Einin den Geschäftsbedingungen einer Bank, wonach künftige Änderungen der Geschäftsbedingung wirksam werden, wenn der Kunde nicht innerhalb von zwei Monaten widerspricht, ist unwirksam.

Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshof auf eine Klage der Verbraucherzentrale Bundesverbandes. Anders als in den Vorinstanzen das Landgericht und das Oberlandesgericht Köln, die noch die Klage abgewiesen1 bzw. die Berufung zurückgewiesen2 hatten, entschied nunmehr der Bundesgerichtshof, dass die von der Bank für eine Vielzahl von Vertragsverhältnissen vorformulierten Klauseln
- „Künftige Änderungen dieser Geschäftsbedingungen und der besonderen Bedingungen werden dem Kunden spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in Textform angeboten. Hat der Kunde mit der Bank im Rahmen der Geschäftsbeziehung einen elektronischen Kommunikationsweg vereinbart (z.B. […] Online-Banking), können die Änderungen auch auf diesem Wege angeboten werden. Die Zustimmung des Kunden gilt als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen angezeigt hat. Auf diese Genehmigungswirkung wird ihn die Bank in ihrem Angebot besonders hinweisen. Werden dem Kunden Änderungen von Bedingungen zu Zahlungsdiensten (z. B. Überweisungsbedingungen) angeboten, kann er den von der Änderung betroffenen Zahlungsdiensterahmenvertrag vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen auch fristlos und kostenfrei kündigen. Auf dieses Kündigungsrecht wird ihn die Bank in ihrem Angebot besonders hinweisen.“
- „Änderungen von Entgelten für Bankleistungen, die von Kunden im Rahmen der Geschäftsverbindung typischerweise dauerhaft in Anspruch genommen werden (zum Beispiel Konto- und Depotführung), werden dem Kunden spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in Textform angeboten. Hat der Kunde mit der Bank im Rahmen der Geschäftsbeziehung einen elektronischen Kommunikationsweg vereinbart (z.B. das Online-Banking), können die Änderungen auch auf diesem Wege angeboten werden. Die Zustimmung des Kunden gilt als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung angezeigt hat. Auf diese Genehmigungswirkung wird ihn die Bank in ihrem Angebot besonders hinweisen. Werden dem Kunden die Änderungen angeboten, kann er den von der Änderung betroffenen Vertrag vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen auch fristlos und kostenfrei kündigen. Auf dieses Kündigungsrecht wird ihn die Bank in ihrem Angebot besonders hinweisen. Kündigt der Kunde, wird das geänderte Entgelt für die gekündigte Geschäftsbeziehung nicht zugrunde gelegt. Die vorstehende Vereinbarung gilt gegenüber Verbrauchern nur dann, wenn die Bank Entgelte für die Hauptleistungen ändern will, die vom Verbraucher im Rahmen der Geschäftsverbindung typischerweise dauerhaft in Anspruch genommen werden. Eine Vereinbarung über die Änderung eines Entgelts, das auf eine über die Hauptleistung hinausgehende Zahlung des Verbrauchers gerichtet ist, kann die Bank mit dem Verbraucher nur ausdrücklich vereinbaren.“
im Verkehr mit Verbrauchern gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sind.
Schon die Annahme des Berufungsgerichts, die vom VZBV beanstandeten Klauseln unterfielen einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht, weil § 675g BGB die Zulässigkeit von Bestimmungen über die Änderung mittels fingierten Erklärungen abschließend regele, weist Rechtsfehler auf.
Das Berufungsgericht hat bereits nicht hinreichend berücksichtigt, dass Nr. 1 (2) und Nr. 12 (5) AGB in einer Zusammenschau mit Nr. 1 (1) AGB und in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Revisionserwiderung so auszulegen sind, sie erfassten nicht nur Zahlungsdiensterahmenverträge, sondern sämtliche im Rahmen der Geschäftsverbindung geschlossenen Verträge der Bank mit ihren Kunden wie etwa das Wertpapiergeschäft oder den Sparverkehr.
