Die Verurteilung eines Architekten wegen Insolvenzverschleppung – bezogen auf seine Eigenschaft als Geschäftsführer und Liquidator einer GmbH – rechtfertigt nach dem Hamburgischen Architektengesetz nicht ohne weiteres die Annahme, dass er zur Erfüllung der Berufsaufgaben eines Architekten ungeeignet ist.

Der Tatbestand des § 6 Abs. 1 Nr. 3 HmbArchtG (rechtskräftige Verurteilung zu einer Strafe wegen eines Verbrechens oder Vergehens) kann auch dann verwirklicht sein, wenn die Verurteilung auf einem Strafbefehl beruht. Die in einem Strafbefehl enthaltenen Angaben zum Sachverhalt und Tatvorwurf entfalten keine Bindungswirkung für das berufsrechtliche Verfahren. Das gilt auch bei einem Urteil, das auf einen auf das Strafmaß beschränkten Einspruch gegen den Strafbefehl hin ergeht.
Im Anfechtungsprozess gegen die Löschung aus der Architektenliste sind außer den Gründen, auf die das zuständige Organ der Architektenkammer die Löschung gestützt hat, auch andere zwingende Löschungsgründe zu prüfen.
Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 HmbArchtG ist (zwingend) die Eintragung in die Architektenliste zu löschen, wenn nach der Eintragung Tatsachen eintreten oder bekannt werden, die (ebenfalls zwingend) zu einer Versagung der Eintragung geführt hätten. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 HmbArchtG ist die Eintragung einer Person zu versagen, wenn sie wegen eines Verbrechens oder Vergehens rechtskräftig zu einer Strafe verurteilt worden ist und sich aus dem der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt ergibt, dass sie zur Erfüllung ihrer Berufsaufgaben nach § 1 ungeeignet ist.
Im hier entschiedenen Fall ist der Kläger rechtskräftig wegen eines Vergehens zu einer Strafe – hier Geldstrafe von 90 Tagessätzen – verurteilt worden. Dem steht nicht entgegen, dass der Schuldspruch gegen den Kläger „nur“ auf einem Strafbefehl beruht.
Das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom 07.08.2007 ist infolge der Beschränkung des gegen den Strafbefehl vom 28.10.2005 eingelegten Einspruchs nur hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs ein „echtes“ Urteil. Bei der Beschränkung des Einspruchs gegen einen Strafbefehl auf das Strafmaß hat der Strafrichter den Tenor des Strafbefehls für sein Urteil vorauszusetzen1. Die Straftatbestandsmerkmale und die rechtliche Bewertung sind somit nur im insoweit bindenden Strafbefehl enthalten (§ 411 Abs. 4, § 409 Abs. 1 Nr. 3 und 4 StPO). § 6 Abs. 1 Nr. 3 HmbArchtG fordert aber nicht, dass der Architekt „im ordentlichen Strafverfahren durch das Urteil eines deutschen Gerichts“ verurteilt wurde (so die Formulierung z.B. in § 41 Abs. 1 Satz 1 BBG, § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG); diese Erfordernisse würde ein Strafbefehl nicht erfüllen2. Der Strafbefehl hat aber, soweit er nicht (mehr) angefochten wurde, nicht nur die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils, sondern steht diesem gleich (§ 410 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 StPO3). Auch fallen rechtskräftige Strafbefehle unter die Entscheidungen, die gemäß § 4 Nr. 1 BZRG in das Bundeszentralregister einzutragen sind.
Aus dem der Verurteilung zugrundeliegenden Sachverhalt ergibt sich aber nicht, dass der Kläger zur Erfüllung der Berufsaufgaben nach § 1 HmbArchtG ungeeignet ist. Dieses Tatbestandsmerkmal ist eng auszulegen. Das ergibt sich aus der inneren Systematik des Gesetzes, wie sie sich nach dem Neuerlass des Hamburgischen Architektengesetzes darstellt.
Das Hamburgische Architektengesetz vom 11.04.20064 bestimmt nicht eindeutig, in welchem Verhältnis die Verurteilung wegen einer Straftat (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 HmbArchtG) zur fachlichen Eignung und zur Zuverlässigkeit (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 HmbArchtG) steht.
