Zu den Anforderungen an die Schlüssigkeit und Substantiiertheit der Darlegung des Anlegers zu den von ihm geltend gemachten Pflichtverletzungen des Anlageberaters (beziehungsweise Anlagevermittlers) sah sich jetzt der Bundesgerichtshof veranlasst, Stellung zu nehmen:

Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Das Gericht muss anhand des Parteivortrags beurteilen können, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen erfüllt sind. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen, die etwa den Zeitpunkt und den Vorgang bestimmter Ereignisse betreffen, nicht verlangt werden; es ist dann vielmehr Sache des Tatrichters, bei der Beweisaufnahme die benannten Zeugen nach Einzelheiten zu befragen, die ihm für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Bekundungen erforderlich erscheinen1. Im Interesse der Wahrung des Grundrechts aus Art. 103 Abs. 1 GG darf das Gericht keine überspannten Anforderungen an die Darlegung stellen2.
Der klageführende Anleger ist – zumal nach Ablauf längerer Zeit – nicht gehalten, die genauen Formulierungen darzustellen, die der beklagte Anlageberater oder vermittler beim Anlagegespräch gewählt hat. Es genügt, wenn er die (behaupteten) Angaben und Versäumnisse des Beraters oder Vermittlers in ihrem inhaltlichen Kerngehalt wiedergibt. Zwar ist dem Berufungsgericht einzuräumen, dass es in Anlegerschutzprozessen nicht selten zu beobachten ist, dass „standardisierte“, offenbar aus Textbausteinen zusammengesetzte Schriftsätze eingereicht werden, denen es am nötigen Bezug auf den konkreten Fall und den ihm zugrunde liegenden spezifischen Sachverhalt fehlt. Für die Schlüssigkeit seiner Schadensersatzklage muss der Anleger darlegen, dass und in welcher Weise gerade der von ihm verklagte Anlageberater oder Anlagevermittler fehlerhaft beraten oder falsche oder ungenügende Auskünfte gegeben hat. Diesen Erfordernissen hat das Vorbringen des Klägers jedoch Genüge getan. Neben längeren allgemein gehaltenen Passagen enthalten die vom Kläger eingereichten Schriftsätze auch Vortrag zum konkreten Fallgeschehen (darunter auch Angaben zu seinem Vorwissen und zu der Anbahnungssituation).
Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Dezember 2012 – III ZR 66/12
- s. zu alldem BGH, Beschlüsse vom 11.05.2010 – VIII ZR 212/07, NJW-RR 2010, 1217, 1218 f Rn. 11; vom 07.12.2009 – II ZR 229/08, NJW-RR 2010, 246, 247 Rn. 3 mwN; vom 09.02.2009 – II ZR 77/08, NJW 2009, 2137 Rn. 4; vom 02.06.2008 – II ZR 121/07, NJW-RR 2008, 1311 Rn. 2 und vom 21.05.2007 – II ZR 266/04, NJW-RR 2007, 1409, 1410 Rn. 8; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 138 Rn. 7b und vor § 253 Rn. 23[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 11.05.2010 aaO Rn. 10 f; vom 07.12.2009 aaO Rn. 2 f; vom 09.02.2009 aaO und vom 02.06.2008 aaO[↩]