Die Festlegung einer Höchstaltersgrenze für öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige ist zulässig, entschied jetzt das Bundesverwaltungsgericht. Weder das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz noch europäisches Unionsrecht verbieten es einer Industrie- und Handelskammer, in ihrer Satzung Höchstaltersgrenzen für öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige festzusetzen.

In den beiden jetzt vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Verfahren waren die heute 73 bzw. 74 Jahre alten Kläger von den beklagten Industrie- und Handelskammern jeweils bis zum Erreichen der in den von der jeweiligen IHK beschlossenen Sachverständigenordnung vorgesehenen Höchstaltersgrenze von 68 Jahren zum öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen bestellt worden. Diese Bestellung war jeweils einmal bis zur Vollendung des 70. bzw. 71. Lebensjahres verlängert worden, was die Sachverständigenordnungen ermöglichten. Die Anträge der Kläger auf weitere Verlängerung der Bestellung wurden von den beklagten IHKs abgelehnt.
In dem ersten der beiden Verfahren war der heute 74jährige Kläger aufgrund einer einmalig befristeten Verlängerung bis zur Vollendung seines 71. Lebensjahres im Jahre 2007 öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Sachgebiete „Anwendung der EDV im Rechnungswesen und Datenschutz sowie EDV in der Hotellerie“. Seinen Antrag auf Verlängerung der Bestellung um fünf, hilfsweise um vier Jahre lehnte die beklagte Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern mit der Begründung ab, eine Bestellung erlösche nach ihrer Sachverständigenordnung, wenn der Sachverständige das 68. Lebensjahr vollendet habe; sie könne nur einmal verlängert werden, längstens bis zur Vollendung des 71. Lebensjahres. Die hiergegen erhobene Klage hatte sowohl beim Verwaltungsgericht München1 als auch beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof2 keinen Erfolg. Mit seiner vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht der Kläger u.a. unter Berufung auf die Richtlinie 2000/78/EG des Europäischen Rates vom 27. November 20003 und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1997) geltend, die ihm entgegen gehaltene Höchstaltersgrenze verstoße gegen das Verbot der Altersdiskriminierung.
In dem zweiten Verfahren war der 1937 geborene Kläger von der beklagten Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen als Sachverständiger für Philatelie öffentlich bestellt worden. Im Jahr 2005 verlängerte die IHK Rheinhessen die Bestellung bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres des Klägers. Die vom Kläger 2007 beantragte erneute Verlängerung seiner Bestellung um drei Jahre lehnte sie ab mit der Begründung, dass die öffentliche Bestellung nach ihrer Sachverständigenordnung erlösche, wenn der Sachverständige das 68. Lebensjahr vollendet hat. Die in Ausnahmefällen mögliche einmalige Verlängerung der Bestellung sei im Jahr 2005 vorgenommen worden. Eine nochmalige Verlängerung der Bestellung lasse die Sachverständigenordnung nicht zu. Nach erfolgloser Klage vor dem Verwaltungsgericht Mainz4 verpflichtete das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz auf die Berufung des Klägers die beklagte IHK, über die öffentliche Bestellung des Klägers als vereidigter Sachverständiger für Philatelie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden5. Im Revisionsverfahren wird zu klären sein, ob Unionsrecht und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz eine Auslegung der Sachverständigenordnung erfordern, die eine öffentliche Bestellung als Sachverständiger über die Altersgrenze hinaus zulässt.
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte jetzt die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und hob dagegen das Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz auf:
Die Ablehnung der Verlängerungsbegehren beider Kläger durch die beiden Industrie- und Handelskammern ist rechtmäßig. Zwar ist das AGG entgegen der Auffassung der beiden beklagten Industrie- und Handelskammern auf die Entscheidung über die öffentliche Bestellung eines Sachverständigen anwendbar. In der Ablehnung einer Bestellung über die in der IHK-Satzung festgesetzte Höchstaltersgrenze hinaus liegt auch eine Ungleichbehandlung wegen des Alters. Sie wird jedoch durch legitime Ziele der Regelung gerechtfertigt. Diese dient dem Schutz des Rechtsverkehrs und des Vertrauens in die Institution der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, denen mit der öffentlichen Bestellung eine besondere Sachkunde und Eignung zuerkannt wird, und die öffentlich-rechtlichen Pflichten unterliegen. Auf das auch mittelfristig uneingeschränkte Fortbestehen ihrer vollen Leistungsfähigkeit müssen Gerichte, Behörden und andere Auftraggeber jederzeit vertrauen können. Die Festsetzung einer solchen Höchstaltersgrenze ist im Sinne der Regelungen des AGG und der unionsrechtlichen Richtlinie 2000/78/EG objektiv, angemessen und erforderlich zur Erreichung dieser Ziele. Der Normgeber konnte davon ausgehen, dass mit fortschreitendem Alter die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit generell nachlässt. Ferner durfte er bei der Festsetzung von Höchstaltersgrenzen zugrunde legen, dass mit Beginn des achten Lebensjahrzehnts bei typisierender Betrachtung die für eine uneingeschränkte Wahrnehmung der besonders anspruchs- und verantwortungsvollen Aufgaben eines öffentlich bestellten Sachverständigen erforderliche Leistungsfähigkeit nicht mehr uneingeschränkt gegeben ist. Aus diesen Gründen ist die Höchstaltersgrenze auch als verhältnismäßige Regelung der Berufsausübung grundrechtlich gerechtfertigt.
Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 26. Januar 2011 – 8 C 45.09 und 46.09
- VG München, Urteil vom 11.03.2008 – M 16 K 07.2565[↩]
- BayVGH, Urteil vom 28.01.2009 – 22 BV 08.1413[↩]
- ABl L 303 S.16[↩]
- VG Mainz, Urteil vom 05.05.2008 – 6 K 525/07[↩]
- OVG RLP, Urteil vom 21.01.2009 – 6 A 10637/08[↩]
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