Bei einem Prämiensparvertrag, bei dem die Prämien auf die Sparbeiträge nach dem Verhältnis des Sparguthabens zur Jahressparleistung steigen (sogenannte Verhältnisprämienstaffel), ist das Recht der Sparkasse zur ordentlichen Kündigung nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen1. Durch vertraglich zulässige Kontoabhebungen kann der Sparer die Dauer des Kündigungsausschlusses nicht einseitig verlängern.

Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshof für einen im Januar 2001 abgeschlossenen Sparvertrag, auf den in zeitlicher Hinsicht gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB im Grundsatz das Bürgerliche Gesetzbuch in der am 1.01.2003 geltenden Fassung anzuwenden ist2.
Der Sparvertrag unterliegt dem Recht der unregelmäßigen Verwahrung und damit § 700 BGB in der seit dem 1.01.2002 geltenden Fassung.
Die Abgrenzung zu einem Darlehensvertrag (§§ 488 ff. BGB) hat anhand des vertraglichen Pflichtenprogramms zu erfolgen. Voraussetzung für einen unregelmäßigen Verwahrungsvertrag gemäß § 700 Abs. 1 Satz 1 BGB ist, dass vertretbare Sachen in der Art hinterlegt werden, dass das Eigentum auf den Verwahrer übergehen und dieser verpflichtet sein soll, Sachen von gleicher Art, Güte und Menge zurückzugewähren. Insoweit ist der unregelmäßige Verwahrungsvertrag im Grundsatz einseitig verpflichtend. Der Hinterleger geht keine Verpflichtung zur Hinterlegung ein; ihm kommt es in der Regel in erster Linie auf eine sichere Aufbewahrung der überlassenen Sache und daneben auf die jederzeitige Verfügbarkeit darüber an. Eine unregelmäßige Verwahrung scheidet daher aus, wenn der Sparer zur Erbringung der Spareinlage verpflichtet sein soll; denn die Verpflichtung, einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen, ist gemäß § 488 Abs. 1 Satz 1 BGB die vertragstypische Pflicht des Darlehensgebers bei einem Darlehensvertrag3.
Nach diesen Maßgaben ist der Sparvertrag als unregelmäßiger Verwahrungsvertrag zu qualifizieren, weil sich die Sparerin gegenüber der Sparkasse nicht zur Zahlung der monatlichen Sparbeiträge verpflichtet hat, wohingegen die Sparkasse
unter den Voraussetzungen von Nr. 4 der Bedingungen für den Sparverkehr zur Rückzahlung der Spareinlage verpflichtet ist.
Bei dem Vertragsantragsformular handelt es sich um einen Vordruck der Sparkasse und damit bereits dem ersten Anschein nach um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die der Bundesgerichtshof selbst auslegen kann4. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht gebildeten Durchschnittskunden so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Kreise verstanden werden5.
Wie der Bundesgerichtshof bereits für insofern vergleichbare Sparverträge entschieden hat, lässt sich dem Wortlaut des Vertragsantragsformulars keine Pflicht zur Zahlung des monatlichen Sparbeitrags entnehmen. Die Formulierung „Ich werde monatlich … einzahlen.“ enthält eine solche Verpflichtung nicht, was sich daran zeigt, dass die Sparerin nach Nr. 4 der Bedingungen für den Sparverkehr umgehend die Rückzahlung der monatlichen Sparrate weil unterhalb der Grenze von 2.000 € liegend verlangen könnte6. Eine Verpflichtung des Sparers zur Erbringung der Sparbeiträge wäre auch nicht interessengerecht7. Dass mit Nr. 4 der Bedingungen für den Sparverkehr eine von § 700 Abs. 1 Satz 3, § 695 Satz 1 BGB abweichende Regelung für die Rückzahlung der Spareinlage getroffen worden ist, steht der Einordnung als unregelmäßiger Verwahrungsvertrag nicht entgegen8.
Der Sparkasse stand ein Kündigungsrecht weder aus Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen noch aus § 700 Abs. 1 Satz 3, § 696 Satz 1 BGB zu.
Das in der Vorinstanz mit dem vorliegenden Fall befasste Landgericht Gera9 hat verkannt, dass der Sparvertrag auf der Grundlage der vereinbarten Prämienstaffel und der weiteren vertraglichen Regelungen, die der Bundesgerichtshof als Allgemeine Geschäftsbedingungen selbst auslegen kann, dahin zu verstehen ist, dass dem Sparer das Recht zukommt, einseitig zu bestimmen, ob er bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe spart. Bis zu diesem Zeitpunkt ist für die Sparkasse das ordentliche Kündigungsrecht nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen bzw. nach § 700 Abs. 1 Satz 3, § 696 Satz 1 BGB ausgeschlossen.
