Für die Anrechnung von Steuervorteilen gelten auch bei der Rückabwicklung nach Ausübung eines kreditrechtlichen Widerrufsrechts gemäß §§ 495, 355 BGB im Fall verbundener Verträge die schadensersatzrechtlichen Grundsätze des Vorteilsausgleichs entsprechend [1].

Außergewöhnlich hohe Steuervorteile, die danach im Wege der Anrechnung auf den Zahlungsanspruch des Geschädigten Berücksichtigung finden, sind anzunehmen, wenn der Anleger Verlustzuweisungen erhalten hat, die über seine Einlageleistung hinausgehen [2].
Den Unwägbarkeiten hinsichtlich der Annahme solcher außergewöhnlich hohen Steuervorteile kann im Wege einer – ggf. hilfsweise erhobenen – Feststellungs(wider)klage Rechnung getragen werden.
Für Eigenleistungen des Anlegers, die dieser an die Fondsgesellschaft gezahlt hat, gilt die bei Leistung an eine Bank gegebene tatsächliche Vermutung einer gezogenen Kapitalnutzung nicht [3].
Der Anleger muss sich auf seinen Rückabwicklungsanspruch – jedenfalls zunächst – keine Steuervorteile anrechnen lassen. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichshofs gilt zur Frage der Anrechnung von Steuervorteilen Folgendes:
Ob eine spätere Minderung oder Beseitigung des eingetretenen Vermögensschadens den Schadensersatzanspruch beeinflusst, ist nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung zu beurteilen. Danach sind Wegfall oder Minderung des Schadens nur insoweit zu berücksichtigen, als sie in einem adäquat-ursächlichen Zusammenhang zu dem schädigenden Ereignis stehen. Außerdem muss die Anrechnung dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen und darf weder den Geschädigten unzumutbar belasten noch den Schädiger unbillig entlasten. Zu solchen auf den Schadensersatzanspruch eines Geschädigten anzurechnenden Vorteilen gehören grundsätzlich auch Steuern, die der Geschädigte infolge der Schädigung erspart hat [4].
Bei der Betrachtung möglicher Steuervorteile muss allerdings auch berücksichtigt werden, ob dem Geschädigten aus der Zuerkennung eines Schadensersatzanspruchs und dessen Gestaltung steuerliche Nachteile erwachsen, sei es durch eine Nachforderung des Finanzamts, sei es durch eine Besteuerung der Schadensersatzleistung [5]. Eine Anrechnung von Steuervorteilen kommt grundsätzlich nicht in Betracht, wenn die Rückabwicklung des Erwerbs zu einer Besteuerung führt, die dem Geschädigten die erzielten Steuervorteile wieder nimmt [6]. Da das Gericht über die Höhe des Schadens unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nach freier Überzeugung zu entscheiden hat und eine exakte Errechnung von Steuervorteilen unter Gegenüberstellung der tatsächlichen mit der hypothetischen Vermögenslage angesichts der vielfältigen Besonderheiten und Möglichkeiten der konkreten Besteuerung und ihrer unterschiedlichen Entwicklung in verschiedenen Besteuerungszeiträumen häufig einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert, müssen in der Regel keine Feststellungen dazu getroffen werden, in welcher genauen Höhe sich die Versteuerung der Schadensersatzleistung auswirkt [7]. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Umstände vorhanden sind, auf deren Grundlage dem Geschädigten auch unter Berücksichtigung der Steuerbarkeit der Ersatzleistung außergewöhnlich hohe Steuervorteile verbleiben [8]. Die Darlegungs- und Beweislast für solche Umstände trägt der Schädiger; allerdings trifft den Geschädigten insoweit eine sekundäre Darlegungslast [9].
Soweit die Bank geltend macht, dass die sich aus der dargestellten Rechtsprechung des BGH ergebenden Beschränkungen bei der Durchführung des Vorteilsausgleichs allenfalls im Schadensersatzrecht zu berücksichtigen seien, nicht aber im Rahmen einer Rückabwicklung auf der Basis der Ausübung eines gesetzlichen Widerrufsrechts, vermag das OLG Stuttgart dem nicht zu folgen.
