Der Hinweis an den Frachtführer auf den ungewöhnlich hohen Wert des Transportguts braucht nicht grundsätzlich bis zum Abschluss des Frachtvertrags zu erfolgen. Er muss nur so rechtzeitig erteilt werden, dass der Frachtführer noch im normalen Geschäftsablauf eine Entscheidung darüber treffen kann, ob er angesichts des Werts des Transportguts den Frachtvertrag überhaupt ausführen will, und dass er falls er sich für die Ausführung entscheidet die notwendigen besonderen Sicherungsmaßnahmen ergreifen kann.

Duch die gemäß Art. 29 CMR unbeschränkte Haftung des Frachtführers kann durch ein für den Schaden ursächlich gewordenes Mitverschulden der Versicherungsnehmerin gemindert sein1. Der Auftraggeber kann dadurch eine für den eingetretenen Schaden ursächliche Bedingung gesetzt haben, dass er seube aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende Obliegenheit nicht rechtzeitig und damit nicht ordnungsgemäß erfüllt hat, den Frachtführer über den außergewöhnlich hohen Wert des Transportguts und das damit verbundene Schadensrisiko aufzuklären2.
Die Frage, wann der Hinweis auf den besonders hohen Wert des Transportgutes und damit auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens spätestens zu erfolgen hat, ist umstritten.
Zum Teil wird als entscheidend angesehen, dass der Auftraggeber den Frachtführer dadurch, dass er diesen nicht schon beim Vertragsschluss über den ungewöhnlich hohen Wert des Transportguts informiert hat, die Möglichkeit genommen hat, mit einer Ablehnung des Transports oder mit Verhandlungen über die Anpassung der Frachtvergütung zu reagieren, dass dies mithin der späteste Zeitpunkt für einen ein Mitverschulden ausschließenden Hinweis der Abschluss des Frachtvertrages ist.
Die Gegenansicht geht davon aus, dass ein entsprechender Hinweis auch noch nach Vertragsschluss gegenüber dem das Transportgut abholenden Fahrer3 oder gegenüber dem Unterfrachtführer kurz vor Abholung der Sendung genügen kann4.
Der Hinweis auf den ungewöhnlich hohen Wert des Transportguts muss so rechtzeitig erfolgen, dass der Frachtführer noch im normalen Geschäftsablauf eine Entscheidung darüber treffen kann, ob er angesichts des Werts des Transportguts den Frachtvertrag überhaupt ausführen will, und dass er falls er sich für die Ausführung entscheidet die notwendigen besonderen Sicherungsmaßnahmen ergreifen kann. Das folgt aus der Funktion des fraglichen Hinweises, der dem Frachtführer die Möglichkeit eröffnen soll, die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen zu treffen oder von der Ausführung des Frachtvertrages Abstand zu nehmen5. Für dieses Ergebnis spricht auch ein Vergleich mit der Bestimmung des § 410 Abs. 1 HGB. Danach muss der Hinweis auf die Gefährlichkeit des Transportgutes rechtzeitig erfolgen. Durch die Bestimmung soll eine flexible Lösung erreicht und eine Festlegung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses für den Hinweis auf die Gefährlichkeit des Transportgutes vermieden werden6.
Danach ist es nicht zwingend erforderlich, dass der Hinweis auf den ungewöhnlich hohen Wert des Transportguts bereits bei Vertragsschluss erfolgt. Dementsprechend hat es der Bundesgerichtshof ausreichen lassen, dass der Frachtführer nach Abschluss des Frachtvertrags durch die Weisung, nur gegen Einziehung eines Nachnahmebetrags die Sendung an den Empfänger auszuliefern, von ihrem Wert Kenntnis erlangt hat7.
