Für die Frage, für welche Geschäfte der Handelsvertreter eine Provision erhalten soll und auf welchen Zeitpunkt es für das Entstehen des Provisionsanspruchs ankommt, ist die von den Parteien getroffene Vergütungsvereinbarung (hier: im Zusammenhang mit Serienbelieferungsverträgen in der Automobilindustrie) maßgeblich.

Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB hat der Handelsvertreter Anspruch auf Provision für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind oder mit Dritten abgeschlossen werden, die er als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat. Für die Frage, für welche Geschäfte der Handelsvertreter eine Provision erhalten soll und auf welchen Zeitpunkt es für das Entstehen des Provisionsanspruchs ankommt, ist die von den Parteien getroffene Vergütungsvereinbarung maßgeblich. Die Vorschrift des § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB ist insoweit dispositiv1.
Da sich im hier entschiedenen Fall aus der Provisionsvereinbarung der Parteien keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ergeben, dass auf den Zeitpunkt der zu einer Bezugsbindung des Kunden führenden Serienbestellung abzustellen ist, ist nicht davon auszugehen, dass die Geschäftsherrin bereits im Zeitpunkt der Serienbestellung unabhängig vom Fortbestand des Handelsvertretervertrags eine Provisionsverpflichtung gegenüber dem Handelsvertreter für die bis zum Abschluss der Serienproduktion erfolgenden und in ihrer Größenordnung noch nicht feststehenden Lieferabrufe übernehmen wollte.
Eine dahingehende Auslegung der Provisionsvereinbarung der Parteien wäre auch nicht interessengerecht. Mit einer solchen Regelung würde der Geschäftsherrin im Hinblick auf die für solche Serienproduktionen üblichen Laufzeiten von mehreren Jahren anderenfalls ein unverhältnismäßig hohes wirtschaftliches Risiko aufgebürdet, weil sie bei einem solchen Verständnis der Klausel im Falle der Beendigung des Handelsvertretervertrags noch für einen erheblichen Zeitraum zu Provisionszahlungen gegenüber dem ausgeschiedenen Handelsvertreter und daneben zu Provisionszahlungen gegenüber dessen Nachfolger verpflichtet sein könnte. Das wäre etwa dann der Fall, wenn sich die Geschäftsherrin diesem gegenüber auch zu Provisionszahlungen für Lieferabrufe aus früheren Serienbestellungen verpflichten würde. Eine solche Vertragsgestaltung liegt nahe, weil der nachfolgende Handelsvertreter regelmäßig von Beginn seines Vertragsverhältnisses an auf ausreichende Einkünfte angewiesen sein dürfte. Hierfür spricht zudem, dass mit der vereinbarten Mindestprovision eine derartige Vertragsgestaltung im Verhältnis zum ausgeschiedenen Handelsvertreter gewählt worden ist.
Das Interesse des Handelsvertreters rechtfertigt eine andere Auslegung ebenfalls nicht. Denn seinem Provisionsinteresse ist bereits dadurch angemessen Rechnung getragen worden, dass er von Beginn der Vertragslaufzeit an die vereinbarte Mindestprovision erhielt.
Auf die rechtliche Qualifizierung der Serienbestellung als Rahmen- bzw. Bezugsvertrag2 oder als ein dem Sukzessivlieferungsvertrag vergleichbarer Vertrag3 kommt es danach für die Entscheidung, ob dem Kläger für den in Rede stehenden Zeitraum ein Provisionsanspruch nach § 87 Abs. 1 HGB zusteht, nicht entscheidend an. Vielmehr ist die Auslegung der von den Parteien getroffenen Provisionsvereinbarung maßgebend. Auch aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.10.20094 ergibt sich nichts anderes.
Bundesgerichtshof, Versä, umnisurteil vom 22. Januar 2015 – VII ZR 87/14
- vgl. Emde in Staub, Großkommentar HGB, 5. Aufl., 2008, § 87 Rn. 11 f. m.w.N.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 18.11.1957 – II ZR 33/56, NJW 1958, 180; OLG Koblenz, Urteil vom 14.06.2007 6 U 529/06 26; Emde in Staub, Großkommentar HGB, 5. Aufl., 2008, § 87 Rn. 71 ff.; MünchKomm-HGB/von Hoyningen-Huene, 3. Aufl., § 87 Rn. 60[↩]
- vgl. Thume in Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Band 1, 4. Aufl., Kap. – V Rn. 168; Döpfer in FS Thume 2008, S. 35, 46[↩]
- VIII ZR 286/07, NJW 2010, 298[↩]