CMR – und die vertragliche Erweiterung der Frachtführerhaftung

Im Geltungsbereich der CMR sind strenge Formanforderungen an Vereinbarungen zu stellen, die den Haftungsumfang des Frachtführers nach Art. 23 Abs. 3 oder Art. 25 Abs. 2 CMR erweitern. Hierfür bedarf es nach Art. 24 und Art. 26 Abs. 1 CMR jeweils der Eintragung der Wert- oder Interessenangabe im Frachtbrief.

CMR – und die vertragliche Erweiterung der Frachtführerhaftung

Die Erhöhung des Haftungshöchstbetrags des Frachtführers nach Art. 24 und Art. 26 CMR bedarf einer entsprechenden Vereinbarung der Parteien des Frachtvertrags. Die von den Parteien des Frachtvertrags getroffene Vereinbarung über den Abschluss einer Transportversicherung gegen Aufpreis sowie die Angabe des Versicherungswerts im Frachtvertrag stellen für sich allein keine einvernehmliche Erhöhung des Haftungshöchstbetrags des Frachtführers dar.

25 Abs. 2 Buchst. a CMR ist nicht nur dann anzuwenden, wenn an der gesamten Sendung ein wirtschaftlicher Totalschaden eingetreten ist. Diese Regelung gilt immer dann, wenn die Beschädigung die ganze Sendung erfasst und in ihrem Wert zumindest verringert.

Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 CMR gilt die CMR für jeden Vertrag über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Gutes und der für die Ablieferung vorgesehene Ort, wie sie im Vertrag angegeben sind, in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

Nach Art. 17 Abs. 1 CMR haftet der Frachtführer für gänzlichen oder teilweisen Verlust und für Beschädigung des Gutes, sofern der Verlust oder die Beschädigung zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintritt, sowie für die Überschreitung der Lieferfrist.

Nach Art. 17 Abs. 4 Buchst. b CMR ist der Frachtführer unter bestimmten Voraussetzungen von seiner Haftung befreit, wenn die Beschädigung auf Mängel der Verpackung zurückzuführen ist. Der Frachtführer, der das Transportgut selbst verpackt hat, kann sich jedoch nicht auf diese Haftungsbeschränkung berufen.

Bei Beschädigung des Gutes hat der Frachtführer gemäß Art. 25 Abs. 1 CMR den Betrag der Wertverminderung zu zahlen, die unter Zugrundelegung des nach Art. 23 Abs. 1, 2 und 4 CMR festgestellten Wertes des Gutes berechnet wird. Die Entschädigung wird danach gemäß Art. 23 Abs. 1 CMR – wie im Falle des gänzlichen oder teilweisen Verlustes – nach dem Wert des Gutes am Ort und zur Zeit der Übernahme zur Beförderung berechnet. Dieser Versandwert bestimmt sich gemäß Art. 23 Abs. 2 CMR nach dem Börsenpreis, mangels eines solchen nach dem Marktpreis und mangels beider nach dem gemeinen Wert von Gütern gleicher Art und Beschaffenheit.

Die Entschädigung im Falle einer Beschädigung darf nach Art. 25 Abs. 2 CMR bestimmte Beträge nicht übersteigen und zwar

  1. wenn die ganze Sendung durch die Beschädigung entwertet ist, den Betrag, der bei gänzlichem Verlust zu zahlen wäre, und
  2. wenn nur ein Teil der Sendung durch die Beschädigung entwertet ist, den Betrag, der bei Verlust des entwerteten Teiles zu zahlen wäre.

Bei gänzlichem oder teilweisem Verlust des Gutes darf die Entschädigung nach Art. 23 Abs. 3 CMR 8, 33 Rechnungseinheiten für jedes fehlende Kilogramm des Rohgewichts nicht übersteigen. Die Vorschrift des Art. 23 Abs. 3 CMR gilt unmittelbar nur für die Fälle des gänzlichen oder teilweisen Verlustes, sie ist jedoch über Art. 25 Abs. 2 CMR im Fall einer durch eine Beschädigung vollständig oder teilweise entwerteten Sendung entsprechend anzuwenden1.

Nach Art. 23 Abs. 6 CMR können im Falle des gänzlichen oder teilweisen Verlustes höhere Entschädigungen nur dann beansprucht werden, wenn der Wert des Gutes oder ein besonderes Interesse an der Lieferung nach den Art. 24 und 26 CMR angegeben worden ist. Der Absender kann gemäß Art. 24 CMR gegen Zahlung eines zu vereinbarenden Zuschlags zur Fracht einen Wert des Gutes im Frachtbrief angeben, der den in Art. 23 Abs. 3 CMR bestimmten Höchstbetrag übersteigt; in diesem Fall tritt der angegebene Betrag an die Stelle des Höchstbetrages. Nach Art. 26 Abs. 1 CMR kann der Absender gegen Zahlung eines zu vereinbarenden Zuschlags zur Fracht für den Fall des Verlustes oder der Beschädigung und für den Fall der Überschreitung der vereinbarten Lieferfrist durch Eintragung in den Frachtbrief den Betrag eines besonderen Interesses an der Lieferung festlegen. Ist ein besonderes Interesse an der Lieferung angegeben worden, so kann gemäß Art. 26 Abs. 2 CMR unabhängig von der Entschädigung nach den Art. 23, 24 und 25 CMR der Ersatz des weiteren bewiesenen Schadens bis zur Höhe des als Interesse angegebenen Betrags beansprucht werden.

Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Streitfall hat in der Berufungsinstanz das Berliner Kammergericht2 gemacht, weil in dem Vertragsangebot der Frachtführerin eine Transportversicherung zu einem Wert von 200.000 € sowie eine von der Absenderin an die Frachtführerin hierfür zu leistende Vergütung in Höhe von 156, 18 € vorgesehen sei. Dies habe die Absenderin nicht anders verstehen können, als dass auch die Haftungsobergrenze der Frachtführerin entsprechend Ziffer 5.6 AVK auf diesen Betrag angehoben werden solle. Die Frachtführerin habe nach Art. 25 CMR die Differenz zwischen dem objektiven Wert im unbeschädigten Zustand und dem hypothetischen objektiven Wert des beschädigten Bildes jeweils am Ort und zur Zeit der Übernahme zur Beförderung zu ersetzen. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

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Im Streitfall durfte das Kammergericht nicht im Hinblick auf die von ihm vorgenommene Auslegung des Frachtvertrags die Frage offenlassen, ob die Voraussetzungen der Erhöhung des Haftungshöchstbetrags des Frachtführers nach Art. 24 oder Art. 26 CMR vorliegen. Im Geltungsbereich der CMR sind strenge Formanforderungen an Vereinbarungen zu stellen, die den Haftungsumfang des Frachtführers nach Art. 23 Abs. 3 oder Art. 25 Abs. 2 CMR erweitern. Hierfür bedarf es nach Art. 24 und Art. 26 Abs. 1 CMR der Eintragung im Frachtbrief. Eine Vereinbarung in einem Transportauftrag reicht hierfür nicht aus.

Der Bundesgerichtshof hat zu Art. 26 Abs. 1 CMR entschieden, dass es für die Festlegung des Betrags eines besonderen Interesses auf die Eintragung im Frachtbrief ankommt. Bei der Auslegung internationaler Übereinkommen ist zur Ermittlung des Willens der Vertragspartner neben dem besondere Bedeutung aufweisenden Wortlaut auch auf die Materialien (vorbereitende Arbeiten; vgl. Art. 32 Abs. 1 WVRK) und den Zusammenhang der Einzelvorschriften zurückzugreifen3. Nach dem Wortlaut des Art. 26 Abs. 1 CMR erfolgt die Festlegung des besonderen Interesses durch „die Eintragung im Frachtbrief“. Dieses Verständnis wird auch durch den Sinn der Regelung belegt, nach dem das Erfordernis der Eintragung im Frachtbrief eine Warn- und Schutzfunktion verfolgt, nämlich dem Frachtführer die ihn treffende Haftungserweiterung sinnfällig vor Augen zu führen4. Der Grundsatz einer am Wortlaut orientierten Auslegung gilt auch für die Auslegung anderer internationaler Abkommen im Transportbereich. Art.20 Abs. 1 Satz 1 des Budapester Übereinkommens über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt (CMNI) knüpft für die Berechnung des Haftungshöchstbetrags an die Gewichtsangabe in der Frachturkunde an. Der Bundesgerichtshof hat bei der Auslegung dieser Vorschrift in erster Linie auf den Wortlaut dieser Vorschrift abgestellt und entschieden, dass der Absender den nach dem Gewicht berechneten Betrag nur dann verlangen kann, wenn das Gewicht in der vorgegebenen Form urkundlich dokumentiert ist5.

Auch für die Wertangabe, die zur Erhöhung der Haftungshöchstgrenze des Art. 23 Abs. 3 CMR gemäß Art. 24 CMR führt, bedarf es einer Eintragung im Frachtbrief.

24 CMR verweist nach seinem Wortlaut ebenfalls auf die Eintragung im Frachtbrief.

Zwar weichen Art. 24 und 26 CMR sprachlich voneinander ab. In Art. 24 CMR heißt es, dass der Absender einen Wert des Gutes „im Frachtbrief angeben“ kann und dass der „angegebene“ Betrag an die Stelle des Höchstbetrags tritt. Nach Art. 26 Abs. 2 CMR kann der Absender „durch Eintragung in den Frachtbrief“ den Betrag eines besonderen Interesses an der Lieferung „festlegen“. Dies rechtfertigt jedoch keine unterschiedliche Auslegung der beiden Regelungen. Zwischen „angeben“ und „festlegen“ besteht kein sachlicher Unterschied. Dies ergibt sich schon aus Art. 23 Abs. 6 CMR, der höhere Entschädigungen ohne sprachlichen Unterschied davon abhängig macht, dass der Wert des Gutes oder ein besonderes Interesse an der Lieferung nach den Art. 24 und 26 CMR „angegeben worden“ sein müssen. Im Übrigen ist auch in Art. 26 Abs. 2 CMR davon die Rede, dass ein besonderes Interesse an der Lieferung „angegeben“ worden ist und Ersatz bis zur Höhe des als Interesse „angegebenen“ Betrags beansprucht werden kann.

Kein sachlicher Unterschied besteht auch, soweit in Art. 24 CMR auf eine „(Angabe) im Frachtbrief“ abgestellt wird und in Art. 26 Abs. 1 CMR von einer „Eintragung in den Frachtbrief“ die Rede ist. Gemeint ist damit gleichermaßen die Eintragung in den Frachtbrief, weil „im Frachtbrief“ eine Angabe nur durch Eintragung gemacht werden kann.

