Kanzlei in Spanien – Zustellbevollmächtigter in Deutschland

Ein Rechtsanwalt, der von der Pflicht befreit worden ist, eine Kanzlei zu unterhalten, hat der Rechtsanwaltskammer einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, der im Inland wohnt oder dort einen Geschäftsraum hat (§ 30 Abs. 1 BRAO); Ausnahmen sind nicht vorgesehen.

Kanzlei in Spanien – Zustellbevollmächtigter in Deutschland

Die Kanzleipflicht wird in § 27 Abs. 1 BRAO dahingehend bestimmt, dass der Rechtsanwalt verpflichtet ist, im Bezirk der Rechtsanwaltskammer, deren Mitglied er ist, eine Kanzlei einzurichten und zu unterhalten. Ein Rechtsanwalt, der seine Kanzleien ausschließlich in anderen Staaten einrichtet, wird gemäß § 29a Abs. 2 BRAO ebenso von der Kanzleipflicht des § 27 Abs. 1 BRAO befreit wie ein Rechtsanwalt, der weder im Inland noch im Ausland eine Kanzlei unterhält und nach § 29 Abs. 1 BRAO zur Vermeidung von Härten von der Pflicht des § 27 Abs. 1 BRAO befreit werden kann.

Dass die Vorschrift des § 30 Abs. 1 BRAO auch für Anwälte mit (ausschließlichem) Kanzleisitz im Ausland gilt, folgt hinreichend deutlich aus § 29a Abs. 2 BRAO, der auf § 27 BRAO Bezug nimmt. Überdies kann nach § 14 Abs. 3 Nr. 3 BRAO die Zulassung eines Anwalts zur Rechtsanwaltschaft widerrufen werden, der nicht binnen drei Monaten, nachdem er gemäß § 29a Abs. 2 BRAO von der Kanzleipflicht befreit worden ist, einen Zustellungsbevollmächtigten benennt.

Auf einen „Bestandsschutz“ hinsichtlich der Nichtbestellung eines Zustellbevollmächtigten kann sich der von der Kanzleipflicht befreite Rechtsanwalt nicht berufen. Die in § 30 BRAO normierte Pflicht, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, ist fortlaufend zu erfüllen, solange der Rechtsanwalt von der Kanzleipflicht des § 27 Abs. 1 BRAO befreit ist. Sie gilt damit auch in Fällen, in denen die Rechtsanwaltskammer zunächst davon abgesehen hatte, die Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten zu verlangen. Ein Rechtsanwalt, der jahrelang keinen Zustellungsbevollmächtigten beauftragt hatte, wird durch die Erfüllung der ihm gemäß § 30 BRAO obliegenden Pflicht zur Bestellung des Zustellungsbevollmächtigten nicht mehr oder anders belastet als ein Anwalt, der unverzüglich nach der Befreiung von der Kanzleipflicht einen Zustellungsbevollmächtigten bestellt hat.

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Die Rechtsfrage nach dem Anwendungsbereich des § 30 Abs. 1 BRAO lässt sich, wie gezeigt, ohne weiteres aus den Vorschriften der §§ 27, 29a, 30, 14 Abs. 3 Nr. 3 BRAO beantworten. Nicht jede in der Literatur geäußerte Einzelmeinung begründet die Notwendigkeit einer höchstrichterlichen Leitentscheidung. Die Mehrzahl der Kommentatoren geht wie der Bundesgerichtshof davon aus, dass die Pflicht des § 30 Abs. 1 BRAO auch in den Fällen des § 29a Abs. 2 BRAO gilt1.

Verfassungsrechtliche Bedenken teilt der Bundesgerichtshof nicht. Die Vorschrift des § 30 BRAO verstößt nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Sie enthält eine Berufsausübungsregelung, die dem Rechtssatzvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG genügt und durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls, nämlich die Erleichterung der Zustellung an Anwälte ohne Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO, gerechtfertigt ist. Nach der amtlichen Begründung des Entwurfs einer Bundesrechtsanwaltsordnung vom 24.11.1954 dient die Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten der Sicherung des Zustellungsverkehrs in den besonderen Formen, welche die Prozessordnungen für Zustellungen an Anwälte vorsehen2. Auch § 30 Abs. 1 BRAO in der jetzt geltenden Fassung soll gewährleisten, dass Zustellungen in den in § 30 Abs. 2 BRAO genannten erleichterten Formen der Zivilprozessordnung erfolgen können und Auslandszustellungen vermieden werden3. Der Bundesgerichtshof hat auch in früheren Entscheidungen keinen Anlass für eine Vorlage nach Art. 100 GG gesehen4. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union ist ebenfalls nicht veranlasst. Die Vorschrift des § 30 Abs. 1 BRAO ist schließlich auch inhaltlich hinreichend bestimmt. Der von der Kanzleiplficht befreite Rechtsanwalt hat der Rechtsanwaltskammer einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. Auf weiteres kommt es nicht an.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. Juli 2014 – AnwZ (Brfg) 45/13

  1. vgl. etwa Siegmund in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 30 BRAO Rn. 8; Eichele, aaO, § 29a BRAO Rn.19; Schmidt-Räntsch, aaO, § 14 Rn. 50; Schroeder in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 29a Rn. 12; Prütting, aaO, § 30 Rn. 7; Vossebürger in Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl., § 14 Rn. 92a; Weyland, aaO, § 29a Rn. 15; Kleine/Cosack, BRAO, 6. Aufl., § 30 Rn. 1[]
  2. BT-Drs. 2/1014, S. 73 zu § 42 BRAO-E, nach welchem nur ein zugelassener Rechtsanwalt als Zustellungsbevollmächtigter benannt werden konnte[]
  3. vgl. die amtliche Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und kostenrechtlicher Vorschriften vom 17.12 2008, BT-Drs. 16/11385, S. 35 zu Nr. 11[]
  4. vgl. BGH, Beschluss vom 18.11.2013 – AnwZ (B) 3/13, NJW-RR 2014, 377[]