Die fehlgeschlagene Kapitalanlage – und die vom Wirtschaftsprüfer testierte Handelsbilanz

Aktuell hatte sich der Bundesgerichtshof erneut1 mit der Annahme eines vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtums bei der Erteilung eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks durch einen Wirtschaftsprüfer gemäß § 322 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 und 4 HGB zu befassen:

Die fehlgeschlagene Kapitalanlage – und die vom Wirtschaftsprüfer testierte Handelsbilanz

In Kapitalanlagefällen kann der Tatbestand des § 826 BGB dadurch verwirklicht werden, dass ein Prospektverantwortlicher Anlageinteressenten mittels eines fehlerhaften oder unvollständigen Prospekts zum Abschluss eines Vertrages veranlasst, den sie sonst nicht geschlossen hätten2. Erforderlich ist allerdings, dass das Verhalten des Prospektverantwortlichen als sittenwidrig zu werten ist und er mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat. Beides ist getrennt festzustellen3. Für die Annahme der Sittenwidrigkeit genügt die Verwendung eines objektiv unrichtigen Prospekts regelmäßig noch nicht4. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit hinzutreten; besondere Umstände müssen das schädigende Verhalten nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als „anständig“ Geltenden verwerflich machen5. Das Vorstandsmitglied einer Kapitalgesellschaft kann eine darauf angelegte bewusste Täuschung etwa durch Aufstellung und Veröffentlichung eines (grob) fehlerhaften Jahresabschlusses oder Zwischenabschlusses begehen, und zwar unabhängig davon, ob der Abschluss später Bestandteil eines Wertpapierprospekts geworden ist oder noch werden soll. Der gemäß § 826 BGB erforderliche Vorsatz enthält ein Wissens- und ein Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt beziehungsweise vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen; in einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt6.

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Dabei verwirft der Bundesgerichtshof jedoch die Annahme des Oberlandesgerichts Düsseldorf7, der erforderliche Vorsatz sei nicht feststellbar, weil die Wirtschaftsprüfer die maßgeblichen Jahresabschlüsse ohne Vornahme von Teilwertabschreibungen auf die Kaufpreisforderungen testiert hätten.

Stehen, wie hier, Unrichtigkeiten und Rechtsverstöße in Rede, die sich auf die Darstellung des Bildes der Vermögens, Finanz- und Ertragslage einer Kapitalgesellschaft wesentlich auswirken, kann die Erteilung eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks (§ 322 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 HGB) durch einen Abschlussprüfer (§ 319 Abs. 1 Satz 1 und 2 HGB) – von Ausnahmefällen, etwa wenn dem Jahresabschluss die Unrichtigkeit „auf der Stirn geschrieben steht“, abgesehen – zwar dazu führen, bei einem Vorstandsmitglied der Kapitalgesellschaft einen vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum anzunehmen. Das gilt aber nur für das – redliche – Vorstandsmitglied, das „alle Aufklärungen und Nachweise …, die für eine sorgfältige Prüfung notwendig sind“ (§ 320 Abs. 2 Satz 1 HGB), erteilt respektive durch nachgeordnete Mitarbeiter oder von ihm beauftragte Dritte erteilen lässt8. Die für einen solchen Irrtum – entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf – darlegungspflichtigen9 Verkäufer haben indes bislang nicht hinreichend dargetan, dass sie den Abschlussprüfern – und beratend herangezogenen Rechtsanwälten, bezüglich derer keine geringeren Anforderungen gelten – alle erforderlichen Informationen gegeben hatten, die für eine sorgfältige Prüfung der Werthaltigkeit der Kaufpreisforderungen gegen die Erwerberkommanditgesellschaften erforderlich waren10. Die gegenteilige Annahme des Oberlandesgerichts Düsseldorf lässt insoweit hinreichend tragfähige Feststellungen vermissen. Da das Oberlandesgericht im vorliegenden Fall in der Berufungsinstanz den Vortrag der Verkäufer zur Information der Abschlussprüfer und beratend hinzugezogener Rechtsanwälte – anders als der Bundesgerichtshof – als ausreichend angesehen hat, muss den Verkäufer, sollte es darauf ankommen, noch Gelegenheit gegeben werden, hierzu ergänzend vorzutragen11.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. Februar 2023 – III ZR 117/20

  1. Fortführung von BGH, Urteil vom 05.05.2022 – III ZR 131/20, WM 2022, 1267, zur Veröffentlichung in BGHZ 233, 279 vorgesehen[]
  2. stRspr, zB BGH, Urteil vom 28.06.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 12 mwN[]
  3. BGH aaO[]
  4. BGH aaO Rn. 21[]
  5. BGH aaO Rn. 16 mwN[]
  6. BGH aaO Rn. 25 mwN[]
  7. OLG Düsseldorf, Urteil vom 04.05.2020 – I9 U 27/19[]
  8. BGH, Urteil vom 05.05.2022 – III ZR 131/20, zur Veröffentlichung in BGHZ 233, 279 bestimmt, WM 2022, 1267 Rn. 30[]
  9. vgl. BGH aaO Rn. 31[]
  10. vgl. Bundesgerichtshof aaO[]
  11. vgl. BGH, Urteil vom 05.05.2022 – III ZR 135/20, WM 2022, 1273 Rn. 40; BGH, Urteile vom 08.03.2021 – VI ZR 505/19, NJW 2021, 1669 Rn. 38; und vom 21.12.2021 – VI ZR 875/20, GmbHR 2022, 354 Rn. 18[]