Nach diesen Maßstäben hat im hier entschiedenen Fall der Auftraggeber nicht rechtzeitig auf den ungewöhnlich hohen Wert des Transportgutes hingewiesen: die Information über den Wert der acht Weinflaschen hat der Frachtführer bei der Abholung des Transportguts erhalten. Zu diesem Zeitpunkt war mit der Durchführung des Frachtvertrages bereits begonnen. Hierzu rechnet auch die Fahrt zu dem Unternehmen M. , um die Sendung abzuholen. Der Frachtführer ist im Rahmen des – hier vorliegenden – Sammelgutverkehrs nicht gehalten, die Abholfahrer zu instruieren, telefonisch Weisungen für den Fall einzuholen, dass sie auf einen besonders hohen Wert der Sendung hingewiesen werden. Es war vielmehr Aufgabe des Auftraggebers, den Hinweis auf den Wert der Warensendung unter Berücksichtigung des Charakters des vorliegenden Transportgeschäfts als eines Massengeschäfts so rechtzeitig zu erteilen, dass der Frachtführer im normalen Geschäftsgang reagieren konnte.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat in Fällen, in denen der Verlust von Transportgut, wie vorliegend, zum einen auf einem qualifizierten Verschulden des Frachtführers im Sinne von Art. 29 CMR und zum anderen auf der vom Absender unterlassenen Angabe des ungewöhnlich hohen Werts des Gutes beruht, regelmäßig eine Schadensteilung zu erfolgen. Dadurch unterscheiden sich diese Fälle von der Versendung sogenannter Verbotsgüter, in denen der Mitverschuldensanteil des Absenders auch unter Berücksichtigung eines qualifizierten Verschuldens des Frachtführers häufig zum vollständigen Haftungsausschluss führt8. Der Mitverursachungsanteil des Versenders kann aber auch bei einem unterlassenen Hinweis auf den hohen Wert des Transportguts im Einzelfall mit mehr als 50% zu bewerten sein, wenn der Wert der Sendung ganz erheblich über dem Betrag liegt, ab dem ein Hinweis auf einen ungewöhnlich hohen Schaden hätte erfolgen müssen9. Wenn der Wert der Sendung sehr deutlich über diesem Betrag liegt, kommt sogar ein vollständiger Ausschluss der Haftung des Frachtführers in Betracht10. Bei alledem verbietet sich aber eine schematische Betrachtungsweise; vielmehr sind bei der Abwägung sämtliche festgestellten Umstände zu berücksichtigen11.
Nach diesen Maßstäben lässt die Annahme einer Mitverursachungsquote von 50% keinen Rechtsfehler erkennen.
Bei der Festlegung der Haftungsquote war zugunsten des Versenders unter anderem zu berücksichtigen, dass dieser den besonders hohen Wert der Sendung dem Abholfahrer – wenngleich verspätet – noch mitgeteilt und dadurch diesem immerhin die Möglichkeit eröffnet hat, im Hinblick auf diesen neuen Umstand Weisungen einzuholen oder sonstige Maßnahmen zu ergreifen, um die wertvollen Weinflaschen zu sichern.
Auch ist nicht zusätzlich zu Lasten des Versenders der Umstand zu berücksichtigen, dass dieser mit der verspäteten Angabe des besonders hohen Wertes des Weins auch gegen seine Verpflichtung aus den in den Rahmenvertrag zwischen ihm und dem Frachtführer einbezogenen Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen verstoßen hat. Nach dieser Bestimmung hat der Auftraggeber dem Spediteur mitzuteilen, dass Gegenstände des Vertrags besonders wertvolle und diebstahlsgefährdete Güter sind. Ein Schadensersatzanspruch, der sich für die Beklagte aus der insoweit unterbliebenen Mitteilung ergeben könnte12, scheidet im vorliegenden Zusammenhang zumindest deshalb aus, weil das betreffende Verhalten der Versicherungsnehmerin bereits bei der Bemessung des gemäß Art. 29 i.V.m. Art. 3 CMR zu leistenden Schadensersatzes als anspruchsminderndes Mitverschulden berücksichtigt worden ist.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Juni 2012 – I ZR 87/11
- st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 13.08.2009 I ZR 3/07, TranspR 2010, 143 Rn. 11[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 19.01.2006 – I ZR 80/03, TranspR 2006, 121 Rn. 18 = VersR 2006, 953; MünchKomm-HGB/JesserHuß, 2. Aufl., Art. 29 CMR Rn. 38[↩]
- vgl. OLG Oldenburg TranspR 2007, 245, 248 f.[↩]
- vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.04.2008 – 18 U 82/07[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 03.07.2008 – I ZR 205/06, TranspR 2008, 394 Rn.20 = NJW-RR 2009, 175; BGH TranspR 2010, 143 Rn. 15[↩]
- vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des Transportrechtsreformgesetzes, BT-Drucks. 13/8445, S. 38; vgl. auch Koller, Transportrecht, 7. Aufl., § 410 HGB Rn. 4[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 03.02.2005 – I ZR 276/02, TranspR 2005, 208 Rn. 8 = NJW-RR 2005, 1058[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 15.02.2007 – I ZR 186/03, TranspR 2007, 164 Rn. 29 f. = VersR 2008, 97[↩]
- BGH, TranspR 2010, 143 Rn.19[↩]
- BGH, TranspR 2010, 143 Rn.20[↩]
- BGH, TranspR 2010, 143 Rn. 16[↩]
- vgl. Koller aaO Ziff. 3 ADSp Rn. 15 d; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Bahnsen, HGB, 2. Aufl., Ziff. 3 ADSp Rn. 37[↩]