Darüber hinaus hat das Berufungsgericht mit seiner Annahme unrecht, § 675g BGB sperre die Anwendung der §§ 307 ff. BGB auf Vereinbarungen über die Änderung des Zahlungsdiensterahmenvertrags, weil sie lediglich den Regelungsgehalt des § 675g BGB wiederholten. Abgesehen davon, dass eine Übereinstimmung mit § 675g BGB die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht ausschlösse, weil die Klauseln nicht nur den Mechanismus der Änderung, sondern auch deren Reichweite regeln und damit § 675g BGB ergänzen, genießt § 675g BGB keinen abschließenden Vorrang vor den §§ 307 ff. BGB.
Mit § 675g Abs. 2 BGB setzte der Gesetzgeber Art. 42 Nr. 6 Buchst. a, Art. 44 der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG3 – jetzt: im Wesentlichen wortgleich Art. 52 Nr. 6 Buchst. a, Art. 54 der Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2009/110/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG4 – in das deutsche Recht um. Nach Art. 42 Nr. 6 Buchst. a ZDR 2007 – jetzt: Art. 52 Nr. 6 Buchst. a ZDR 2015 – stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass dem Zahlungsdienstnutzer – soweit vereinbart – mitgeteilt wird, seine Zustimmung zu einer Änderung der Bedingungen des Zahlungsdiensterahmenvertrags nach Art. 44 Abs. 1 Unterabs. 2 ZDR 2007 – jetzt: Art. 54 Abs. 1 Unterabs. 2 ZDR 2015 – gelte als erteilt, wenn er dem Zahlungsdienstleister seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Inkrafttretens der geänderten Bedingungen angezeigt habe. Nach Art. 44 Abs. 1 Unterabs. 2 ZDR 2007- jetzt: Art. 54 Abs. 1 Unterabs. 2 ZDR 2015 – wiederum muss der Zahlungsdienstleister, sofern dies nach Art. 42 Nr. 6 Buchst. a ZDR 2007 – jetzt: Art. 52 Nr. 6 Buchst. a ZDR 2015 vereinbart ist, den Zahlungsdienstnutzer davon in Kenntnis setzen, dass seine Zustimmung zu den Änderungen als erteilt gilt, wenn er dem Zahlungsdienstleister seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Inkrafttretens der geänderten Bedingungen angezeigt hat.
Diesen Regelungen des Unionsrechts liegt die in Erwägungsgrund 55 der Richtlinie (EU) 2015/2366 dokumentierte Entscheidung des europäischen Normgebers zugrunde, dass die Anwendung anderer Vorgaben des Unionsrechts, die den Verbraucherschutz betreffen, von den Vorgaben des unionsrechtlichen Zahlungsdiensterechts nicht verdrängt wird. Handelt es sich bei dem Zahlungsdienstnutzer um einen Verbraucher, sind mithin neben den Vorgaben des Unionsrechts zum Zahlungsdiensterecht auch die Vorgaben der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 05.04.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen5 anwendbar6.
Im Lichte dieser durch den Gerichtshof nach Erlass des Berufungsurteils geklärten unionsrechtlichen Vorgaben ist § 675g Abs. 2 Satz 1 BGB so auszulegen, dass er einer Überprüfung von auf seiner Grundlage erlassenen Klauseln anhand der §§ 307 ff. BGB nicht entgegensteht.
Aus dem Wortlaut des § 675g Abs. 2 Satz 1 BGB, der sich darauf beschränkt, die Möglichkeit zu eröffnen, Vertragsänderungen mittels einer fingierten Zustimmung des Verbrauchers nach näheren Kautelen zu ermöglichen, ergibt sich nicht, dass solche Vereinbarungen, soweit sie nur den formalen Anforderungen entsprechen, ohne weiteres wirksam sein sollen.
