Für den Beginn des Haftungszeitraums gemäß § 425 Abs. 1 HGB ist es nicht erforderlich, dass der Frachtführer unmittelbar nach Erlangung des Besitzes am Transportgut mit der vertraglich vereinbarten Beförderung beginnt. Lagert der Frachtführer das Gut zunächst aus Gründen vor, die seiner Sphäre zuzurechnen sind beispielsweise wegen fehlender Transportkapazität , so beginnt die Obhutshaftung des § 425 Abs. 1 HGB bereits mit der vom Frachtführer vorgenommenen Vorlagerung.

Gemäß § 425 Abs. 1 HGB haftet der Frachtführer unter anderem für den Schaden, der durch Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung entsteht. Die Obhutshaftung des Frachtführers beginnt danach mit der Besitzerlangung an dem zu befördernden Gut, wobei der Erwerb des mittelbaren Besitzes ausreicht1. Das Gut muss derart in den Verantwortungsbereich des Frachtführers oder seiner Erfüllungsgehilfen im Sinne von § 428 HGB gelangt sein, dass er oder seine Gehilfen es vor Schäden bewahren können2. In subjektiver Hinsicht muss die Übernahme des Besitzes vom Willen des Frachtführers oder des von ihm beauftragten Gehilfen getragen sein, wobei der Wille im natürlichen Sinne ausreicht3. Haben die Vertragsparteien in Abweichung von § 412 Abs. 1 HGB vereinbart, dass der Frachtführer das Gut auch zu verladen hat, so beginnt der nach § 425 Abs. 1 HGB maßgebliche Haftungszeitraum bereits zu dem Zeitpunkt, in dem der Frachtführer das Gut zum Zwecke der Verladung in seine Obhut nimmt, also nicht erst mit Beendigung des Beladevorgangs4.
Die Haftung gemäß § 425 Abs. 1 HGB erfordert zudem, dass der Frachtführer das Gut gerade zum Zweck der Beförderung, also mit dem Ziel der Ortsveränderung in Richtung auf den Bestimmungsort, übernommen hat5. Eine Haftung nach § 425 Abs. 1 HGB ist daher ausgeschlossen, solange dem Frachtführer das Gut nur zur Lagerung oder Verwahrung übergeben und noch kein Frachtvertrag abgeschlossen worden ist, mag eine spätere Beförderung durch ihn auch beabsichtigt sein. Ist dagegen bei der Übernahme bereits ein Beförderungsvertrag zustande gekommen, so gilt die Haftungsvorschrift des § 425 Abs. 1 HGB auch schon vor Beginn der eigentlichen Beförderung6.
Die Obhutshaftung nach § 425 Abs. 1 HGB ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Frachtführer wegen einer von ihm zu vertretenden oder sonst transportbedingten Verzögerung der Beförderung zunächst eine kurzfristige Vorlagerung vornehmen muss; denn eine solche Handlung dient der Erfüllung des Beförderungsvertrags7.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. Januar 2012 – I ZR 214/10
- vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2001 I ZR 13/99, TranspR 2001, 471, 472 = VersR 2001, 1580 zu § 429 Abs. 1 HGB aF; Koller, Transportrecht, 7. Aufl., § 425 HGB Rn. 17[↩]
- Koller aaO § 425 HGB Rn. 17; Schaffert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 425 Rn. 18[↩]
- Koller aaO § 425 HGB Rn. 18; Schaffert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 425 Rn.19; MünchKomm-HGB/Herber, § 425 Rn. 39[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 23.05.1990 I ZR 295/88, TranspR 1990, 328, 329 = VersR 1990, 1292, zu § 29 KVO; MünchKomm-HGB/Herber, § 425 Rn. 38 mwN[↩]
- Koller aaO § 425 HGB Rn. 21; Schaffert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 425 Rn.20; MünchKomm-HGB/Herber, § 425 Rn. 40[↩]
- MünchKomm-HGB/Herber, § 425 Rn. 40[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 10.03.1994 I ZR 75/92, TranspR 1994, 279, 281 = VersR 1994, 837; Koller aaO § 425 HGB Rn. 21; Schaffert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 425 HGB Rn.20[↩]
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