Zutreffend ist zwar, dass der BGH in diesem Zusammenhang von nicht hinnehmbaren Erschwerungen der Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs spricht; denn dem Geschädigten werde angesonnen, bereits im anhängigen Verfahren die Abtretung seiner Ansprüche aus der Beteiligung Zug um Zug gegen eine nicht vollständige Schadensersatzleistung anzubieten, obwohl er nicht den vollen ihm gebührenden Ersatz erhalte; er müsste über einen weiteren Zeitraum das Risiko tragen, dass der Schädiger die noch ausstehende Ersatzleistung erbringen wird [10]. Dem BGH geht es hier insbesondere darum, dem Geschädigten nicht das Insolvenzrisiko des Schädigers aufzubürden [11].
Allerdings hat der Bundesgerichtshof auch ausgeführt, dass die Rechtsprechung zur Anrechnung bzw. Nichtanrechnung von Steuervorteilen auch dazu diene, die Zivilgerichte in die Lage zu versetzen, über Schadensersatzansprüche abschließend zu erkennen, ohne sich mit steuerlich außerordentlich komplexen Gestaltungen im Detail auseinandersetzen und die nur schwer abzusehende künftige Besteuerung der Ersatzleistung vorwegnehmen zu müssen [12]. Diese Erwägungen gelten indes nicht nur für Schadensersatzansprüche, sondern gleichermaßen auch für Ansprüche im Rahmen einer Rückabwicklung nach den §§ 355 ff., 346 ff. BGB. So ist der BGH auch selbst schon davon ausgegangen, dass für die Rückabwicklung nach der Ausübung eines Widerrufsrechts nach dem Haustürwiderrufs-gesetz hinsichtlich der Anrechnung von Steuervorteilen nichts anderes gilt als bei einem Schadensersatzanspruch [13]. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart ist aus den vom Bundesgerichtshof dargestellten Gründen eine Gleichbehandlung insoweit auch im Falle eines verbraucherkreditrechtlichen Widerrufs geboten.
Die im entschiedenen Fall vom Anleger geltend gemachte Erstattungsleistung unterliegt der Besteuerung.
Bei den streitgegenständlichen Fonds handelt es sich um gewerblich tätige Medienfonds in Form einer KG. Laut den Prospekten erzielen die Investoren aus ihrer Beteiligung an der Fondsgesellschaft „Einkünfte aus Gewerbebetrieb“ im Sinne des § 15 EStG. Nach der Rechtsprechung des BGH sind alle Zahlungen, die ein Anleger bzw. Kommanditist im wirtschaftlichen Zusammenhang mit seiner Beteiligung an einer KG erhält, Betriebseinnahmen gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Steht auch eine Ersatzleistung in einem solchen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Kommandit-beteiligung, muss sie dem gewerblichen Bereich zugeordnet und als Betriebseinnahme nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG versteuert werden [14]. Steuerbar ist insoweit nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG der Gewinnanteil an der Kommanditgesellschaft; nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG steuerbar ist auch der hier in Betracht zu ziehende Gewinn aus der Veräußerung der Fondsanteile [15].
Soweit die Bank meint, die Rückabwicklung in Form der Rückerstattung des Eigenkapitals stelle kein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 EStG dar, mag dies zutreffen [16]. Dies kann aber nichts daran ändern, dass die Rückabwicklung des Fondserwerbs ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist [17].
Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang allerdings der bereits Vortrag der Bank, der Anleger habe in der Anfangsphase der Fonds außergewöhnlich hohe Steuervorteile erzielt; nach der Konzeption beider Fonds würden die Filmherstellungskosten sofort abzugsfähige Betriebsausgaben der Produktionsgesellschaften darstellen, welche im Ergebnis den einzelnen Gesellschaftern zugerechnet werden; insoweit würden sich für den Anleger Steuererstattungen von weit über 50 % der gesamten Einlageleistung, bezogen auf den Eigenkapitalanteil des Anlegers sogar von weit über 100 % ergeben.
Im Rahmen eines Rückabwicklungsverhältnisses, insbesondere auch eines solchen, dessen Rechtsfolgen sich nach den §§ 357, 358, 346 ff. BGB richten, sind wechselseitig die empfangenen Leistungen zurückzugewähren; die gezogenen Nutzungen sind herauszugeben bzw. Wertersatz ist zu leisten. Solche gezogenen Vorteile, die eine Bereicherung darstellen, sind vorliegend jedenfalls auch die vom Anleger möglicherweise erzielten außergewöhnlich hohen Steuervorteile, die ihm auf der Grundlage bestandskräftiger Steuerbescheide nach der Rückabwicklung eines Tages endgültig verbleiben.