Für Prämiensparverträge mit einer vertraglich vereinbarten Prämienstaffel bis zum 15. Sparjahr hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass diesen ein konkludenter zeitlich befristeter Ausschluss des Kündigungsrechts aus Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen zu entnehmen ist10. Dies hat er mit dem besonderen Bonusanreiz begründet, den die beklagte Sparkasse mit der vereinbarten Prämienstaffel gesetzt hat. Die Sparkasse soll dem Sparer den Anspruch auf Gewährung der Sparprämien nicht jederzeit durch eine ordentliche Kündigung entziehen können11. Demgegenüber kann ein Sparer trotz der unbefristeten Laufzeit des Vertrags redlicherweise nicht erwarten, dass ihm mit dem Abschluss des Sparvertrags eine zeitlich unbegrenzte Sparmöglichkeit eröffnet werden soll12.
Diese Erwägungen gelten für die streitgegenständliche Prämienstaffel gleichermaßen.
Durch die ansteigenden Prämien wird ein Bonusanreiz gesetzt, mit dem sich ein jederzeitiges ordentliches Kündigungsrecht der Sparkasse nicht vereinbaren
lässt. Dass die einzelnen Prämienstufen nicht nach Sparjahren, sondern nach dem Verhältnis des Sparguthabens zur Jahressparleistung (sogenannte Verhältnisprämienstaffel) gestaffelt sind, führt entgegen der Ansicht des Landgerichts Gera und eines Teils der Literatur13 zu keiner anderen Bewertung. Vergleichbar einer nach Sparjahren gegliederten Prämienstaffel steigt die jährliche Prämie mit fortgesetzter Vertragsdurchführung, wobei vorliegend (vertraglich zulässige) Abhebungen zu einer Neufestsetzung der Prämienstufe führen. Unabhängig davon, ob die Prämiensteigerungen mit der Zeit geringer ausfallen und dadurch wie die Revisionserwiderung meint die Renditeerwartung in den höheren Prämienstufen relativiert wird, vermitteln die ansteigenden Prämien einen besonderen Sparanreiz14. Ob der Sparer diesen Sparanreiz für hinreichend attraktiv erachtet, den Vertrag bis zur höchsten Stufe durchzuführen, oder ob er das angesparte Kapital vorzeitig einer anderen Verwendung zuführt, bleibt ihm überlassen. Auch der vorliegende Sparvertrag ist beiderseits interessengerecht so auszulegen, dass zum einen dem Sparer die günstige vertragliche Position zukommt, einseitig zu bestimmen, ob er bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe spart15, ihm zum anderen jedoch keine zeitlich unbegrenzte Sparmöglichkeit eröffnet wird.
Einem zeitlich befristeten Kündigungsausschluss steht nicht entgegen, dass sich aufgrund der variablen Verzinsung die Länge des Zeitraums bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe bei Vertragsschluss nicht taggenau prognostizieren lässt. Diese Ungewissheit wohnt der von der Sparkasse vorgegebenen Vertragsstruktur inne und vermag den gesetzten Bonusanreiz nicht in Frage zu stellen. Die Dauer des Kündigungsausschlusses und damit die Pflicht der Sparkasse zur Zahlung der Prämien bleibt zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses hinreichend bestimmbar16. Da dem Sparvertrag eine Zinsuntergrenze von 0% immanent ist17, lässt sich bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf der Grundlage der Jahressparleistung und für den (ungünstigsten) Fall einer durchgehenden Nullverzinsung ohne weiteres ausrechnen, zu welchem Zeitpunkt die höchste Prämienstufe spätestens erreicht wird. Da das Erreichen der einzelnen Prämienstaffel von dem jeweils am Ende des Sparjahres erreichten Guthaben abhängt, wird das Ende des Kündigungsausschlusses je nach Höhe der Verzinsung, und allein hiervon abhängig, d.h. ohne Berücksichtigung etwaiger Abhebungen, jährlich vorverlagert.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts Gera und vereinzelter Stimmen in der Literatur18 kann die Sparerin die Dauer des Kündigungsausschlusses nicht einseitig durch Abhebungen verlängern. Für die Beantwortung der Frage, für welchen Zeitraum die Parteien das ordentliche Kündigungsrecht der Sparkasse konkludent ausgeschlossen haben, ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen. Der zeitlich befristete Ausschluss des Kündigungsrechts rechtfertigt sich mit dem besonderen Bonusanreiz, den die beklagte Sparkasse mit der vereinbarten Prämienstaffel gesetzt hat und dem die Erwartung zugrunde liegt, dass der Sparer seine jährlichen Sparleistungen in voller Höhe erbringt. Demgegenüber führt die Wahrnehmung des hier vertraglich eingeräumten Rechts, über das Sparguthaben in den Grenzen von Nr. 4 der Bedingungen für den Sparverkehr zu verfügen, nach dem Vertrag lediglich zu einer Neufestsetzung des Prämiensatzes am Ende des jeweiligen Sparjahres. Auf die Dauer des Kündigungsausschlusses kann dies nach dem Verständnis redlicher Vertragspartner unter Abwägung
der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise indes keinen Einfluss haben. Bei beiderseits interessengerechter Auslegung des Sparvertrags kann der Sparer redlicherweise nicht erwarten, einseitig durch Abhe- bungen die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung durch die Sparkasse beliebig hinausschieben zu können. Anderenfalls stünde die Dauer des konkludenten Kündigungsausschlusses im Belieben des Sparers, was ihm eine zeitlich unbegrenzte Sparmöglichkeit eröffnen würde. Dies wäre indes wie bereits ausgeführt nicht interessengerecht.
