Die Haftung des Anlageberaters – und die ersparten Steuern

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind ersparte Steuern grundsätzlich im Rahmen der Vorteilsausgleichung auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen. Eine solche Anrechnung kommt aber nicht in Betracht, wenn die Schadensersatzleistung ihrerseits zu einer Besteuerung führt, die dem Geschädigten die erzielten Steuervorteile wieder nimmt1.

Die Haftung des Anlageberaters – und die ersparten Steuern

Da das Gericht über die Höhe des Schadens unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach freier Überzeugung zu entscheiden hat (§ 287 Abs. 1 ZPO) und eine exakte Errechnung von Steuervorteilen unter Gegenüberstellung der tatsächlichen mit der hypothetischen Vermögenslage angesichts der vielfältigen Besonderheiten der konkreten Besteuerung häufig einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert, müssen in der Regel keine Feststellungen dazu getroffen werden, in welcher genauen Höhe sich die Versteuerung der Schadensersatzleistung auswirkt2.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Schädiger Umstände darlegt, auf deren Grundlage dem Geschädigten auch unter Berücksichtigung der Steuerbarkeit der Ersatzleistung derart außergewöhnlich hohe Steuervorteile verbleiben, dass es unbillig wäre, ihm diese zu belassen3. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen anrechenbarer außergewöhnlicher Steuervorteile trägt der Schädiger4.

Hat der geschädigte Anleger Verlustzuweisungen steuermindernd geltend gemacht, sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, unabhängig von deren Höhe, außergewöhnliche Steuervorteile zu verneinen, wenn der Anleger in Folge der Rückabwicklung der Fondsbeteiligung dieselben Beträge zu versteuern hat, auf deren Grundlage er zuvor Steuervorteile erlangt hat5. Zu berücksichtigen sind insoweit nicht lediglich die erstmalige Verlustzuweisung einerseits und die Besteuerung der Rückabwicklung andererseits, sondern darüber hinaus auch sämtliche weiteren steuerwirksamen Gewinn- und Verlustanteile des Anlegers während der Dauer seiner Beteiligung6. Dazu gehören auch steuerliche Nachteile, die dem geschädigten Anleger im Zusammenhang mit der Zug um Zug gegen die Schadensersatzleistung vorgesehenen Übertragung der Kapitalanlage entstehen7. Solche Nachteile können insbesondere durch die mit der Übertragung der Fondsbeteiligung verbundene „Übernahme“ eines negativen Kapitalkontos durch den Schädiger entstehen, weil der Anleger hierdurch einen Gewinn erzielt, den er versteuern muss8.

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Wie der Bundesgerichtshof mit Urteilen vom 28.01.20149 für denselben Fonds entschieden und im Einzelnen begründet hat, entsteht ein solches negatives Kapitalkonto bei Fondskonstruktionen der vorliegenden Art, bei denen die Anleger Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen und damit der Einkommensbesteuerung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG unterliegen, in erster Linie durch die anfänglichen Verlustzuweisungen. Es kann sich durch weitere im laufenden Geschäftsbetrieb anfallende Verluste weiter erhöhen, aber auch wie nach der vorliegenden Fondskonzeption durch nicht ausgeschüttete Gewinne wieder verringern und sogar positiv werden10. Die Übertragung des Fondsanteils ist für den geschädigten Anleger ein steuerbarer Vorgang, der im Fall eines negativen Kapitalkontos zu einem Gewinn führt, den er versteuern muss11.

Für die Frage des Vorliegens eines außergewöhnlichen Steuervorteils kann nicht isoliert auf einen Vergleich zwischen der Verlustzuweisung für betreffende Jahr und der tatsächlichen Einlageleistung (zuzüglich Agio) abgestellt werde. Vielmehr ist eine Gesamtbetrachtung sämtlicher steuer- und schadensrechtlich relevanter Zahlungsströme vorzunehmen.

