Trifft einen Anlageberater die Pflicht, einen Anleger über den Inhalt der mit der Fonds- oder Vertriebsgesellschaft getroffene Vertriebsvereinbarung aufzuklären? Diese Frage beschäftigte aktuell den Bundesgerichtshof:

Der Anlageberatungskunde hat einen Anspruch auf eine vollständige und richtige Beratung. Diese darf sich nicht nur auf die Unterlagen beschränken, die von der Fondsgesellschaft oder der Vertriebsgesellschaft zur Verfügung gestellt werden.
In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich seine Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Entscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Er muss deshalb eine Anlage, die er empfehlen will, mit üblichem kritischem Sachverstand prüfen oder den Anlageinteressenten auf ein diesbezügliches Unterlassen hinweisen.
Ein Berater, der sich in Bezug auf eine bestimmte Anlageentscheidung als kompetent geriert, hat sich dabei aktuelle Informationen über das Objekt, das er empfehlen will, zu verschaffen. Dazu gehört unter anderem die Auswertung vorhandener Veröffentlichungen in der Wirtschaftspresse1. Wenn sich nach dieser Prüfung ergibt, dass das Anlageprodukt nicht für den Kunden geeignet ist, darf diese Anlage nicht empfohlen werden. Geschieht dies gleichwohl, haftet der Anlageberater für den daraus entstandenen Schaden. Damit ist dem Kundeninteresse Rechnung getragen.
Wenn sich der Anlageberater gegenüber der Vertriebsgesellschaft verpflichtet, bei der Anlageberatung nur deren Angaben und Prospekte zu benutzen, bedingt dies nicht eine geringere Pflichtenstellung hinsichtlich der Beratung des Kunden.
Wenn es hier zu einer Pflichtenkollision kommt und sich der Anlageberater deswegen außerstande sieht, das Informationsinteresse des Kunden pflichtgemäß zu erfüllen, so ist er gegebenenfalls verpflichtet, den Vertrieb der Anlage einzustellen oder den Kunden darauf hinzuweisen, dass er weitere Informationen nicht erteilen darf.
Wenn sich jedoch die Anlage als für den Kunden richtig darstellt und die Chancen und Risiken der Anlage in den zur Verfügung gestellten Unterlagen zutreffend wiedergegeben werden – und auch sonst keine aufklärungsbedürftigen Umstände bekannt werden, ergibt sich aus der internen Verpflichtung des Anlageberaters aus der Vertriebsvereinbarung kein informationsbedürftiger Interessenkonflikt, der für sich genommen eine Fehlerhaftigkeit der Anlageberatung begründen könnte.
Es ergibt sich deshalb das Gesamtbild, dass im Falle einer unrichtigen Anlageberatung der Anlageberater unabhängig davon haftet, ob er sich intern verpflichtet hatte, nur die Informationsmaterialien der Fondsgesellschaft oder der Vertriebsgesellschaft zu benutzen, da dies sein Verschulden nicht ausschließen kann, oder aber die Anlageberatung ist im Kundeninteresse korrekt erfolgt. Daraus wird deutlich, dass der internen Vereinbarung mit der Vertriebsgesellschaft für sich genommen keine so große Bedeutung zukommt, dass allein wegen des Unterbleibens eines Hinweises auf diese Vereinbarung ein Anleger dazu berechtigt sein könnte, Schadensersatz zu verlangen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Dezember 2012 – III ZR 307/11 –
- vgl. BGH, Urteil vom 01.12.2011 – III ZR 56/11, NJW 2012, 380 Rn. 10 mwN[↩]