Nach der Vorgängerregelung, dem Hamburgischen Architektengesetz vom 26.11.19655, war die Eintragung – soweit hier einschlägig – zu versagen bzw. zu löschen, wenn der Bewerber bzw. der eingetragene Architekt wegen eines Verbrechens oder Vergehens rechtskräftig zu einer Strafe verurteilt worden war und sich aus dem der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt ergab, dass er zur Erfüllung der Berufsaufgaben nach § 1 ungeeignet war (§ 6 Abs. 1 Buchst. c HmbArchtG), oder wenn Tatsachen vorlagen, aus denen sich ergab, dass er die fachliche Eignung zur Ausübung des Architektenberufs nicht besaß (Buchst. e). Hieran änderte sich bei der Neubekanntmachung des Gesetzes6 inhaltlich nichts (§ 6 Abs. 1 Buchstaben b und d). Möglicherweise sollte hiernach der Verurteilungstatbestand ein Fall fehlender Zuverlässigkeit sein. Beim Neuerlass des Hamburgischen Architektengesetzes im Jahr 2006 wurden die besonderen Versagungs- und die Löschungsgründe im wesentlichen beibehalten7. Allerdings wurden in § 6 Abs. 1 Nr. 5 (bisher Buchstabe d) die Wörter „oder die Zuverlässigkeit“ eingefügt, so dass nun die Eintragung zu versagen (bzw. zu löschen) ist, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass die Person die fachliche Eignung oder die Zuverlässigkeit zur Ausübung des Architektenberufes nicht besitzt. Die Gesetzesbegründung erwähnt hierzu nur, dass die genannten Wörter eingefügt werden, ohne dies näher zu begründen.
Im Grunde hätte nunmehr das Eintragungshindernis „Verurteilung wegen einer Straftat“ entfallen können, da sich aus einer solchen Verurteilung im Einzelfall die Unzuverlässigkeit für den Beruf ergeben kann. Alternativ hätte § 6 Abs. 1 Nr. 5 HmbArchtG als Auffangtatbestand formuliert werden können, etwa in der Weise: „wenn sonstige Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, …“. Da dies nicht geschehen ist, spricht die Gesetzesauslegung anhand des Wortlauts und der Systematik dafür, den in Nr. 3 normierten Fall (Verurteilung wegen Straftat) eng auszulegen, demzufolge nur den der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt zu würdigen und in diesem Zusammenhang keine umfassende Zuverlässigkeitsprüfung anzustellen. Eine in diesem Sinn enge Prüfung hat dann aber auch etwaige positive Aspekte außerhalb des der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalts auszublenden. Um einen sich hieraus ergebenden Wertungswiderspruch zu Nr. 5 zu vermeiden, ist die Formulierung „zur Erfüllung der Berufsaufgaben nach § 1 ungeeignet“ in Nr. 3 relativ eng auszulegen.
Dem Kläger wurde im Strafverfahren zur Last gelegt, er habe zu spät einen Insolvenzantrag gestellt. Hieraus lässt sich im konkreten Fall nicht auf die fehlende Eignung des Klägers zur Erfüllung der Berufsaufgaben nach § 1 HmbArchtG schließen.
Sinn und Zweck der Insolvenzantragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der juristischen Person liegen im Schutz sowohl der Altgläubiger vor weiterer Verringerung der Haftungsmasse als auch der Neugläubiger vor einem Vertragsabschluss mit notleidenden Gesellschaften. Die Gesellschaftsgläubiger sollen letztlich davor geschützt werden, dass das Gesellschaftsvermögen weggegeben und so die den Gläubigern zur Verfügung stehende Masse geschmälert wird8. Die Insolvenzantragspflicht entsteht im Fall der Zahlungsunfähigkeit mit deren objektivem Eintritt (§ 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG a.F., jetzt § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO). Zahlungsunfähigkeit bedeutet eine nicht nur vorübergehende Illiquidität (vgl. jetzt § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO). Im Fall der Überschuldung wurde unter Geltung des im Fall des Klägers noch maßgeblichen § 64 Abs. 1 Satz 2 GmbHG a.F. von der damals herrschenden, wenn auch umstrittenen Meinung auf die Kenntnis des Geschäftsführers von der Überschuldungssituation abgestellt9. Überschuldung liegt gemäß § 19 Abs. 2 InsO vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, wobei bei der Bewertung die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen ist, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist.