Dem entspricht es, der Eintragung der Wertdeklaration eine konstitutive Wirkung zuzumessen mit der Folge, dass ohne Eintragung in den Frachtbrief eine vereinbarte Wertdeklaration unwirksam ist6. Dies hat zur Folge, dass eine Wertdeklaration nicht möglich ist, wenn auf die Ausstellung eines Frachtbriefs verzichtet wurde7. Wird kein Frachtbrief ausgestellt oder wird in einen ausgestellten Frachtbrief kein erhöhter Wert eingetragen, verbleibt es daher im Schadensfall bei einem Ersatz nach Art. 23 Abs. 3 und Art. 25 Abs. 2 CMR.

Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.01.20068, auf die sich das Kammergericht gestützt hat, ergibt sich nichts Abweichendes. Darin hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Frachtführer im Geltungsbereich der CMR in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam seine Haftung auf einen bestimmten Betrag beschränken kann, wenn der Versender nicht eine besondere Wertdeklaration vornimmt. Daraus kann nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass eine Wertdeklaration in den Vertragsunterlagen – außerhalb des Frachtbriefs – eine wirksame Erhöhung der Haftung über die Grenzen des Art. 23 Abs. 3 CMR hinaus darstellt.

Hiergegen wird vergeblich geltend gemacht, die Eintragung im Frachtbrief sei nur insoweit konstitutiv, als es das Verhältnis zu am Vertrag nicht beteiligten Dritten – wie etwa Unterfrachtführer – angehe, der Vertragspartner des Absenders und Hauptfrachtführer bedürfe des Schutzes durch die Eintragung im Frachtbrief nicht9. Dafür, dass Art. 24 CMR in dieser Weise einschränkend ausgelegt werden muss, bietet der Wortlaut der Regelung keine Anhaltspunkte. Der Bundesgerichtshof hat deshalb entschieden, dass es auch im Verhältnis zwischen Absender und Hauptfrachtführer für eine Erhöhung der Haftung des Frachtführers nach Art. 26 CMR auf die Festlegung des Betrags eines besonderen Interesses im Frachtbrief ankommt10. Nichts Anderes gilt für Art. 24 CMR.

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Danach hätte das Kammergericht allenfalls dann von einer Erhöhung des Haftungshöchstbetrags des Art. 23 Abs. 3, Art. 25 Abs. 2 CMR ausgehen dürfen, wenn sich die Erhöhung des Haftungshöchstbetrags auf die Summe von 200.000 € aus dem Frachtbrief ergeben hätte. Entsprechende Feststellungen hat das Kammergericht nicht getroffen. Im Revisionsverfahren ist zugunsten der Frachtführerin zu unterstellen, dass dies nicht der Fall ist.

Die Klage kann jedoch auch dann nicht in vollem Umfang Erfolg haben, wenn die Erhöhung der Haftungshöchstgrenze auf die Summe von 200.000 € im Frachtbrief eingetragen worden wäre. Die Erhöhung des Haftungshöchstbetrags des Frachtführers bedarf darüber hinaus einer entsprechenden Vereinbarung der Parteien des Frachtvertrags. Die Beurteilung des Kammergerichts, die Parteien hätten im Streitfall eine solche Vereinbarung getroffen, hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand.

Die Erhöhung des Haftungshöchstbetrags nach Art. 24 und Art. 26 CMR setzt eine entsprechende Vereinbarung des Absenders mit dem Frachtführer voraus.

Nach Art. 24 CMR tritt der im Frachtbrief angegebene Betrag an die Stelle des in Art. 23 Abs. 3 CMR bestimmten Höchstbetrags. Nach Art. 26 Abs. 2 CMR kann bei der Angabe eines besonderen Interesses an der Lieferung im Frachtbrief unabhängig von der Entschädigung nach den Art. 23, 24 und 25 CMR der bewiesene Schaden bis zur Höhe des als Interesse angegebenen Betrags beansprucht werden. Die Angabe im Frachtbrief reicht jedoch für sich allein nicht aus. Vielmehr setzen Art. 24 CMR und Art. 26 Abs. 1 CMR nach ihrem Wortlaut weiter voraus, dass die Angabe „gegen Zahlung eines zu vereinbarenden Zuschlags zur Fracht“ erfolgen muss.

Der Wortlaut dieser beiden Vorschriften deutet darauf hin, dass die Werterhöhung nur gilt, falls die Parteien einen Zuschlag vereinbart haben und der Absender diesen Zuschlag bezahlt hat. Die Frage, ob die Vereinbarung und die Zahlung des Zuschlags Voraussetzung für die Wirksamkeit der Erhöhung des Haftungshöchstbetrags ist, ist international in Rechtsprechung und Literatur umstritten11. Diese Frage braucht im Streitfall jedoch nicht entschieden zu werden.

Jedenfalls sind die Wertdeklaration nach Art. 24 CMR und die Interessendeklaration nach Art. 26 CMR keine einseitigen Akte. Sie bedürfen einer Vereinbarung zwischen Absender und Frachtführer12. Dies ergibt sich daraus, dass Art. 24 CMR und Art. 26 CMR auf einen „zu vereinbarenden Zuschlag“ verweisen. Vereinbarungen über einen Zuschlag setzen voraus, dass sich die Parteien des Frachtvertrags über eine Wert- oder Interessendeklaration geeinigt haben.

Im Streitfall fehlt es an einer Vereinbarung der Absenderin mit der Frachtführerin über eine Anhebung des Haftungshöchstbetrags. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die vom Kammergericht vorgenommene Auslegung, nach der die zwischen der Absenderin und der Frachtführerin getroffene Vereinbarung über den Abschluss einer Transportversicherung gegen Aufpreis und die Angabe des Versicherungswerts von 200.000 € im von der Absenderin gegengezeichneten Angebot der Frachtführerin eine einvernehmliche Erhöhung des Höchstbetrags der beklagten Frachtführerin nach Art. 23 Abs. 3 CMR und Ziffer 5.6 Abs. 1 AVK darstelle.