Im vorliegenden Fall unterliegt danach die vom Anlageberater geschuldete Schadensersatzleistung beim Anleger der Einkommensbesteuerung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, weil er aus der Beteiligung an dem Medienfonds Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Ob die Rückabwicklung der Fondsbeteiligung die Voraussetzungen einer Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. Abs. 3 Satz 1 EStG erfüllt, kann dahinstehen. Die Steuerbarkeit der Ersatzleistung ergibt sich bereits aus den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften; § 16 EStG hat insoweit lediglich klarstellende Funktion12.

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Daneben stellt auch die im Rahmen der Rückabwicklung der Fondsbeteiligung erfolgende „Übernahme“ eines etwaigen negativen Kapitalkontos durch den Anlageberater einen steuerpflichtigen Gewinn nach § 16 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 EStG dar, wodurch der dem Anleer insoweit ursprünglich zugeflossene Steuervorteil aus den Verlustzuweisungen wieder rückgängig gemacht wird. Ob und in welcher Höhe vorliegend (noch) ein negatives Kapitalkonto besteht, ist zwar nicht festgestellt und lässt sich auch dem Vorbringen der Parteien nicht entnehmen. Darauf kommt es aber – wie oben dargelegt – nicht an. Insbesondere ergibt sich nichts anderes aus dem Umstand, dass die Verlustzuweisungen die Einlageleistung des Anlegers erheblich übersteigen. Ein dadurch entstandener und gegebenenfalls noch bestehender negativer Kapitalsaldo des Anlegers unterläge als Teil des Veräußerungsgewinns der Besteuerung, wodurch der (noch bestehende) steuerliche Vorteil aus den Verlustzuweisungen kompensiert würde.

Im Gegenzug trifft den Anleger gegenüber dem Anlageberater keine Verpflichtung, seine aus der Fondsbeteiligung gezogenen Steuervorteile einschließlich einer etwaigen Besteuerung der Schadensersatzleistung darzulegen und nach Besteuerung der Schadensersatzleistung vorliegende Steuervorteile an den Anlageberater herauszugeben.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt zwar ein Anspruch des Schädigers auf Herausgabe der dem Geschädigten zukünftig zufließenden anrechenbaren Vorteile, die bei der Bemessung des Ersatzanspruchs noch nicht berücksichtigt werden konnten, in Betracht13. Ein solcher Anspruch steht der Beklagten hier jedoch nicht zu. Aufgrund der pauschalierenden Betrachtungsweise bei der Bemessung des Ersatzanspruchs scheidet eine „Herausgabe“ steuerlicher Vorteile, die der Anleger aus seiner Beteiligung an einem Filmfonds erlangt hat, aus, wenn die entsprechende Ersatzleistung wie hier ihrerseits der Besteuerung unterworfen ist14. Weitergehende Ansprüche der einen oder der anderen Partei des Abwicklungsschuldverhältnisses bestehen auch dann nicht, wenn und sobald eine endgültige Gegenüberstellung der steuerlichen Vor- und Nachteile möglich ist, weil es sich insoweit um einzelne Elemente des einheitlich zu behandelnden Rückabwicklungsanspruchs des Klägers handelt, über deren Bestehen oder Nichtbestehen bereits mit der Klage zu entscheiden ist15. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts würde dem Zweck der pauschalisierenden Betrachtungsweise, dem Zivilgericht unter Außerachtlassung der vielfältigen Besonderheiten der konkreten Besteuerung zu ermöglichen, einmalig und abschließend über den Ersatzanspruch zu entscheiden16, zuwiderlaufen. Die Herausgabe dieser Vorteile durch den Anleger hätte insbesondere steuerrechtliche Auswirkungen, die wiederum zivilrechtlich nachvollzogen werden müssten17. Damit zwangsläufig einhergehende Unschärfen sind im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO hinzunehmen18. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Anleger in Zukunft noch derart außergewöhnliche Steuervorteile erzielen wird, dass es unbillig wäre, ihm diese zu belassen19. Hierfür ist der Anlageberater darlegungs- und beweisbelastet.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 23. September 2014 – XI ZR 215/13