Die im Strafbefehl enthaltenen (und im Strafurteil lediglich wiedergegebenen) Angaben zum Sachverhalt und Tatvorwurf entfalten keine Bindungswirkung für das berufsrechtliche Verfahren. Dabei kann dahinstehen, dass das Architektengesetz im Zusammenhang mit dem Eintragungs- bzw. Löschungsverfahren10 eine solche Bindungswirkung noch nicht einmal für den Fall eines „vollen“ Strafurteils regelt. Aber auch dort, wo eine Bindung an die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils geregelt ist11, gilt die Bindung nur dann, wenn der Sachverhalt durch das Strafgericht selbst in einem mit rechtsstaatlichen Garantien ausgestatteten Verfahren festgestellt wurde. Ein Strafbefehl hingegen ist kein Urteil im Sinn der genannten Bindungsvorschriften und enthält keine der Bindungswirkung zugänglichen tatsächlichen Feststellungen, weil er nicht auf erwiesenen Tatsachen beruht, sondern in einem summarischen Verfahren lediglich auf den hinreichenden Verdacht (vgl. § 408 Abs. 2 Satz 1 StPO) solcher Tatsachen hin ergeht12.
Das Berufungsgericht hält den Tatvorwurf, der dem Kläger im Strafbefehl gemacht wurde, jedenfalls nicht in vollem Umfang für berechtigt, was hier aber noch nicht näher ausgeführt werden muss. Selbst dann, wenn der Tatvorwurf so zugrunde gelegt wird, wie er im Strafbefehl aufgeführt ist, ergibt sich aus dem der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt nicht, dass der Kläger zur Erfüllung der Berufsaufgaben nach § 1 HmbArchtG ungeeignet ist.
Zu den Berufsaufgaben eines Architekten gehören nach § 1 HmbArchtG u.a. die wirtschaftliche Planung von Bauwerken (in Abs. 1 Nr. 1) sowie die Beratung, Betreuung und Vertretung der Auftraggeber in den mit der Planung und Durchführung eines Vorhabens zusammenhängenden fachlichen Fragen sowie die Koordination, Steuerung und Überwachung der Planung und Ausführung eines Vorhabens (in Abs. 2). Mit diesen Formulierungen werden einem Architekten aber nicht „umfassende Sachwalterpflichten gegenüber seinem Auftraggeber auferlegt (…), die insbesondere darin bestehen, dass der Architekt die wirtschaftlichen Interessen des Bauherrn zu beachten hat“, wie es im Bescheid vom 15.11.2007 heißt.
Die „wirtschaftliche Planung von Bauwerken“ ist etwas anderes als der Umgang mit Finanzmitteln, die der Auftraggeber einem Architekten zur Abwicklung eines Bauvorhabens zur Verfügung stellt. Ein Architekt kann unwirtschaftlich planen (z.B. technisch umständlich, zu teuer, schlechte Koordination der Gewerke), aber völlig korrekt mit den Geldern der Bauherrschaft umgehen und Rechnungen umgehend begleichen.
Auch lässt sich der sorgsame Umgang mit Auftraggeber-Mitteln nicht unter den Begriff der „mit der Planung und Durchführung eines Vorhabens zusammenhängenden fachlichen Fragen“ subsumieren. Zwar bringen andere Oberverwaltungsgerichte zum Ausdruck, dass auch die Finanzierung eines Bauvorhabens zu den „mit der Durchführung eines Vorhabens zusammenhängenden Fragen“ und damit zu den Berufsaufgaben eines Architekten gehöre und dass der Architekt bei der unabhängigen Beratung und Betreuung seiner Auftraggeber in mit der Planung und Durchführung eines Vorhabens zusammenhängenden Fragen auch deren Vermögensinteressen zu beachten habe13. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass in § 1 Abs. 5 des baden-württembergischen Architektengesetzes und in § 1 Abs. 1 und 6 des saarländischen Architektengesetzes das Wort „fachlichen“ in der Formulierung „mit der Durchführung eines Vorhabens zusammenhängenden Fragen“ jeweils fehlt.