Das Kammergericht hat angenommen, in dem von der Absenderin angenommenen Vertragsangebot der Frachtführerin sei eine Transportversicherung zu einem Wert von 200.000 € sowie eine von der Absenderin an die Frachtführerin zu leistende Vergütung in Höhe von 156, 18 € vorgesehen. Dies habe die Absenderin nicht anders verstehen können, als dass auch die Haftungsobergrenze der Frachtführerin entsprechend Ziffer 5.6 AVK auf diesen Betrag angehoben werden sollte. Es sei offensichtlich, dass die Absenderin hierdurch nicht schlechter habe stehen wollen, als wenn die Versicherung durch sie selbst als Versicherungsnehmerin abgeschlossen worden wäre. In diesem Fall hätte sie die Versicherungsleistung bis zu einem Höchstwert von 200.000 € erhalten. Der Umstand, dass die Frachtführerin die Versicherung als Versicherungsnehmerin abgeschlossen habe, habe nicht dazu führen sollen, dass die an die Absenderin abgetretenen Ersatzansprüche der Absenderin auf die Haftungshöchstgrenze gemäß Art. 23 Abs. 3 CMR beziehungsweise Ziffer 5.1 AVK beschränkt seien, die Frachtführerin als Versicherungsnehmerin jedoch den vollen Schaden gegenüber der Versicherung geltend machen könne. Der Vertrag der Absenderin mit der Frachtführerin enthalte konkludent die Vereinbarung, dass die Frachtführerin die Versicherung im Schadensfall in Anspruch zu nehmen und die Versicherungsleistung an die geschädigte Absenderin weiterzuleiten habe. Dementsprechend habe sich die Frachtführerin verhalten. Sie habe damit die Vereinbarung einer Transportversicherung dahingehend verstanden, dass hierdurch auch ihre Haftungsgrenze gemäß Ziffer 5.6 AVK angehoben worden sei. Diese Beurteilung des Kammergerichts hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die Auslegung von Individualvereinbarungen ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Dessen Auslegung unterliegt im Revisionsverfahren nur einer eingeschränkten Überprüfung im Hinblick darauf, ob gesetzliche Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht, etwa weil wesentliches Auslegungsmaterial unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen worden ist. Leidet die tatgerichtliche Auslegung an solchen revisionsrechtlich beachtlichen Rechtsfehlern, bindet sie das Revisionsgericht nicht. Bei der Auslegung sind in erster Linie der von den Parteien gewählte Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen. Weiter gilt das Gebot der nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung und der Berücksichtigung des durch die Parteien beabsichtigten Zwecks des Vertrags13.

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Die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch das Kammergericht ist dagegen revisionsrechtlich in vollem Umfang überprüfbar14. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind im Unterschied zu individuellen Vertragsbestimmungen objektiv ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und des Willens der konkreten Parteien auszulegen. Besondere Bedeutung kommt daher dem Wortlaut einer Klausel und seinem Verständnis durch die typischerweise beteiligten redlichen Verkehrskreise unter Berücksichtigung derer Interessen zu15. Ausgangspunkt für eine solche Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie deren Wortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften der in Rede stehenden Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner zu beachten ist. Verbleiben nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten Zweifel und sind zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar, geht die Unklarheit nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders16.

Das Kammergericht hat keine Auslegung der Regelungen in Ziffer 5.6 AVK vorgenommen. Dies kann jedoch vom Bundesgerichtshof nachgeholt werden. In Ziffer 5.1 AVK wird in vergleichbarer Weise wie in § 430 Abs. 1 HGB und Art. 23 Abs. 3 CMR die Haftung des Frachtführers betragsmäßig auf 8, 33 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm brutto des beschädigten oder in Verlust geratenen Kunstgegenstands beschränkt. Die Klausel in Ziffer 5.6 AVK regelt in zwei gesonderten Absätzen zwei unterschiedliche Sachverhalte. Im ersten Absatz ist die Erhöhung der Höchstbeträge – unter anderem für den Höchstbetrag nach Ziffer 5.1 AVK – geregelt, und zwar sowohl für Güterschäden, Güterfolgeschäden als auch für reine Vermögensschäden. Eine solche Erhöhung gegen gesondertes Entgelt muss schriftlich im Vertrag vereinbart werden. Der zweite Absatz von Ziffer 5.6 AVK betrifft die Beschaffung einer Transportversicherung durch die Frachtführerin, die nur aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung unter Angabe der Versicherungssumme und der zu deckenden Gefahren erfolgt und für die der Frachtführerin eine besondere Vergütung und der Ersatz ihrer Auslagen zusteht.

Ein verständiger und redlicher Vertragspartner wird Ziffer 5.6 AVK unter Berücksichtigung von Ziffer 5.1 AVK unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise dahin verstehen, dass dem Absender zwei Möglichkeiten eröffnet werden, sich für den Fall eines Verlustes oder einer Beschädigung des Gutes davor zu schützen, dass der Schaden infolge der Beschränkung der Haftung von der Frachtführerin nicht in vollem Umfang ausgeglichen wird. Die eine Möglichkeit besteht darin, dass der Auftraggeber mit der Frachtführerin eine Erhöhung der Haftungshöchstbeträge vereinbart und hierfür eine gesonderte Vergütung zu zahlen hat; in diesem Fall muss die Frachtführerin den über den Haftungshöchstbetrag nach Ziffer 5.1 AVK hinausgehenden Schaden ersetzen. Als zweite Möglichkeit bietet die Frachtführerin an, für den Absender das transportierte Gut zu versichern, so dass im Schadensfall der Schaden insgesamt von einer Versicherung getragen wird. Auch in diesem Fall hat der Auftraggeber der Frachtführerin eine besondere Vergütung zu zahlen und zudem ihre Auslagen zu ersetzen.