Ein entsprechender Ausgleichsanspruch ist auch durch die Rechtsprechung des BGH, die die Anwendung der Vorteilsausgleichung bei Steuervorteilen nur eingeschränkt zulässt, nicht ausgeschlossen. Die Einschränkung des Vorteilsausgleichs beruht maßgeblich auf dem Umstand, dass die Durchsetzung von Rückabwicklungs- bzw. Schadensersatzansprüchen durch steuerrechtliche Probleme nicht unzumutbar erschwert werden soll. Für den Fall aber, dass dem Anleger bestandskräftig außergewöhnlich hohe Steuervorteile verbleiben sollten, ist der von der Bank mit der Eventualwiderklage beschrittene Weg zielführend [18].
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH können insoweit allerdings auch im Rahmen der vorliegenden Feststellungswiderklage nur solche Steuervorteile Berücksichtigung finden, die als außergewöhnlich hoch anzusehen sind. Dies wiederum ist nur dann anzunehmen, wenn der Anleger im Einzelfall Verlustzuweisungen erhalten hat, die über seine Einlageleistungen hinausgehen [19]. Die weitergehende Feststellungswiderklage, die auf Auskehr „sämtlicher“ endgültig verbleibender Steuervorteile gerichtet ist, war deshalb abzuweisen.
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 29. Dezember 2011 – 6 U 79/11
- Fortführung zu BGH vom 24.04.2007 – XI ZR 17/06, Tz. 23 ff.[↩]
- Anschluss an BGH vom 15.07.2010 – III ZR 336/08, Tz. 55[↩]
- Abgrenzung zu BGH vom 10.03.2009 – XI ZR 33/08, Tz. 29[↩]
- BGH vom 15.07.2010 – III ZR 336/08 Tz. 35[↩]
- BGH, a.a.O., Tz. 36[↩]
- BGH vom 17.11.2005 – III ZR 350/04; BGH vom 30.11.2007 – V ZR 284/06; BGH vom 31.05.2010 – II ZR 30/09; BGH vom 15.07.2010 – III ZR 336/08; BGH vom 20.07.2010 – XI ZR 465/07; BGH vom 01.03.2011 – XI ZR 96/09 Tz. 8[↩]
- BGH vom 01.03.2011 – XI ZR 96/09 Tz. 8[↩]
- BGH vom 17.11.2005 – III ZR 350/04; BGH vom 30.11.2007 – V ZR 284/06; BGH vom 31.05.2010 – II ZR 30/09; BGH vom 15.07.2010 – III ZR 336/08; BGH vom 01.03.2011 – XI ZR 96/09 Tz. 9[↩]
- BGH vom 15.07.2010 – III ZR 336/08 Tz. 45; BGH vom 20.07.2010 – XI ZR 465/07 Tz. 22/23[↩]
- BGH vom 15.07.2010 – III ZR 336/08 Tz. 38[↩]
- BGH vom 01.03.2011 – XI ZR 96/09 Tz. 10/11[↩]
- BGH vom 15.07.2010 – III ZR 336/08 Tz. 37[↩]
- BGH vom 24.04.2007 – XI ZR 17/06 Tz. 20 ff., insb. 27; vgl. dazu Wolters, BKR 2007, 332 ff.[↩]
- BGH vom 17.11.2005 – III ZR 350/04; BGH vom 15.07.2010 – III ZR 336/08 Tz. 36[↩]
- vgl. zur Aufgabe der Beteiligung Zug um Zug gegen die Ersatzleistung und zur Versteuerung des sog. „Aufgabegewinns“ nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG etwa BGH vom 06.11.1989 – II ZR 235/88; BGH vom 15.07.2010 – III ZR 336/08 Tz. 36, 40, 50; Podewils, DStR 2009, 752 ff., 754[↩]
- vgl. hierzu BFH vom 27.06.2006 – IX R 47/04 = BFHE 214, 267 = NJW 2006, 3743[↩]
- vgl. BGH vom 15.07.2010 – III ZR 336/08 Tz. 52[↩]
- vgl. hierzu OLG Frankfurt vom 08.12.2010 – 19 U 22/10; KG vom 14.10.2009 – 24 U 148/08[↩]
- vgl. BGH vom 15.07.2010 – III ZR 336/08 Tz. 55; ebenso Podewils, DStR 2011, 33 ff., 35; Lampe, BB 2008, 2599 ff., 2610[↩]