Das Wort „fachlichen“ war auch in § 1 Abs. 1 Buchst. b des Hamburgischen Architektengesetzes vom 26.11.19655 und in § 1 Abs. 5 des Gesetzes in der Fassung vom 26.05.199114 nicht enthalten. Die Gesetzesbegründung zur Neufassung des Gesetzes15 erwähnt die Einfügung des Wortes „fachlichen“ nicht. Bei der Interpretation des jetzt geltenden Gesetzes kann aber die Einfügung dieses Wortes, das nach Auffassung des Berufungsgerichts gegenüber der bisherigen Gesetzesfassung eine gewisse Einschränkung der Umschreibung der Berufsaufgaben mit sich bringt, nicht einfach ausgeblendet werden.
Die Eigenschaft des Architekten als „umfassender Sachwalter fremder Vermögensinteressen“, wie sie das Verwaltungsgericht aus § 1 HmbArchtG ableitet, lässt sich schließlich auch nicht aus der Aufgabe der Koordinierung, Steuerung und Überwachung der Planung und Ausführung eines Vorhabens (§ 1 Abs. 2 am Ende HmbArchtG) herleiten. Dies würde eine treuhänderische Vermögensverwaltung implizieren, die aber jedenfalls bei einem baugewerblich tätigen Architekten wie dem Kläger, dessen von ihm geführte Gesellschaft Geschäfte nach § 34c GewO – jedenfalls nach dem ins Handelsregister eingetragenen Geschäftsgegenstand – stets ausgeschlossen hat, nicht gegeben ist16. In diesem Zusammenhang kann auch auf die Begründung zum Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Architektengesetzes17 verwiesen werden, wo im Zusammenhang mit der Regelung von Berufspflichten freischaffender Architekten ausgeführt wurde:
„Die Pflicht für Freischaffende Berufsangehörige, sich jeglicher gewerblicher Tätigkeit bzw. Wahrnehmung gewerblicher Interessen zu enthalten, ist begründet aus dem Interesse der Öffentlichkeit. Der Freischaffende Berufsangehörige hat ausschließlich das Wohl seines Auftraggebers im Auge. Für seine Tätigkeit erhält er nur die nach der Honorarordnung zu berechnende Vergütung. Die Tätigkeit des baugewerblichen Architekten ist demgegenüber durch eigenes Vorteilsdenken bestimmt, das über bloße Honorarerzielung hinausgeht; jede mit eigenem Vorteilsdenken verknüpfte gewerbliche Tätigkeit eines Architekten kann ihn in einen Konflikt mit den Interessen des Auftraggebers bringen.“
Zu beachten ist auch, dass das Architektengesetz zwischen Berufsaufgaben (§ 1 HmbArchtG) und Berufspflichten (§ 19 HmbArchtG) unterscheidet. Nicht jeder Verstoß gegen Berufspflichten lässt den Architekten bereits ungeeignet zur Erfüllung seiner Berufsaufgaben erscheinen. Die schuldhafte Verletzung von Berufspflichten gemäß § 19 wird zudem grundsätzlich in einem förmlichen Ehrenverfahren – vergleichbar einem Disziplinarverfahren – geahndet (§ 21 Abs. 1 Satz 1 HmbArchtG), das im Extremfall wiederum zur Löschung des Architekten aus der Architektenliste führen kann (§ 22 Abs. 1 Nr. 6, § 7 Abs. 1 Nr. 4 HmbArchtG).
Diese Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen findet eine weitere Bestätigung in dem Umstand, dass die wegen der Gefährdung der Interessen potentieller Geschäftspartner bedeutsamen Fälle des Vermögensverfalls einer Person, die in die Architektenliste eingetragen werden will oder eingetragen ist – Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO, Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das eigene Vermögen oder Ablehnung der Eröffnung mangels Masse – nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 bzw. § 7 Abs. 2 HmbArchtG nicht zur zwingenden Versagung der Eintragung in die Architektenliste bzw. Löschung aus der Liste führen, sondern nur zu einer Ermessensentscheidung hierüber.
Die Löschung des Klägers aus der Architektenliste ist auch nicht aus anderen Gründen gerechtfertigt. Bei der Prüfung der angefochtenen Löschungsentscheidung sind Gründe, die im Hamburgischen Architektengesetz als zwingende Löschungstatbestände ausgestaltet sind, vom Gericht unabhängig davon zu beachten, auf welche Gründe die Beklagte bisher ihre Entscheidung zur Löschung des Klägers aus der Architektenliste gestützt hat (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.07.2009, 9 S 1008/08)).