Das Kammergericht hat bei seiner Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien den gewählten Wortlaut und den dem Wortlaut zu entnehmenden objektiv erklärten Parteiwillen nicht berücksichtigt. Im Frachtvertrag der Frachtführerin mit der Absenderin, der in dem Angebot der Frachtführerin und dessen Gegenzeichnung durch die Absenderin besteht, ist von höheren als in den AVK geregelten Höchstbeträgen nicht die Rede. Im Frachtvertrag wird lediglich eine Transportversicherung, ein Versicherungswert und eine Vergütung von 156, 18 € hierfür genannt. Die Annahme des Kammergerichts, die Parteien hätten durch diese drei Angaben im Frachtvertrag nicht nur den Abschluss einer Transportversicherung für das von der Frachtführerin transportierte Werk nach Ziffer 5.6 Abs. 2 AVK, sondern auch eine Erhöhung der Haftungshöchstbeträge nach Ziffer 5.6 Abs. 1 AVK vereinbart, entbehrt damit jeglicher Grundlage im Wortlaut des Vertrags.

Unzutreffend ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auch die der Auslegung des Frachtvertrags durch das Kammergericht zugrundeliegende Annahme, dass der Absenderin nur dann ein Anspruch auf die Versicherungsleistung zustehe, wenn eine korrespondierende Haftung der Frachtführerin der Absenderin gegenüber eingreife. Das Kammergericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, welchen Inhalt der von der Frachtführerin für den hier in Rede stehenden Transport geschlossene Versicherungsvertrag hatte. Es hat auch nicht festgestellt, dass der Versicherer sich auf das Eingreifen der Haftungshöchstbeträge berufen hätte. Festgestellt ist dagegen, dass der Versicherer einen Betrag gezahlt hat, der offensichtlich über dem für den Frachtführer geltenden Haftungshöchstbetrag liegt, und die Frachtführerin diesen Betrag an die Absenderin ausgekehrt hat.

Der Abschluss einer Transportversicherung hat das wirtschaftliche Ziel, die Ersatzfähigkeit befürchteter Schäden von der Haftung des Frachtführers zu entkoppeln. Die Versicherung soll einen Schaden während des Transports unabhängig von einer Haftung des Frachtführers abdecken und insbesondere auch dann eingreifen, wenn der Frachtführer überhaupt nicht haftet17. Aus diesem Grund besteht keine Veranlassung, aus dem vereinbarten Abschluss einer Transportversicherung auf eine zugleich getroffene Vereinbarung der Frachtvertragsparteien zu schließen, nach der die Beträge für die Haftung des Frachtführers auf die Versicherungssumme angehoben werden.

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Die Frachtführerin ist im vorliegenden Fall auch nicht nach Art. 29 CMR gehindert, sich auf die Haftungsbeschränkungen des Art. 23 Abs. 3 CMR und Ziffer 5.1 AVK zu berufen, so dass sich das Berufungsurteil des Berliner Kammergerichts auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist. Das Kammergericht hat angenommen, die Beschränkungen der Haftung des Frachtführers gemäß Art. 23 Abs. 3 CMR seien nicht nach Art. 29 CMR entfallen. Der Frachtführerin könne zwar im Hinblick auf die eingetretene Beschädigung eine Sorgfaltswidrigkeit zur Last gelegt werden, jedoch sei ihr kein leichtfertiges Verhalten im Sinne von Art. 29 CMR in Verbindung mit § 435 HGB vorzuwerfen.

Danach ist die Haftung der Frachtführerin wegen der Beschädigung nach Art. 25 Abs. 2 und Art. 23 Abs. 3 CMR sowie nach Ziffer 5.1 AVK beschränkt. Maßgeblich für die Berechnung der Entschädigung ist nach Art. 23 Abs. 3 CMR das Rohgewicht und insoweit übereinstimmend nach Ziffer 5.1 AVK jedes Kilogramm brutto der beschädigten Sendung. Hierzu hat das Kammergericht bislang keine Feststellungen getroffen. Da sich das angefochtene Urteil weder aus den vom Kammergericht angenommenen Gründen noch auch aus anderen Gründen als richtig darstellt, ist es aufzuheben (§§ 561, 562 Abs. 1 ZPO). Da die abschließende Entscheidung des Rechtsstreits von erst noch zu treffenden weiteren Feststellungen abhängt, die in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden können, ist der Bundesgerichtshof an einer Entscheidung in der Sache selbst gehindert und der Rechtsstreit daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Kammergericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO).

Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren weist der Bundesgerichtshof auf Folgendes hin: Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das Kammergericht erneut zu prüfen haben, in welchem Umfang die Klage nach Art. 25 in Verbindung mit Art. 23 CMR begründet ist und die hierfür erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.

Da bei Beschädigung des Gutes der Frachtführer gemäß Art. 25 Abs. 1 CMR den Betrag der Wertminderung zu zahlen hat, die unter Zugrundelegung des nach Art. 23 Abs. 1, 2 und 4 CMR festgestellten Wertes des Gutes berechnet wird, ist zunächst der Betrag der Wertminderung festzustellen. Diese Wertminderung hat das Kammergericht im hier entschiedenen Streitfall ohne Rechtsfehler mit 122.000 € ermittelt (250.000 € abzüglich 128.000 €).