Die Systematik des Zahlungsdiensterechts spricht für die vom Gesetzgeber gewollte ergänzende Anwendung sonstiger verbraucherschützender Regelungen. Nach § 675e Abs. 1 und 4 BGB sind die Vorgaben des § 675g Abs. 2 Satz 1 BGB als Mindestvorgaben nur im Verhältnis zu Verbrauchern zwingend. Auch § 42 Abs. 2 Nr. 4 ZKG lässt sich entgegen der Rechtsmeinung der Revisionserwiderung kein systematisches Argument für die Auffassung entnehmen, § 675g BGB erlaube allenfalls eine Kontrolle der eingeführten Klausel selbst, nicht dagegen eine Kontrolle des Vertragsänderungsmechanismus7. Das auf den Basiskontovertrag bezogene Kündigungsrecht des kontoführenden Instituts knüpft lediglich formal an § 675g BGB an, ohne über die Reichweite der wirksamen Vereinbarung einer Zustimmungsfiktion im Falle einer fehlenden fristgerechten Ablehnung Aussagen zu treffen.
Auch aus der Gesetzgebungsgeschichte ergibt sich keine Entscheidung des Gesetzgebers zugunsten einer voraussetzungslosen Wirksamkeit einer den formalen Anforderungen des § 675g BGB genügenden Klausel. Zwar hat der Gesetzgeber angenommen, eine Vereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die den Vorgaben des § 675g BGB Rechnung trage, sei nicht nach § 308 Nr. 5 BGB unwirksam8. Damit hat er freilich vorausgesetzt, dass § 675g Abs. 2 Satz 1 BGB keine die §§ 307 ff. BGB generell verdrängende Spezialregelung ist9, zumal in der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit langem geklärt ist, dass die Einhaltung von § 308 Nr. 5 BGB die Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB im Übrigen nicht ausschließt, sondern vielmehr die vom Verwender beanspruchten Wirkungen der fingierten Erklärung den Kriterien dieser Bestimmungen standhalten müssen10. Die mehrheitliche Ablehnung einer „gesetzliche[n] Deckelung“ von Entgelten durch den Finanzausschuss im Zuge der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/236611 betraf nicht die Frage der Anwendung der §§ 307 ff. BGB und lässt keinen Schluss auf ein Rangverhältnis der gesetzlichen Regelungen zu12.
Weil das Berufungsgericht die §§ 307 ff. BGB rechtsfehlerhaft für nicht anwendbar gehalten hat, hat es zugleich verkannt, dass Nr. 1 (2) AGB einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht standhält.
Nr. 1 (2) AGB betrifft Änderungen „dieser“ Geschäftsbedingungen, also der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die zugleich mit Nr. 1 (2) AGB vereinbart werden, und Änderungen (künftiger) „besonderer Bedingungen“ für einzelne gesondert vereinbarte Geschäftszweige, die wie oben ausgeführt gemäß Nr. 1 (1) AGB das gesamte Tätigkeitsspektrum der Bank umfassen. Nr. 1 (2) AGB ist so auszulegen, dass sich die für „diese“ Geschäftsbedingungen und die für sonstige „besondere Bedingungen“ vereinbarte Zustimmungsfiktion im Falle einer fehlenden fristgerechten Ablehnung in ihrem Absatz 2 Satz 2 nicht nur auf Geschäftsbeziehungen mit einem vereinbarten elektronischen Kommunikationsweg bezieht, sondern sämtliche Geschäftsbeziehungen erfasst sind. Außerdem betrifft Nr. 1 (2) AGB nicht nur Anpassungen von einzelnen Details der vertraglichen Beziehungen der Parteien mittels einer fingierten Zustimmung des Kunden, sondern ohne inhaltliche oder gegenständliche Beschränkung jede vertragliche Änderungsvereinbarung einschließlich einer Änderung des Regelungsgegenstands der Nr. 12 AGB. Die Revisionserwiderung hebt selbst hervor, „der Kreis der möglichen Änderungen“ könne „angesichts der Vielfalt und Unvorhersehbarkeit denkbarer Entwicklungen nicht sinnvollerweise im Vorhinein eingegrenzt werden“ und sei damit auch nicht eingegrenzt. Das Interesse, die Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Hilfe einer Zustimmungsfiktion im Falle einer fehlenden fristgerechten Ablehnung vereinbaren zu können, bestehe „grundsätzlich bezüglich jeder denkbaren Vertragsänderung, die zulässigerweise vereinbart werden“ könne. Das entspricht der Einlassung der Bank, die Klausel eröffne über die „besonderen Bedingungen“ auch eine Konkretisierung des „Leistungsprogramm[s]“.