Als etwaiger weiterer Löschungsgrund kommt im Fall des Klägers nur § 7 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 HmbArchtG in Betracht. Hiernach ist die Eintragung zu löschen, wenn Tatsachen eintreten oder bekannt werden, aus denen sich ergibt, dass die eingetragene Person die fachliche Eignung oder die Zuverlässigkeit zur Ausübung des Architektenberufs nicht besitzt. Die Einengung der Reichweite von § 6 Abs. 1 Nr. 3 HmbArchtG, die sich durch die Einfügung des Wortes „fachlichen“ in § 1 Abs. 2 HmbArchtG ergeben hat, wird somit durch die gleichzeitige Einfügung der Wörter „oder die Zuverlässigkeit“ in § 6 Abs. 1 Nr. 5 HmbArchtG kompensiert.
Der Begriff der (Un-)Zuverlässigkeit kommt aus dem Gewerberecht. Dort wird ein Gewerbetreibender dann als unzuverlässig angesehen, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe zukünftig ordnungsgemäß betreiben wird18. Im zitierten Urteil führt das Bundesverwaltungsgericht auch aus:
„Im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs muß von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, daß er zur Vermeidung der Gläubigerbenachteiligung bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Auf den Grund für die Entstehung der Schulden und für die Unfähigkeit zur Erfüllung der Zahlungspflicht kommt es nicht an. Entscheidend ist, daß ein vernünftig urteilender und um eine ordnungsgemäße Betriebsführung bemühter Gewerbetreibender in der Situation des Klägers den Gewerbebetrieb nicht fortführen würde.“
Bei der Prüfung, ob die Prognose berechtigt ist, der Kläger biete nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür, den Architektenberuf zukünftig ordnungsgemäß auszuüben, ist auf die Verhältnisse bei Erlass der Verwaltungsentscheidung abzustellen19.
Aus den Vorgängen, die aus den Sach- und den Strafverfahrensakten ersichtlich sind – andere Erkenntnismöglichkeiten liegen dem Berufungsgericht nicht vor und werden von der Beklagten auch nicht bezeichnet –, ergibt sich nicht, dass der Kläger die zur Ausübung des Architektenberufs erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt.
Der Umstand, dass über das Vermögen der H. S. GmbH, zuletzt E. GmbH, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Kläger war, das Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet wurde, kann nicht im Rahmen der Prüfung der Zuverlässigkeit des Klägers berücksichtigt werden, da dies mit den differenzierten gesetzlichen Regelungen nicht in Einklang stünde. § 7 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 2 HmbArchtG ermöglicht die Löschung eines Architekten aus der Architektenliste, wenn über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder mangels Masse nicht eröffnet wird. Hier bezog sich der Insolvenzantrag aber nicht auf das Privatvermögen des Klägers, sondern auf das Vermögen der H. S. GmbH /E. GmbH. Diese im Gesetz enthaltene Unterscheidung ist auch vor dem Hintergrund des § 10 Abs. 5 Nr. 4 HmbArchtG zu beachten, der die Löschung einer Gesellschaft im Fall ihres Vermögensverfalls vorsieht20. Im übrigen stellt § 7 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 2 HmbArchtG die Löschung wegen eines Insolvenzverfahrens ins Ermessen der Beklagten, das hier aber nicht ausgeübt wurde.
Die Verlegung des Sitzes der H. S. GmbH nach Leipzig unter gleichzeitiger Umbenennung in E. GmbH geschah zur Überzeugung des Berufungsgerichts nicht zum Zweck der Gläubigerbenachteiligung, sondern hatte plausible geschäftliche Gründe. Daran ändert der Umstand nichts, dass der Geschäftsbetrieb der GmbH schon kurz darauf beendet wurde.