Das Kammergericht hat angenommen, der Wert des unbeschädigten Bildes zum Zeitpunkt der Übernahme durch die Frachtführerin habe 250.000 € betragen. Es sei offensichtlich, dass ein konstanter Marktwert für Werke dieser Art nicht existiere. Die Einschätzungen der relevanten Kreise schwankten erheblich. Die Untersuchungen des Sachverständigen Dr. N. lieferten indessen eine tragfähige Schätzungsgrundlage für die Annahme eines Werts zwischen 200.000 € und 300.000 €. Die Einschätzung des Sachverständigen Dr. N. , das beschädigte Werk habe einen Wert von 230.000 €, sei jedoch offensichtlich unzutreffend. Bei der Auktion, bei der das beschädigte Werk angeboten worden sei, sei das Mindestgebot von 170.000 € nicht abgegeben worden. Mangels anderweitiger belastbarer Erkenntnisse sei Grundlage für die Schätzung des Werts des beschädigten Bildes der tatsächlich erzielte Verkaufserlös in Höhe von 128.000 €. Das Bestreiten der Frachtführerin sei unerheblich. Da die Frachtführerin einwende, der genannte Wert sei zu hoch, könne sich der Vortrag der Absenderin nur zu ihren Gunsten auswirken und könne als richtig unterstellt werden. Diese Beurteilung weist keine Rechtsfehler auf.

Steht – wie hier – dem Grunde nach fest, dass eine Forderung besteht, und bedarf es lediglich der Ausfüllung zur Höhe, kommt dem Gläubiger gemäß § 287 Abs. 2 ZPO die Beweiserleichterung des § 287 Abs. 1 ZPO zugute. Im Unterschied zu den strengen Anforderungen des § 286 Abs. 1 ZPO reicht bei der Entscheidung über die Höhe einer Forderung eine erhebliche, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit für die richterliche Überzeugungsbildung aus18. Gibt es keine Anhaltspunkte für ein übliches Preisniveau für das hier in Rede stehende Werk, ist die Höhe des Schadensersatzes im Falle einer Beschädigung vom Tatgericht gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen. Dabei sind an Art und Umfang der vom Geschädigten beizubringenden Schätzgrundlagen nur geringe Anforderungen zu stellen; dem Tatgericht kommt zudem in den Grenzen eines freien Ermessens ein großer Spielraum zu. Die tatgerichtliche Schadensschätzung unterliegt nur einer beschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Überprüfbar ist lediglich, ob das Tatgericht Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat19. Solche Rechtsfehler sind dem Kammergericht nicht unterlaufen.

Die Revision macht ohne Erfolg geltend, die Beurteilung des Kammergerichts sei widersprüchlich. Das Kammergericht hat festgestellt, dass die Preise für die aus der Serie „V. “ stammenden Werke des Künstlers G. R. erheblich schwanken. Dagegen erhebt die Revision keine Rügen. Kann danach weder für unbeschädigte noch für beschädigte Exemplare dieser Serie ein regelmäßig erzielbarer Marktpreis festgestellt werden, war das Kammergericht in seiner Schadensschätzung frei. Es hat alle Umstände des Streitfalls in den Blick genommen. Danach begegnet es keinen Bedenken, wenn das Kammergericht den Wert des unbeschädigten Bildes auf der Grundlage des Gutachtens des im Auftrag der für die Schadensregulierung in Anspruch genommenen Versicherung tätigen Sachverständigen bestimmt hat. Soweit es dem Wert des beschädigten Bildes jedoch nicht dessen Schätzung, sondern den von der Absenderin tatsächlich erzielten Verkaufserlös zugrunde gelegt hat, ist dies vor dem Hintergrund stark schwankender Preise für Werke dieser Serie nicht widersprüchlich.

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Ist der Betrag der Wertminderung ermittelt, ist nach Art. 25 Abs. 2 CMR zu prüfen, ob die ganze Sendung (Art. 25 Abs. 2 Buchst. a CMR) oder nur ein Teil der Sendung (Art. 25 Abs. 2 Buchst. b CMR) durch die Beschädigung entwertet ist. Im Streitfall ist Art. 25 Abs. 2 Buchst. a CMR anzuwenden.

25 Abs. 2 Buchst. a CMR setzt nach seinem Wortlaut voraus, dass die ganze Sendung durch die Beschädigung „entwertet ist“, Art. 25 Abs. 2 Buchst. b CMR gelangt zur Anwendung, wenn nur ein Teil der Sendung durch die Beschädigung „entwertet ist“.

Maßgeblich für die Auslegung der CMR ist nicht die Textfassung in deutscher Übersetzung, sondern gemäß Art. 51 CMR die in gleicher Weise verbindlichen Textfassungen in englischer und französischer Sprache20. In der französischen Textfassung von Art. 25 Abs. 2 CMR wird danach unterschieden, ob die gesamte Sendung oder ein Teil der Sendung „im Wert gemindert“ ist („Si la totalité de l’expédition est dépréciée“ und „Si une partie seulement de l’expédition est dépréciée„). Die englische Textfassung unterscheidet danach, ob die ganze Sendung oder nur ein Teil der Sendung „beschädigt“ ist („If the whole consignment has been damaged“ und „If part only of the consignment has been damaged„).