Unbeschadet der Frage, ob und inwieweit der Wirksamkeit einer so weit gefassten Klausel § 312a Abs. 3 Satz 1 BGB entgegenstünde, hält die Klausel schon nach allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen einer Inhaltskontrolle anhand des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand. Das gilt auch unter Berücksichtigung des von der Revisionserwiderung hervorgehobenen Umstands, dass die Klausel der Bank keine Befugnis zu einer einseitigen Änderung einräumt, sondern Änderungen des Vertragsverhältnisses nur im Wege eines – gegebenenfalls fingierten – Konsenses zustande kommen sollen.
Nr. 1 (2) AGB weicht von wesentlichen Grundgedanken der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB ab, indem sie das Schweigen des Verwendungsgegners als Annahme eines Vertragsänderungsantrags qualifiziert.
Diese Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung benachteiligt die Kunden der Bank unangemessen nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders wird vermutet, wenn eine klauselmäßige Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gegeben ist13. Diese Vermutung ist widerlegt, wenn die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild auf Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung sachlich gerechtfertigt und der gesetzliche Schutzzweck auf andere Weise sichergestellt ist14.
Danach ist die Vermutung hier nicht widerlegt.
Nr. 1 (2) AGB bietet eine Handhabe, unter Zuhilfenahme einer Zustimmungsfiktion im Falle einer fehlenden fristgerechten Ablehnung das Vertragsgefüge insgesamt umzugestalten15. Der Verbraucher muss nicht für, sondern gegen die von der Bank gewünschte Vertragsänderung aktiv werden. Aus welchen Gründen (Lethargie, Desinteresse, intellektuelle Überforderung, Unbeholfenheit, Krankheit oder tatsächliches Einverständnis) er untätig bleibt, hat auf die Rechtswirkungen der Klausel keinen Einfluss. Die Klausel läuft deshalb gerade gegenüber ungewandten Verbrauchern tatsächlich auf eine einseitige, inhaltlich nicht eingegrenzte Änderungsbefugnis der Bank hinaus.
Dass „vereinbarte“ Änderungen ihrerseits der Ausübungskontrolle unterliegen, gleicht diesen Umstand nicht aus16. Schon die Prämisse, eine mittels Zustimmungsfiktion eingeführte Klausel könne ihrerseits anhand der §§ 307 ff. BGB überprüft werden, gilt keineswegs allgemein. Gerade Änderungen, die unmittelbar die vertraglichen Hauptleistungspflichten betreffen, sind, worauf der VZBV in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof zutreffend hingewiesen hat, nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB grundsätzlich der Inhaltskontrolle entzogen17. Damit liegt in der Ausübungskontrolle schon in den Fällen, die besonders tiefgreifend in das Vertragsgefüge eingreifen, kein Umstand, der die Interessenabwägung zugunsten der Bank beeinflussen könnte. Auch im Übrigen gilt, dass für jedwede weitreichenden, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffenden Änderungen, die dem Abschluss eines neuen Vertrags gleichkommen können, ein den Erfordernissen der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB genügender Änderungsvertrag notwendig ist18.
In der Vereinbarung einer mit den Gewährleistungen des § 675g BGB versehenen Zustimmungsfiktion liegt auch keine bei der Bewertung nach § 307 BGB beachtliche Besserstellung des Kunden gegenüber den sonst nach § 305 BGB geltenden Voraussetzungen, die die Interessenabwägung zugunsten der Bank beeinflussen könnte19.