Der Kläger hat dem Berufungsgericht seine Pläne für Leipzig nachvollziehbar erläutert. Er hat die Patentschrift für das von ihm entwickelte 3‑D-Modul-Bausystem eingereicht, für das ihm im November 2002 ein Patent erteilt worden war. Er hat ferner den Geschäftspartner mit Namen und Anschrift benannt, mit dem zusammen er unter Nutzung der bestehenden und in E. GmbH umbenannten GmbH das neue Geschäftsmodell im Raum Leipzig verwirklichen wollte, da dort auch die Hoffnung auf Fördergelder bestanden habe. Der Geschäftspartner zog sich indes nach der glaubhaften Angabe des Klägers alsbald aus der gemeinsamen Planung zurück, nachdem am 27.01.2004 ein Zahlungsurteil des Landgerichts Hamburg gegen die GmbH über mehr als 33.000 € ergangen war und der Kläger einräumen musste, dass noch weitere Prozesse mit Forderungen in insgesamt noch größerer Höhe gegen die GmbH anhängig waren. Vor diesem Hintergrund ist es für das Berufungsgericht nachvollziehbar, dass die E. GmbH mit Gesellschafterbeschluss vom 11.02.2004 mit Wirkung von diesem Tag aufgelöst wurde, da nun nicht mehr damit zu rechnen war, dass die GmbH noch einmal wirtschaftlich „auf die Beine kommen“ würde.
Auch aus dem W.-Geschäft, insbesondere aus der Übertragung des Neubauauftrags für das Grundstück W. 7a auf die am 04.11.2003 gegründete und von der Ehefrau des Klägers als Geschäftsführerin geführten P. GmbH, lässt sich ein Unzuverlässigkeitsurteil gegen den Kläger nicht ableiten.
Neugläubiger wurden durch das Geschäft nicht geschädigt. Die H. S. GmbH kaufte das Grundstück W. 7b in Hamburg-… im Mai 2003. Für den Kaufpreis gewährte die A‑Bank G. einen zweckgebundenen Kredit, der nach den Kreditvereinbarungen bis zum 15.12. 2003 in voller Höhe zurückzuzahlen war. Da sich die Hoffnung des Klägers, dieses Grundstück mit einem schlüsselfertig zu errichtenden Haus verkaufen zu können, bis zu diesem Zeitpunkt nicht realisieren ließ, verkaufte die GmbH das Grundstück W. 7b am 09.12. 2003 weiter. Mit dem hierdurch erzielten Kaufpreis, der letztlich an die A‑Bank G. floss, wurde die in Abteilung III des Grundbuchs eingetragene Grundschuld abgelöst. Vorher war auf Veranlassung der H. S. GmbH ein altes Doppelhaus, das auf den Grundstücken W. 7a und 7b gestanden hatte, von einer Baufirma abgebrochen worden. Die Abbrucharbeiten wurden von der H. S. GmbH bezahlt; die Mittel hierfür und für weitere Planungsaktivitäten stammten von den Eigentümern des Grundstücks W. 7a.
Der von den Käufern des Grundstücks W. 7a der H. S. GmbH erteilte Auftrag zur Errichtung einer freistehenden Villa wurde am 13.11.2003 auf die von der Ehefrau des Klägers als Geschäftsführerin geführten P. GmbH übertragen und von dieser GmbH ausgeführt. Hierzu sah sich der Kläger aufgrund von § 4 der Makler- und Bauträgerverordnung veranlasst, wonach ein Gewerbetreibender Vermögenswerte des Auftraggebers, die er erhalten hat, nur für das Bauvorhaben verwenden darf, auf das sich der Auftrag bezieht. Ob diese Bestimmung, die auf § 34c GewO Bezug nimmt, hier einschlägig war – die vom Kläger geführte GmbH hatte in der Beschreibung ihres Unternehmensgegenstandes Geschäfte nach § 34c GewO stets ausgeschlossen –, kann hier dahinstehen. Jedenfalls ist die Überlegung des Klägers, die für das Vorhaben W. 7a erhaltenen Mittel nicht dem etwaigen Zugriff von GmbH-Altgläubigern auszusetzen, nicht schon ein Zeichen einer Gläubigerbenachteiligungsabsicht. Ein anderes Verhalten hätte eher die Auftraggeber des Vorhabens W. 7a geschädigt. Der Kläger (oder seine Ehefrau) wäre zudem nicht gehindert gewesen, schon im Sommer 2003 eine neue Gesellschaft zur Realisierung des W.-Vorhabens zu gründen.