Der in der deutschen Textfassung verwendete Begriff der „Entwertung“ ist nicht dahin zu verstehen, dass die Anwendung von Art. 25 Abs. 2 Buchst. a CMR erfordert, dass an der gesamten Sendung ein wirtschaftlicher Totalschaden eingetreten ist. Wie sich aus diesen verbindlichen englischen und französischen Textfassungen ergibt, gilt Art. 25 Abs. 2 Buchst. a CMR nicht nur bei einem wirtschaftlichen Totalschaden, sondern immer dann, wenn die Beschädigung die ganze Sendung erfasst und in ihrem Wert zumindest verringert21. Eine Wertminderung der ganzen Sendung setzt dabei nicht notwendig die Beschädigung aller zu ihr gehörenden einzelnen Güter voraus. Im Einzelfall kann auch die Beschädigung einzelner Stücke wirtschaftlich zu einer vollständigen Entwertung der ganzen Sache führen. Anders ist es jedoch, wenn eine Ersatzbeschaffung oder Reparatur der beschädigten Teile in angemessener Zeit möglich ist und so zu einer vollständigen Wiederherstellung der Sachgesamtheit führt22.

Im Streitfall hat die Beschädigung die Sendung insgesamt erfasst, die ausschließlich aus dem in Rede stehenden Kunstwerk bestand. Der eingetretene Schaden ist nach den vom Kammergericht getroffenen Feststellungen zudem irreparabel.

Liegt wie im Streitfall eine Beschädigung der ganzen Sendung vor, steht der Absenderin eine Entschädigung zu, die jedoch den Betrag, der gemäß Art. 23 Abs. 3 CMR bei gänzlichem Verlust zu zahlen wäre, nicht übersteigen darf. Das Kammergericht wird die Höhe der Haftungshöchstgrenze zu ermitteln haben.

Wird der in der Wertminderung des Bildes liegende Schaden der Absenderin durch die Entschädigung gemäß Art. 25 Abs. 2 Buchst. a und Art. 23 Abs. 3 CMR sowie die von der Frachtführerin an die Absenderin weitergeleitete Versicherungsleistung in Höhe von 15.159, 57 € nicht in vollem Umfang ausgeglichen, wird das Kammergericht zu prüfen haben, ob die Klage aus anderen Gründen teilweise begründet ist. In diesem Fall stünden der Absenderin Ansprüche auf restliche Auskehr der wegen der Beschädigung des Bildes gezahlten, von der Frachtführerin jedoch nicht an die Absenderin ausgekehrten Versicherungsleistung bis zur Höhe des noch nicht ausgezahlten Betrages zu.

Das Kammergericht hat in anderem Zusammenhang angenommen, dass die Frachtführerin verpflichtet ist, die Versicherung im Schadensfall in Anspruch zu nehmen und die Versicherungsleistung an die Absenderin und – nach Abtretung von deren Ansprüchen an die Absenderin – an die Absenderin weiterzuleiten. Dieser Verpflichtung ist die Frachtführerin im vorliegenden Streitfall nicht vollständig nachgekommen. Das Kammergericht hat angenommen, die von der Frachtführerin vorgenommene Verrechnung der Fracht und der Prämie für die Transportversicherung mit der der Absenderin zustehenden Versicherungsleistung sei in vollem Umfang unwirksam gewesen, weil der Frachtführerin kein Anspruch auf Zahlung von Transportkosten zugestanden habe. Diese Beurteilung ist für den Bundesgerichtshof im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Im Falle des Verlustes sind – ohne weiteren Schadensersatz – Fracht, Zölle und sonstige aus Anlass der Beförderung des Gutes entstandene Kosten zurückzuerstatten, und zwar im Falle des gänzlichen Verlusts in voller Höhe, im Falle des teilweisen Verlusts anteilig (Art. 23 Abs. 4 CMR). Diese Regelung gilt nach Art. 25 Abs. 1 CMR auch für den Fall der Beschädigung des Gutes. Da im Streitfall die Regelung des Art. 25 Abs. 2 Buchst. a CMR zur Anwendung gelangt, sind Ansprüche der Frachtführerin in vollem Umfang ausgeschlossen.

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Die Bedeutung der Art. 23 Abs. 4, 25 Abs. 1 CMR besteht darin, dass der Frachtführer den Anspruch auf Fracht bei Verlust oder Beschädigung des Frachtgutes – ganz oder teilweise – einbüßt und dass es insoweit für die Berücksichtigung von Verlust und Beschädigung nicht auf eine Aufrechnung des anderen Teils ankommt23. Zwar ist nach dem Wortlaut des Art. 23 Abs. 4 CMR die Fracht im Fall des teilweisen Verlustes beziehungsweise der teilweisen Beschädigung (Art. 25 Abs. 1 CMR) anteilig „zurückzuerstatten“ (in der englischen Fassung „in addition … shall be refunded„, in der französischen „sont en outre remboursés„). Mit der „Rückerstattung“ anteiliger Fracht und sonstiger aus Anlass der Beförderung des Gutes entstandener Kosten sind ersichtlich die Fälle angesprochen, in denen Fracht und Kosten bereits bezahlt sind. Dem darin zum Ausdruck kommenden Sinn und Zweck der Bestimmung ist weiter zu entnehmen, dass noch nicht geleistete Zahlungen gar nicht erst zu erbringen sind. Das wird in den Fällen deutlich, in denen die Fracht wegen des gänzlichen Verlustes beziehungsweise wegen der vollständigen Beschädigung in voller Höhe entfällt, das heißt nicht gezahlt zu werden braucht. Für den teilweisen Wegfall der Fracht kann sinnvollerweise nichts anderes gelten, so dass insoweit von einer Minderung auszugehen ist, ohne dass es einer besonderen Aufrechnung bedarf24.