Das nach § 675g Abs. 2 Satz 2 BGB gewährte außerordentliche Kündigungsrecht bietet gegenüber der Ablehnung der Änderung für den am Fortbestand des Vertrags interessierten Kunden keine Vorteile20. Dass das Schweigen im Rechtsverkehr nur dann in Betracht kommt, wenn besondere Umstände zu Gunsten des anderen Teils dies rechtfertigen21, dient gerade dem Schutz des Kunden. Dass sich ein Kunde aus anderen Gründen vom Vertrag lösen will und die Änderung nur beiläufig zum Anlass nimmt, dies zu tun, steht mit dem Mechanismus der Vertragsänderung nicht in einem die Interessenabwägung bestimmenden Zusammenhang.
Eine Zustimmungsfiktion als solche bietet auch keinen Gewinn an Rechtssicherheit. Es steht dem Verwender, der in seinem und im Interesse des Kunden über den Zeitpunkt des Wirksamwerdens einer Vertragsänderung Gewissheit erlangen will, frei, Änderungen von einer Reichweite, für die eine Zustimmungsfiktion nicht in Betracht kommt, mit einem an die in § 675g Abs. 2, § 308 Nr. 5 BGB genannten Fristen angelehnten Anfangstermin anzubieten und damit für den Beginn der Vertragsänderung Rechtssicherheit zu schaffen.
Auch bankbetriebswirtschaftliche Erwägungen vermögen die einschränkungslose Regelung von Änderungen Allgemeiner Geschäftsbedingungen mittels Zustimmungsfiktion im Falle einer fehlenden fristgerechten Ablehnung nicht zu rechtfertigen.
Dem legitimen organisatorischen Bedürfnis des Unternehmers nach einer einfachen Vertragsabwicklung22, deren es ohnehin stets bedarf, um ein berechtigtes Interesse des Verwenders an der Erklärungsfiktion zu begründen23, kann durch eine einschränkend-konkretisierende Formulierung der Klausel Rechnung getragen werden.
In der Literatur geäußerte Befürchtungen24 im Hinblick auf mögliche Unsicherheiten für die Kreditwirtschaft ändern an dieser Bewertung nichts. Die Ursachen für diese Unsicherheiten liegen hier im Verantwortungsbereich des Verwenders, der die unwirksame Änderungsklausel eingeführt und die Vertragsänderung angetragen hat, und nicht im Verantwortungsbereich seines Vertragspartners.
Verfassungsrechtliche Erwägungen, insbesondere Gründe des Vertrauensschutzes, stehen der Annahme, Nr. 1 (2) AGB sei unwirksam, nicht entgegen.
Solche Gründe kann die Bank nicht mit dem Argument herleiten, Klauseln, die für Änderungen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Zustimmungsfiktionen im Falle einer fehlenden fristgerechten Ablehnung vorsähen, seien in der höchstrichterlichen Rechtsprechung in der Vergangenheit unbeanstandet geblieben. Dem Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist, soweit sich Klauseln aufgrund einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung als unwirksam erweisen, im Allgemeinen kein Vertrauensschutz zuzubilligen. Höchstrichterliche Urteile sind kein Gesetzesrecht und erzeugen damit keine vergleichbare Rechtsbindung. Gerichtliche Entscheidungen, die die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts betreffen, wirken schon ihrer Natur nach auf einen in der Vergangenheit liegenden, in seiner rechtlichen Bewertung noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt ein. Für diese grundsätzlich zulässige so genannte unechte Rückwirkung können sich zwar im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes Schranken aus dem Prinzip der Rechtssicherheit ergeben. Das Risiko, dass eine zunächst unbeanstandet gebliebene Allgemeine Geschäftsbedingung in späteren höchstrichterlichen Entscheidungen wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners als unwirksam beurteilt wird, trägt aber grundsätzlich der Verwender25.