Altgläubiger der GmbH hätten zudem keinen Vorteil gehabt, wenn der Kläger nach dem Kauf des Grundstücks W. 7b Insolvenzantrag für die H. S. GmbH gestellt hätte, da der A‑Bank G. wegen des der GmbH für den Kauf gewährten Darlehens eine Grundschuld am Grundstück W. 7b eingeräumt worden war und sie daher im Insolvenzverfahren ein Absonderungsrecht gehabt hätte (§ 49 InsO); das Grundstück hätte den Altgläubigern daher nicht zur Verfügung gestanden.
Schließlich rechtfertigen die Umstände, dass der Kläger aus seinen privaten Mitteln nicht alle Verbindlichkeiten der GmbH getilgt und erst am 01.09. 2004 den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen „seiner“ GmbH gestellt hat, nicht die Annahme der Unzuverlässigkeit des Klägers.
Die GmbH arbeitete seit etlichen Jahren mit Hilfe von Krediten, die ihr die A‑Bank G. zur Verfügung stellte. Die Darlehen, die der Kläger der GmbH am 28.11.2003 bzw. am 18.06.2004 zur Verfügung stellte, dienten zur Begleichung der Darlehens-Schulden der GmbH bei der Bank. Die Bank hat im Strafermittlungsverfahren angegeben, die Geschäftsverbindung mit der GmbH habe seit 1998 bis zur Kontoauflösung am 29.06.2004 bestanden; eine Kreditkündigung sei nicht ausgesprochen worden. Bei der Bewertung der Entscheidung des Klägers, die Darlehensschulden „seiner“ GmbH mit erheblichen Mitteln aus privatem Vermögen auszugleichen – er nahm hierfür Privatkredite bei der A‑Bank G. auf, die über Grundeigentum seiner Ehefrau abgesichert wurden –, ist zu beachten, dass er zu einer auch nur teilweisen Entschuldung der GmbH gesellschaftsrechtlich nicht verpflichtet war. Es ist zudem nachvollziehbar, dass der Kläger sich die Möglichkeit erhalten wollte, auch künftig aus geschäftlichen Gründen bei Banken Kredite aufzunehmen, was auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen würde, wenn die Bank bei einer Insolvenz mit großen Beträgen ausgefallen wäre. Die Verpflichtungen der GmbH gegenüber den letztlich mit ihren Forderungen ausgefallenen Gläubigern hatten ihre Grundlage zudem in einer Zeit, zu der die GmbH unter Inanspruchnahme der Bankenkredite noch handlungsfähig war. Bei einem günstigeren Ergebnis des erst sehr spät gelungenen Verkaufs der letzten Wohnung im Objekt XX Chaussee .. wären auch die Mittel zur Begleichung dieser Forderungen vorhanden gewesen.
Ohne eine abschließende Beurteilung darüber abgeben zu müssen, wann genau der Kläger gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG a.F. bzw. jetzt § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO den Insolvenzantrag hätte stellen müssen, spricht vieles dafür, dass diese Pflicht nicht vor Ende 2003 /Anfang 2004 eintrat. Wie sich den von der A‑Bank G. im Strafermittlungsverfahren übersandten Kontounterlagen entnehmen lässt, war das Geschäftskonto der GmbH, über das den Unterlagen zufolge die meisten Zahlungen getätigt wurden, im September 2003 zwar bei einem Minus von über 167.000 € angelangt, doch lag der Geschäftskredit-Rahmen seit Ende November 2002 bei 180.000 €. Am 30.09. 2003 ging der Kaufpreis für die letzte verkaufte Wohnung in der XX Chaussee ein und wurde teilweise auf verschiedene andere Konten der GmbH bei der A‑Bank G. intern umgebucht – diese wurden sodann aufgelöst –, so dass ab Oktober 2003 die Zahlungsgeschäfte nur noch über ein Konto abgewickelt wurden. Im Oktober 2003 gingen auf diesem Konto noch Gutschriften von über 16.000 € ein, im November 2003 diverse Gutschriften in Höhe von insgesamt über 25.000 € und im Dezember 2003 noch Gutschriften in Höhe von über 04.200 €, so dass das Konto bis kurz vor dem Jahresende 2003 häufig sogar einen positiven Saldo aufwies. Jedenfalls eine Zahlungsunfähigkeit der GmbH dürfte bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestanden haben, auch wenn einige Forderungen tatsächlich nicht beglichen wurden.