Diese Grundsätze kommen auch im Streitfall zur Anwendung, in dem nicht die Absenderin die Zahlung der ganzen oder anteiligen Fracht unter Hinweis auf ihr zustehende Schadensersatzansprüche verweigert, sondern die Frachtführerin unter Hinweis auf ihr zustehende Ansprüche auf Fracht und weitere Kosten die geschuldete Weiterleitung von Versicherungsleistungen an die Absenderin beziehungsweise die Absenderin verweigert und diese Leistungen zur Abgeltung ihrer Ansprüche mit ihren Ansprüchen verrechnet hat.

Zu den nach Art. 23 Abs. 4 CMR zu erstattenden sonstigen Kosten gehören – neben der Fracht – die Prämien zur Transportversicherung25.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Dezember 2020 – I ZR 130/19

  1. vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2018 – I ZR 18/18, TranspR 2019, 18 Rn. 10 bis 19[]
  2. KG, Urteil vom 27.06.2019 – 12 U 139/17[]
  3. BGH, Urteil vom 10.10.1991 – I ZR 193/89, BGHZ 115, 299, 302 22][]
  4. BGH, Urteil vom 14.07.1993 – I ZR 204/91, BGHZ 123, 200, 204 f. 23 mwN]; OGH, TranspR 1992, 406, 408; Kammergericht Athen, ETR 1987, 65, 67[]
  5. BGH, Urteil vom 01.06.2017 – I ZR 29/16, TranspR 2017, 420 Rn. 32[]
  6. OGH, TranspR 1992, 406, 408; ETR 2002, 497; Thume/Riemer, CMR, 3. Aufl., Art. 24 Rn. 11; Koller, TranspR, 9. Aufl., Art. 24 CMR Rn. 3; Reuschle in Canaris/Habersack/Schäfer, HGB, 5. Aufl., Art. 24 CMR Rn. 3; Boesche in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., Art. 24 CMR Rn. 4; Otte in Ferrari/Kieninger/Mankowski u.a., Internationales Vertragsrecht, 3. Aufl., Art. 24 CMR Rn. 13[]
  7. Otte in Ferrari/Kieninger/Mankowski u.a. aaO Art. 24 CMR Rn. 13[]
  8. BGH, Urteil vom 19.01.2006 – I ZR 80/03, TranspR 2006, 121 Rn. 22 f.[]
  9. so MünchKomm-.HGB/Jesser-Huß, 4. Aufl., Art. 24 CMR Rn. 7[]
  10. vgl. BGHZ 123, 200, 204 f. 23 mwN][]
  11. zum Meinungsstand: Reuschle in Canaris/Habersack/Schäfer aaO Art. 24 Rn. 5 bis 7[]
  12. Koller aaO Art. 24 CMR Rn. 2 und Art. 26 CMR Rn. 2; Reuschle in Canaris/Habersack/Schäfer aaO Art. 24 Rn. 2; Boesche in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn aaO Art. 24 CMR Rn. 2; Thume/Riemer aaO Art. 24 Rn. 3; Otte in Ferrari/Kieninger/Mankowski u.a. aaO Art. 24 CMR Rn. 3; MünchKomm-.HGB/Jesser-Huß aaO Art. 24 CMR Rn. 2[]
  13. BGH, Urteil vom 21.02.2019 – I ZR 98/17, BGHZ 221, 181 Rn. 56 – HHole (for Mannheim), mwN[]
  14. vgl. BGH, Urteil vom 13.11.2012 – XI ZR 500/11, BGHZ 195, 298 Rn. 15[]
  15. vgl. BGH, Urteil vom 04.07.2013 – I ZR 156/12, TranspR 2014, 146 Rn. 24 f.[]
  16. BGH, Urteil vom 23.07.2020 – I ZR 119/19, TranspR 2020, 441 Rn. 30 mwN[]
  17. Otte in Ferrari/Kieninger/Mankowski u.a. aaO Art. 24 CMR Rn. 2[]
  18. BGH, Urteil vom 17.12.2014 – VIII ZR 88/13, NJW 2015, 934 Rn. 45 mwN[]
  19. vgl. BGH, Urteil vom 13.09.2018 – I ZR 187/17, GRUR 2019, 292 Rn. 24 = WRP 2019, 209 – Sportwagenfoto; Urteil vom 18.06.2020 – I ZR 93/19, GRUR 2020, 990 Rn. 37 = WRP 2020, 1189 – Nachlizenzierung[]
  20. BGH, Urteil vom 15.12.2011 – I ZR 12/11, BGHZ 192, 118 Rn. 17[]
  21. Münch-Komm.HGB/Jesser-Huß aaO Art. 25 CMR Rn. 16; vgl. auch Thume/Riemer aaO Art. 25 Rn.20 f.; Koller aaO Art. 25 Rn. 7; Reuschle in Canaris/Habersack/Schäfer aaO Art. 25 Rn. 9 f.[]
  22. vgl. BGH, Urteil vom 06.02.1997 – I ZR 202/94, TranspR 1997, 335, 336 19][]
  23. BGH, Urteil vom 14.12.1988 – I ZR 235/86, TranspR 1989, 141, 143 f. mwN 20 und 23][]
  24. BGH, TranspR 1989, 141, 143 20][]
  25. BGH, Urteil vom 03.07.1974 – I ZR 120/73, VersR 1974, 1013, 1015 25]; Urteil vom 13.02.1980 – IV ZR 39/78, VersR 1980, 522, 523 18][]

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