Davon abgesehen lässt sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine ausdrückliche Billigung von entsprechenden Klauseln nicht entnehmen. Weder bei Erlass seines Urteils vom 20.07.201026 noch bei Erlass seines Urteils vom 14.05.201927 hatte der Bundesgerichtshof Anlass, zur Wirksamkeit von Zustimmungsfiktionsklauseln Stellung zu nehmen, und hat dies auch nicht getan28.
Aufgrund seines Fehlschlusses, die Klauseln seien nicht kontrollfähig, hat das Berufungsgericht auch verkannt, dass die als Preisanpassungsklausel uneingeschränkt kontrollfähige29 Nr. 12 (5) AGB unwirksam ist.
Nr. 12 (5) AGB hält einer Inhaltskontrolle nicht stand. Die Klausel betrifft, was die Revisionserwiderung einräumt, Entgelte für Hauptleistungen. Damit benachteiligt die Klausel auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass keine einseitige Anpassungsbefugnis der Bank besteht, sondern Änderungen des Vertragsverhältnisses nur im Wege eines – gegebenenfalls fingierten – Konsenses zustande kommen sollen, die Kunden der Bank entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB). Mittels Zustimmungsfiktion kann die vom Kunden geschuldete Hauptleistung geändert werden, ohne dass dafür Einschränkungen vorgesehen sind. Die Bank erhält damit eine Handhabe, das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung erheblich zu ihren Gunsten zu verschieben und damit die Position ihres Vertragspartners zu entwerten. Für solche weitreichenden, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffenden Änderungen ist, wie oben ausgeführt, ein den Erfordernissen der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB genügender Änderungsvertrag notwendig. Eine Zustimmungsfiktion im Falle einer fehlenden fristgerechten Ablehnung reicht hierfür unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Verwendungsgegners nicht aus30.
Die angegriffenen Klauseln sind auch nicht jeweils in dem Sinne teilbar, dass die dort vorgesehenen Regelungen zur Kündigung des Kunden aufrechterhalten werden können.
Die Aufspaltung einer Klausel in unwirksame und wirksame Bestandteile ist nur dann zulässig, wenn es sich um äußerlich zusammengefasste Regelungen handelt, die sinnvoll voneinander trennbar und jeweils aus sich heraus verständlich sind31. Eine solche Aufteilung ist im vorliegenden Fall nicht möglich, weil die Regelungen zur Kündigung untrennbar mit dem auf eine Vereinbarung durch Zustimmungsfiktion gerichteten Angebot der Bank verknüpft sind.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. April 2021 – XI ZR 26/20
- LG Köln, Urteil vom 12.06.2018 – 21 O 351/17, WM 2020, 878 ff.[↩]
- OLG Köln, Urteil vom 1912.2019 – 12 U 87/18[↩]
- ABl. Nr. L 319 vom 05.12.2007, S. 1, künftig auch: ZDR 2007[↩]
- ABl. Nr. L 337 vom 23.12.2015, S. 35, künftig auch ZDR 2015[↩]
- ABl. Nr. L 95 vom 21.04.1993, S. 29[↩]
- EuGH, Urteil vom 11.11.2020 – C-287/19, „DenizBank“, WM 2020, 2218 Rn. 62 und 64[↩]
- so aber Habersack, BKR 2020, 53, 56 f.[↩]
