WRP 2010, 374 – Zimtkapseln[]
  4. EuGH, GRUR 2008, 271 Tz. 60 – Knoblauchkapseln; GRUR 2009, 511 Tz. 41 – Hecht-Pharma/Staatliches Gewerbeaufsichtsamt; EuGH, Urteil vom 05.03.2009 – C-88/07, Slg. 2009, I-1353 = ZLR 2009, 321 Tz. 75 – Kommission/Königreich Spanien; BGH GRUR 2008, 830 Tz. 19 – L-Carnitin II; GRUR 2008, 834 Tz. 20 – HMB-Kapseln[]
  5. EuGH GRUR 2008, 271 Tz. 61 – Knoblauch-kapseln[]
  6. vgl. EuGH, Urteil vom 29.04.2004 – C-150/00, Slg. 2004, I-3887 = ZLR 2004, 479 Tz. 68, 74, 80 – Kommission/Republik Österreich; EuGH GRUR 2008, 271 Tz. 66, 68 – Knoblauchkapseln[]
Weiterlesen:
Prepaid-Handys

Bildnachweis: