Bei einem als einheitliche Leistung vereinbarten Hin- und Rückflug ist der für den Gerichtsstand maßgebende Bestimmungsort im Sinne von Art. 33 Abs. 1 des Montrealer Übereinkommens der Abgangsort1. Von der Vereinbarung einer einheitlichen Leistung ist regelmäßig auszugehen, wenn Hin- und Rückflug gleichzeitig gebucht werden, ein Gesamtpreis in Rechnung gestellt wird und eine einheitliche Buchungsbestätigung ergeht.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Streitfall nimmt die Flugpassagierin die Fluggesellschaft auf Schadensersatz nach dem Montrealer Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr2 in Anspruch. Die Flugpassagierin buchte bei der Fluggesellschaft über deren Internetplattform für den 11.09.2018 einen Flug von Hahn nach Neapel und für den 15.09.2018 einen Rückflug von Neapel nach Hahn. Bei der Buchung wurden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Fluggesellschaft einbezogen, die folgende Klausel enthalten:
ARTIKEL 17 – PUNKT-ZU-PUNKT-FLUGLINIE
ist eine ‚Punktzu-Punkt‘-Fluglinie. Lediglich für ausgewählte Flugverbin- dungen bieten wir Anschlussflüge an3; diese sind in der Buchung als Anschlussflug entsprechend ausgewiesen. Aus diesem Grund bieten wir keinen Transfer von Fluggästen oder Gepäck auf andere von uns selbst oder anderen Luftfahrtunternehmen betriebenen Flügen an, es sei denn, dass sie einen Gabelflug gebucht haben.
Die Flugpassagierin behauptet, ihr aufgegebenes Gepäck sei auf dem Hinflug beschädigt worden. Mit ihrer Klage hat sie Schadensersatz in Höhe von 354 € begehrt.
Das erstinstanzlich hiermit befasste Amtsgericht Simmern/Hunsrück hat die Klage abgewiesen4. Die Berufung der Flugpassagierin ist vor dem Landgericht Bad Kreuznach ebenfalls erfolglos geblieben 5. Das Landgerichts Bad Kreuznach hat angenommen, die Klage sei wegen fehlender internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte unzulässig. Diese folge nicht aus Art. 33 Abs. 1 MÜ. Bestimmungsort im Sinne dieser Vorschrift sei der Ort der vertraglich vereinbarten letzten Landung, an dem der Fluggast nach dem Beförderungsvertrag das Luftfahrzeug endgültig verlasse. Bezogen auf den Hinflug sei dies Neapel. Hahn könne nur dann als Bestimmungsort angesehen werden, wenn es sich bei dem von der Flugpassagierin gebuchten Hin- und Rückflug um eine einheitliche internationale Beförderung im Sinne des Art. 1 MÜ handele. Dies sei nicht der Fall. Gegen eine Rundflug-Betrachtung spreche bereits der Wortlaut von Art. 33 Abs. 1 MÜ. Auch könne die Landung am Zielort des Hinflugs nicht als bloße Zwischenlandung verstanden werden, da der Reisende das Flugzeug an diesem Ort zunächst endgültig verlasse und erst nach einer gewissen Aufenthaltsdauer an dem Ankunftsort seinen Rückflug antrete. Im Streitfall fehle es zudem an einer einheitlichen Buchung. Der Rückflug sei lediglich bei Gelegenheit der Buchung des Hinflugs gebucht worden. Dies ergebe sich auch daraus, dass beide Flüge unabhängig voneinander hätten storniert werden können.
Auf die vom Landgerichts Bad Kreuznach zugelassene Revision der Flugpassagierin hob der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil auf und verwies den Rechtsstreit zurück an das Landgericht Bad Kreuznach:
Die deutschen Gerichte sind für die Klage nach Art. 33 Abs. 1 MÜ international zuständig.
Das Übereinkommen ist im Streitfall gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 MÜ anwendbar, weil es um eine entgeltliche Beförderung von Personen und Reisegepäck durch Luftfahrzeuge geht und der Abflug- und der Zielort der beiden einzelnen Flüge in zwei unterschiedlichen Vertragsstaaten liegen.
Dies gilt auch dann, wenn Hahn sowohl als Abgangs- als auch als Bestimmungsort anzusehen ist. Unter dieser Voraussetzung hat in Neapel eine Zwischenlandung im Sinne von Art. 1 Abs. 2 MÜ stattgefunden.
Der geltend gemachte Anspruch aus Art. 17 Abs. 2 MÜ wegen Beschädigung von aufgegebenem Reisegepäck ist ein Anspruch auf Schadensersatz im Sinne von Art. 33 Abs. 1 MÜ.
Bei einem als einheitliche Leistung vereinbarten Hin- und Rückflug ist der für den Gerichtsstand maßgebende Bestimmungsort im Sinne von Art. 33 Abs. 1 MÜ der Abgangsort.
Gemäß Art. 33 Art. 1 MÜ muss eine Klage auf Schadenersatz im Hoheitsgebiet eines der Vertragsstaaten erhoben werden, und zwar nach der Wahl des Klägers entweder bei dem Gericht des Orts, an dem sich der Wohnsitz des Luftfrachtführers, seine Hauptniederlassung oder seine Geschäftsstelle befindet, durch die der Vertrag geschlossen worden ist, oder bei dem Gericht des Bestimmungsorts.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der weitgehend gleich formulierten Vorgängerregelung in Art. 28 Abs. 1 des Warschauer Abkommens zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (im Folgenden: WA) ist bei einem von vornherein als einheitliche Leistung vereinbarten Hin- und Rückflug der für den Gerichtsstand maßgebende Bestimmungsort im Sinne von Art. 28 Abs. 1 WA der Abflugort6.
Nach Art. 1 Abs. 3 WA gilt eine aus mehreren Teilflügen bestehende Beförderung selbst bei Ausführung durch mehrere aufeinanderfolgende Luftfrachtführer als eine einzige Beförderung, sofern sie von den Parteien als einheitliche Leistung vereinbart wurde. Bestimmungsort einer solchen Sukzessiv-Beförderung ist der Ort der vertraglich vereinbarten letzten Landung. Hierbei kann es keinen Unterschied machen, ob eine Sukzessiv-Beförderung zu einem vom Abflugort verschiedenen Ort geht, ob ein Rundflug vereinbart wurde oder ob die einheitliche Beförderung im Hin- und Rückflug an den Abflugort zurückführt7.
Auch die Rechtsprechung in den USA sieht als Bestimmungsort im Sinne von Art. 28 Abs. 1 WA bei einem Rundflug – worunter auch Hin- und Rückflug gefasst werden können – den Abflugort an8.
In der deutschen Literatur besteht, soweit ersichtlich, Einigkeit darüber, dass Art. 33 Abs. 1 MÜ in gleichem Sinne auszulegen ist9.
Diese Auffassung ist zutreffend.
1 Abs. 3 MÜ sieht ebenso wie Art. 1 Abs. 3 WA vor, dass mehrere aufeinanderfolgende Flüge als eine einzige Beförderung gelten, sofern sie von den Parteien als einheitliche Leistung vereinbart worden sind.
Wie im Geltungsbereich des Warschauer Übereinkommens ist als Bestimmungsort mithin das Ziel des als einheitliche Leistung vereinbarten Beförderungsvorgangs anzusehen. Dies ist der Ort der vertraglich vereinbarten letzten Landung, an dem nach dem Beförderungsvertrag der Fluggast das Luftfahrzeug endgültig verlässt.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts Bad Kreuznach steht Art. 1 Abs. 2 MÜ diesem Verständnis nicht entgegen.
Der Begriff des Bestimmungsorts ist im Zusammenhang mit Art. 1 Abs. 2 MÜ allerdings gleich auszulegen wie im Zusammenhang mit Art. 33 Abs. 1 MÜ10. Auch bei dem aufgezeigten Verständnis läuft die in Art. 1 Abs. 2 vorgesehene Unterscheidung zwischen Abgangs- und Bestimmungsort jedoch nicht ins Leere. Sie ist von Bedeutung bei einfachen Flügen, bei Gabelflügen und in Fällen, in denen Hin- und Rückflug nicht als einheitliche Leistung vereinbart worden sind.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts Bad Kreuznach führt die oben dargestellte Auslegung von Art. 33 Abs. 1 MÜ nicht dazu, dass der in Art. 33 Abs. 2 MÜ für Klagen auf Schadensersatz wegen Tod oder Körperverletzung eines Reisenden vorgesehene weitere Gerichtsstand am Wohnsitz des Reisenden überflüssig ist.
Der Wohnsitz des Reisenden und der Abgangsort stimmen nicht zwingend überein; sie können je nach Einzelfall sogar in unterschiedlichen Staaten liegen.
Darüber hinaus dient Art. 33 Abs. 2 MÜ dem Zweck, den Kreis der zuständigen Gerichte im Vergleich zu Art. 28 Abs. 1 WA zu erweitern11. Hierzu stünde es in Widerspruch, wenn die Vorschrift herangezogen würde, um Art. 33 Abs. 1 MÜ enger auszulegen als die inhaltsgleiche Regelung in Art. 28 Abs. 1 WA.
Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung spricht nicht gegen, sondern für die oben aufgezeigte Auslegung.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Hin- und Rückflug – anders als ein auf einer einheitlichen Buchung beruhender Flug mit mehreren Teilstrecken – zwar nicht als einheitlicher Flug im Sinne der Fluggastrechteverordnung anzusehen12. Der Gerichtshof hat hierbei aber ausgeführt, dass die Verordnung insoweit eine andere Regelung trifft als das Montrealer Übereinkommen, weil sie an einen Flug anknüpft, während der nach dem Übereinkommen maßgebliche Begriff der Beförderung eher dem Begriff der Reise nahekommt13.
Aus Art. 55 Nr. 1 Buchst. a MÜ ergibt sich keine abweichende Beurteilung.
Nach Art. 55 Nr. 1 Buchst. a MÜ geht das Montrealer Übereinkommen dem Warschauer Übereinkommen zwar vor. Hieraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass Vorschriften des Montrealer Übereinkommens, deren Wortlaut mit demjenigen einer Vorschrift des Warschauer Übereinkommens übereinstimmt, zwingend in anderem Sinne auszulegen sind. Bei einzelnen Vorschriften mag sich trotz gleichen Wortlauts aufgrund abweichender Systematik oder sonstiger Umstände ein abweichendes Verständnis ergeben. Im Hinblick auf Art. 33 Abs. 1 MÜ und Art. 28 Abs. 1 WA bestehen solche Unterschiede indes nicht.
Im Streitfall haben die Parteien den Hin- und Rückflug als einheitliche Leistung vereinbart.
Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts Bad Kreuznach hat die Flugpassagierin den Hin- und den Rückflug zeitgleich bei der Fluggesellschaft gebucht, einen Gesamtpreis gezahlt und von dieser eine einheitliche Buchungsbestätigung mit einer einzigen Reservierungsnummer erhalten.
Dieser Sachverhalt ist entgegen der Auffassung des Landgerichts Bad Kreuznach als Vereinbarung einer einheitlichen Leistung zu beurteilen.
Dies ergibt sich insbesondere aus der Einheitlichkeit des Buchungsvorgangs und aus der Vereinbarung eines Gesamtpreises.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts Bad Kreuznach ist demgegenüber unerheblich, dass die Flugpassagierin die Buchung direkt bei der Fluggesellschaft und nicht etwa in einem Reisebüro getätigt hat. Maßgeblich ist der Inhalt der Vereinbarung, unabhängig davon, wer an ihrem Zustandekommen beteiligt war.
Ebenfalls unerheblich ist, ob nach den Vertragsbedingungen eine separate Stornierung von Hin- und Rückflug möglich ist. Selbst wenn ein solches Recht vereinbart ist, kommt dem lediglich für die Möglichkeiten zur Beendigung oder Änderung des Vertrags Bedeutung zu, nicht aber für die Frage, ob die ursprünglich vereinbarten Leistungen bei unveränderter Durchführung des Vertrags als Einheit anzusehen sind.