Es ist aber nicht zu erkennen, welchen Vorteil es den Altgläubigern gebracht hätte, wenn der Kläger schon Anfang 2004 anstatt erst am 01.09.2004 einen Insolvenzantrag für „seine“ GmbH gestellt hätte. Auch dann wäre ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH wohl mangels Masse abgelehnt worden. Liquide Mittel, auf die die Gläubiger hätten zugreifen können, waren erkennbar kaum noch vorhanden. Zudem wurde mit Wirkung vom 11.02.2004 die Gesellschaft aufgelöst, so dass auch keine Gefahr für Neugläubiger mehr bestand.
Schließlich ist hinsichtlich der Bewertung des (abstrakten) Gewichts der Straftat Insolvenzverschleppung auch zu beachten, dass sowohl zur Tatzeit als auch bei Erlass des angegriffenen Bescheides eine Verurteilung nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG a.F. die verurteilte Person nicht kraft Gesetzes von der Möglichkeit ausschloss, (erneut) Geschäftsführer einer GmbH zu sein (§ 6 Abs. 2 GmbHG a.F.). Erst das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen21 schließt auch eine Person, die wegen Insolvenzverschleppung verurteilt worden ist, hiervon aus (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Buchst. a GmbHG). Dabei bestimmt § 3 Abs. 2 EGGmbHG, dass diese Vorschrift nicht anzuwenden ist auf Personen, die vor Inkrafttreten der Änderung (1. Noevember 2008)) zum Geschäftsführer bestellt worden sind, wenn die Verurteilung vor dem 01. November 2008 rechtskräftig geworden ist.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht 5. Senat, Urteil vom 08.06.2011, 5 Bf 67/09
- vgl. Begründung des StVÄG 1984 in BT-Drs. 10/1313, S. 38[↩]
- BVerwG, Urteil vom 08.06.2000, NJW 2000, 3297[↩]
- auf diese Umformulierung weist die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 10/1313, S. 38 ausdrücklich hin[↩]
- HmbGVBl. S. 157[↩]
- HmbGVBl. S. 205[↩][↩]
- Fassung vom 26.03.1991, HmbGVBl. S. 85[↩]
- so auch die Gesetzesbegründung, vgl. Bü-Drs. 18/3681, S. 13 zu § 6 und § 7[↩]
- vgl. Begründung des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen – MoMiG – BT-Drs. 16/6140, S. 55[↩]
- Nachweise bei Karsten Schmidt in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Anh. § 64 Rn. 33[↩]
- anders gemäß § 21 Abs. 4 HmbArchtG für das Ehrenverfahren[↩]
- z.B. im Disziplinarrecht: § 15 Abs. 1 HmbDG; § 23 Abs. 1 BDG[↩]
- BVerwG, Urteil vom 16.06.1992, BVerwGE 93, 255, 259; Urteil vom08.06.2000, NJW 2000, 3297[↩]
- vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.07.2009, 9 S 1008/08; OVG Saarlouis, Beschluss vom 28.11.2007, 1 A 177/07[↩]
- HmbGVBl. S. 85[↩]
- Bü-Drs. 18/3681, S. 11[↩]
- vgl. auch VG Frankfurt/Main, Urteil vom 20.06.1990, NVwZ-RR 1991, 240, 241[↩]
- Bü-Drs. 13/4851 vom 28.11.1989, S. 10[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom02.02.1982, BVerwG 1 C 52.78, Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 36[↩]
- vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.07.2009, 9 S 1008/08; OVG Saarlouis, Beschluss vom 28.11.2007, 1 A 177/07; OVG Lüneburg, Beschluss vom 28.01.1995, NVwZ-RR 1996, 261, 262; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30.09.2005, BVerwG 6 B 51.05[↩]
- vgl. zum damals insoweit inhaltsgleichen saarländischen Recht: OVG Saarland, Urteil vom08.09.1994, 1 R 30/94, NJW-RR 1995, 505 f.[↩]
- MoMiG vom 23.10.2008, BGBl. I S. 2026[↩]