  1. vgl. nur BGH, Urteile vom 18.12 1969 – VII ZR 121/67, BGHZ 53, 132, 134; vom 22.03.1979 – VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103, 114; vom 15.07.2010 – III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rn. 35 f.; und vom 28.01.2014 – XI ZR 495/12, BGHZ 200, 110 Rn. 11[]
  2. BGH, Urteile vom 15.07.2010 – III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rn. 36 f.; und vom 01.03.2011 – XI ZR 96/09, WM 2011, 740 Rn. 8; jeweils mwN[]
  3. st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 15.07.2010 – III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rn. 36 f., 45 f.; vom 23.04.2012 – II ZR 75/10, WM 2012, 1293 Rn. 43; und vom 28.01.2014 – XI ZR 495/12, BGHZ 200, 110 Rn. 11[]
  4. BGH, Urteile vom 31.05.2010 – II ZR 30/09, WM 2010, 1310 Rn. 26; vom 15.07.2010 – III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rn. 45; und vom 28.01.2014 – XI ZR 495/12, BGHZ 200, 110 Rn. 11[]
  5. BGH, Urteil vom 15.07.2010 – III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rn. 55; und vom 28.01.2014 – XI ZR 495/12, BGHZ 200, 110 Rn. 14[]
  6. BGH, Urteil vom 15.07.2010 – III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rn. 50[]
  7. vgl. BGH, Urteile vom 22.03.1979 – VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103, 114; vom 15.07.2010 – III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rn. 36; und vom 28.01.2014 – XI ZR 495/12, BGHZ 200, 110 Rn. 14 mwN[]
  8. vgl. BGH, Urteile vom 22.03.1979 – VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103, 114; vom 09.12 1987 IVa ZR 204/86, WM 1988, 220, 221; und vom 06.11.1989 – II ZR 235/88, WM 1989, 1925 f., jeweils mwN; vgl. auch BFHE 132, 244, 255 f., BFH, BStBl – II 1981, 795, 798[]
  9. XI ZR 495/12, BGHZ 200, 110 Rn. 11 ff.; – XI ZR 42/13, BKR 2014, 247 Rn. 14 ff.; – XI ZR 49/13 11 ff.[]
  10. BGH, Urteil vom 28.01.2014 – XI ZR 495/12, BGHZ 200, 110 Rn. 15[]
  11. BGH, Urteil aaO Rn. 16[]
  12. BFH, BStBl – II 1989, 543, 544; Schmidt/Wacker, EStG, 32. Aufl., § 16 Rn. 6[]
  13. BGH, Urteile vom 23.04.2012 – II ZR 75/10, WM 2012, 1293 Rn. 41 f.; und vom 28.01.2014 – XI ZR 42/13, BKR 2014, 247 Rn. 28[]
  14. vgl. BGH, Urteile vom 23.04.2012 – II ZR 75/10, WM 2012, 1293 Rn. 43; und vom 28.01.2014 – XI ZR 42/13, BKR 2014, 247 Rn. 28[]
  15. vgl. BGH, Urteile vom 23.04.2012 – II ZR 75/10, WM 2012, 1293 Rn. 40; und vom 28.01.2014 – XI ZR 42/13, BKR 2014, 247 Rn. 28[]
  16. vgl. BGH, Urteile vom 15.07.2010 – III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rn. 36 f., 39; und vom 28.01.2014 – XI ZR 42/13, BKR 2014, 247 Rn. 28[]
  17. vgl. BGH, Urteile vom 18.12 1969 – VII ZR 121/67, BGHZ 53, 132, 138; und vom 28.01.2014 – XI ZR 42/13, BKR 2014, 247 Rn. 28[]
  18. BGH, Urteil vom 28.01.2014 – XI ZR 42/13, BKR 2014, 247 Rn. 28 mwN[]
  19. vgl. BGH, Urteil vom 23.04.2012 – II ZR 75/10, WM 2012, 1293 Rn. 42 ff. mwN[]
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