Unerheblich ist schließlich, dass das Gepäck nicht durchgecheckt wurde und dass separate Bordkarten ausgestellt wurden. Diese Umstände betreffen Einzelheiten der Durchführung der beiden Flüge, nicht aber die Frage, ob diese als einheitliche Leistung vereinbart worden sind.
17 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Fluggesellschaft führt schon deshalb nicht zu einem abweichenden Ergebnis, weil es im Streitfall nicht um einen Anschlussflug geht. Unabhängig davon könnte eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht zu einer rechtlichen Auftrennung in einzelne Beförderungsvorgänge führen, wenn sich aus den Gesamtumständen des Vertragsschlusses im konkreten Fall ergibt, dass eine einheitliche Leistung vereinbart worden ist.
Gegen die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Simmern/Hunsrück ist keine Rüge erhoben. Sie wäre ohnehin gegeben, weil Art. 33 MÜ neben der internationalen auch die örtliche Zuständigkeit regelt14 und der Flughafen Hahn im Bezirk des von der Flugpassagierin angerufenen Amtsgerichts Simmern liegt.
Das Berufungsurteil ist daher gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landgerichts Bad Kreuznach zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Für ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV besteht kein Anlass. Wie bereits oben dargelegt wurde, geht der Unionsgerichtshof ebenfalls davon aus, dass Hin- und Rückflug eine einzige Beförderung im Sinne von Art. 1 Abs. 3 MÜ darstellen können15.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 23. November 2021 – X ZR 85/20
- Fortführung von BGH, Urteil vom 23.03.1976 – VI ZR 92/75, NJW 1976, 1586[↩]
- nachfolgend: MÜ oder Montrealer Übereinkommen[↩]
- beispielsweise von A nach C mit Zwischenstopp in B[↩]
- AG Simmern/Hunsrück, Urteil vom 02.03.2020 – 34 C 1384/19[↩]
- LG Bad Kreuznach, Urteil vom 23.09.2020 – 1 S 27/20[↩]
- BGH, Urteil vom 23.03.1976 – VI ZR 92/75, NJW 1976, 1586[↩]
- BGH NJW 1976, 1586 f.[↩]
- CA Columbia Cir., Urteil vom 01.02.2008 – Auster v Ghana Airways – 514 D.3d 44; D.C. Cir., Urteil vom 12.03.1999 – Haldimann v Delta Airlines – 168 F.3d 1324; weitere Nachweise bei Dettling-Ott in Giemulla/Schmid, Art. 33 Rn. 58[↩]
- MünchKomm-HGB/Müller-Rostin, Art. 33 MÜ Rn. 25; Reuschle, MÜ, 2. Aufl., Art. 33 Rn. 25 f.; Führich/Staudinger, Reiserecht, § 37 Rn. 4, 62; Staudinger/Hausmann, Verfahrensrecht für internationale Verträge (2021) Rn. 312; Dettling-Ott in Giemulla/Schmid, Art. 33 Rn. 58[↩]
- MünchKomm-HGB/Müller-Rostin, 4. Aufl., Art. 33 MÜ Rn. 24; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Pokrant, HGB, 4. Aufl., Art. 1 MÜ Rn. 13; Dettling-Ott in Giemulla/Schmid, Art. 33 Rn. 56; Staudinger/Hausmann, Verfahrensrecht für internationale Verträge (2021) Rn. 312[↩]
- vgl. dazu etwa BeckOGK MÜ/Förster, Stand 1.05.2021, Art. 33 Rn. 29[↩]
- EuGH, Urteil vom 10.07.2008 – C173/07, RRa 2008, 237 Rn. 26 ff. – Schenkel/Emirates[↩]
- EuGH RRa 2008, 237 Rn. 42 ff.[↩]
- EuGH, Urteil vom 07.11.2019 – C213/18, RRa 2020, 28 Rn. 55 – Guaitoli[↩]
- EuGH, EuZW 2008, 569 Rn. 45 – Schenkel/Emirates[↩]
Bildnachweis:
- Flughafen Hahn: 123FB | CC0 1.0 Universal