- BT-Drs. 16/11643, S. 103[↩]
- im Ergebnis ebenso Feldhusen, WM 2020, 397, 402; Grigoleit, ÖBA 2020, 460, 465; jetzt auch Rodi, EWiR 2020, 737, 738; aA Edelmann, WuB 2020, 452 f.; BeckOGK BGB/Foerster, Stand: 1.01.2021, § 675g Rn. 38; Habersack, BKR 2020, 53, 57; Kropf/Habl, BKR 2014, 145, 150; Piekenbrock/Rodi, RdZ 2020, 172, 175; Graf von Westphalen, BB 2020, 2900[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2007 – III ZR 63/07, WM 2007, 2202 Rn. 30[↩]
- BT-Drs. 18/12568, S. 154, gegen BT-Drs. 18/12367, S. 3[↩]
- so aber Habersack, BKR 2020, 53, 55; Piekenbrock/Rodi, RdZ 2020, 172, 175[↩]
- BGH, Urteile vom 18.05.1999 – XI ZR 219/98, BGHZ 141, 380, 390; und vom 13.05.2014 – XI ZR 405/12, BGHZ 201, 168 Rn. 69[↩]
- BGH, Urteil vom 14.01.2014 – XI ZR 355/12, BGHZ 199, 355 Rn. 45 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2007 – III ZR 63/07, WM 2007, 2202 Rn. 31 ff.[↩]
- aA Edelmann, WuB 2020, 452; FoglarDeinhardstein, VbR 2021, 9, 10; Grigoleit, ÖBA 2020, 460, 466 f.; Habersack, BKR 2020, 53, 57/59 f.; Hölldampf, WuB 2021, 107; Koch, ÖBA 2021, 130, 132; Piekenbrock/Rodi, RdZ 2020, 172, 175; Schmidt-Kessel/Rank, WM 2018, 2205, 2207; vgl. auch Osburg, VuR 2019, 465, 467[↩]
- st. Rspr., vgl. zuletzt nur BGH, Urteile vom 18.06.2019 – XI ZR 768/17, BGHZ 222, 240 Rn. 23; vom 10.09.2019 – XI ZR 7/19, BGHZ 223, 130 Rn. 16; und vom 30.06.2020 – XI ZR 119/19, BGHZ 226, 197 Rn. 16[↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 11.11.2020 – C-287/19 „DenizBank“, WM 2020, 2218 Rn. 47; BGH, Urteil vom 11.10.2007 – III ZR 63/07, WM 2007, 2202 Rn. 32[↩]
- so aber Habersack, BKR 2020, 53, 58 f.; in diese Richtung auch Linardatos, EWiR 2020, 353, 354[↩]
- so richtig Grigoleit, ÖBA 2020, 460, 469[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2007 – VI ZR 62/07, NJW 2008, 915 Rn. 13[↩]
- Bollenberger, ÖBA 2017, 741, 744 ff.; Schopper, VbR 2017, 75; auch Hölldampf, WuB 2021, 107 f.; Homberger, EWiR 2019, 227, 228; Zahrte, BKR 2021, 79, 83; Osburg, VuR 2019, 465, 467 zu einer entsprechenden Regelung der Bausparkassen[↩]
- BGH, Urteil vom 28.01.2014 – XI ZR 424/12, BGHZ 200, 121 Rn. 22 mwN[↩]
- Zahrte, BKR 2021, 79, 83[↩]
- BGH, Urteil vom 13.05.2014 – XI ZR 405/12, BGHZ 201, 168 Rn. 88[↩]
- BGH, Urteil vom 20.07.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 Rn. 37 ff.[↩]
- BGH, Urteil vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74 Rn. 34[↩]
- so aber Edelmann, WuB 2020, 452, 453; Habersack, BKR 2020, 53, 59; Hölldampf, WuB 2021, 107[↩]
- vgl. nur BGH, Urteil vom 21.04.2009 – XI ZR 78/08, BGHZ 180, 257 Rn. 17[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2007 – III ZR 63/07, WM 2007, 2202 Rn. 31 f.; zustimmend Langer, VbR 2020, 44, 45 Fn. 13; für die Wirksamkeit von Nr. 12 Abs. 5 AGB-Banken und Nr. 17 Abs. 6 AGB-Sparkassen dagegen BeckOGK BGB/Weiler, Stand: 1.03.2021, § 308 Nr. 5 Rn. 139[↩]
- BGH, Urteil vom 29.03.1994 – XI ZR 69/93, BGHZ 125, 343, 348[↩]