Einem zeitlich befristeten Kündigungsausschluss steht schließlich nicht entgegen, dass die Sparerin keine Pflicht zur Erbringung der Sparraten trifft. Dies ermöglicht es ihr nicht, das Erreichen der höchsten Prämienstufe zum Nachteil der Sparkasse hinauszuzögern. Gemäß den Sonderbedingungen für den Sparverkehr ist an die nicht vertragsgemäße Erbringung der Sparleistungen die Beendigung des Sparvertrags geknüpft. Ab Beendigung des Vertrags wird das Sparguthaben danach als Spareinlage mit dreimonatiger Kündigungsfrist weitergeführt. Damit obliegt es weiterhin dem Sparer, die monatlichen Einzahlungen vertragsgemäß zu erbringen und von Abhebungen abzusehen, um die höchste Prämienstufe zu erreichen.
Schließlich ist der konkludent vereinbarte Kündigungsausschluss nicht dadurch (rückwirkend) entfallen, dass die Sparerin aufgrund der Abhebungen die höchste Prämienstaffel bis zu diesem Zeitpunkt nicht mehr erreichen kann. Darauf kann sich die Sparkasse bereits deshalb nicht berufen, weil sie selbst der Sparerin das Recht, über das Sparguthaben in den Grenzen von Nr. 4 der Bedingungen für den Sparverkehr zu verfügen, vertraglich eingeräumt hat.
Die höchste Prämienstufe war im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht erreicht. Die Jahressparleistung der Sparerin beträgt 920,28 €, die 40-fache Jahressparleistung mithin 36.811,20 €. Ein solches Guthaben hätte die Sparerin bei vertragsgemäßer Einzahlung der monatlichen Sparraten auch ohne Abhebungen im Zeitpunkt der Kündigung der Sparkasse nicht erreicht.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. Juli 2023 – XI ZR 221/22
- Fortführung von BGH, Urteil vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74 Rn. 22[↩]
- BGH, Urteil vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74 Rn. 26 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74 Rn. 28 mwN[↩]
- BGH, Urteile vom 18.01.2022 – XI ZR 505/21, BGHZ 232, 227 Rn. 12; und vom 25.10.2022 – XI ZR 44/22, BGHZ 235, 1 Rn. 39[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74 Rn. 29[↩]
- BGH, Urteil vom 14.05.2019, aaO Rn. 30[↩]
- BGH, Urteil vom 14.05.2019, aaO Rn. 31[↩]
- LG Gera, Urteil vom 12.08.2022 – 1 S 149/21[↩]
- BGH, Urteil vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74 Rn. 38 ff.[↩]
- BGH, Urteil vom 14.05.2019, aaO Rn. 39[↩]
- BGH, Urteil vom 14.05.2019, aaO Rn. 41 f.[↩]
- Kalisz, WM 2022, 1957, 1961; Schultheiß/Widany, WM 2023, 601 Rn. 26[↩]
- vgl. Furche, WM 2022, 1041, 1049 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 24.01.2023 – XI ZR 257/21, WM 2023, 326 Rn. 26[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 21.02.2017 – XI ZR 185/16, BGHZ 214, 94 Rn. 87 zum konkludenten Ausschluss eines Kündigungsrechts aus § 488 Abs. 3 BGB in der vom 01.01.2002 bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung bei Bausparverträgen[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166 Rn. 27; und vom 24.01.2023 – XI ZR 257/21, WM 2023, 326 Rn. 27[↩]
- Kalisz, WM 2022, 1957, 1961; Schultheiß/Widany, WM 2023, 601 Rn. 26 f.[↩]