Ist bereits der Herstellungsanspruch aus § 249 Abs. 1 BGB auf Zahlung von Geld gerichtet, besteht für eine Anwendung von § 250 Satz 1 BGB kein Raum, da es einer Umwandlung des Anspruchs auf Naturalrestitution in einen Anspruch auf Zahlung von Geld nicht bedarf1. Das Kreditinstitut hat dem von ihm fehlerhaft beratenen Anleger nach § 249 Abs. 1 BGB den für den Erwerb der Anlage aufgewandten Geldbetrag zu zahlen, auf den ein Erlös aus deren Veräußerung anzurechnen ist.

Grundsatz der Naturalrestitution
Dem Anleger steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz nach § 249 Abs. 1 BGB als Naturalrestitution zu. Einer erfolglosen Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nach § 250 Satz 1 BGB bedurfte es nicht.
Nach dem in § 249 Abs. 1 BGB festgelegten Grundsatz der Naturalrestitution kann der bei Erwerb einer Kapitalanlage fehlerhaft oder unzureichend beratene Anleger verlangen, so gestellt zu werden, als habe er diese Kapitalanlage nicht erworben2. Der Wiederherstellungsanspruch des Anlegers ist dabei nicht auf den Ausgleich eines Minderwerts der Kapitalanlage gerichtet, sondern auf Ersatz für die durch den Erwerb der Kapitalanlage eingetretenen Einbußen3. Soweit diese unmittelbar das Vermögen des Anlegers betreffen, erfolgt die Naturalherstellung nach § 249 Abs. 1 BGB durch Zahlung von Geld4. Besteht nämlich der zu ersetzende Schaden in einem Verlust an Geld, ist bereits die Herstellung nach § 249 Abs. 1 BGB auf Zahlung gerichtet5. Eine erfolglose Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nach § 250 Satz 1 BGB ist dann nicht erforderlich.
Das beratende Kreditinstitut hat somit nach einer – hier feststehenden – fehlerhaften Anlageberatung dem Anleger als Herstellungsaufwand nach § 249 Abs. 1 BGB den Geldbetrag zu zahlen, den der Anleger für den Erwerb der Kapitalanlage aufgewandt hat6.
Dem Anleger war zunächst mit den für den Erwerb der jeweiligen Wertpapiere eingegangenen Verbindlichkeiten belastet. Nach deren Erfüllung hat sich der unmittelbare Vermögensschaden dem Anleger in dem Verlust der dafür aufgewendeten Geldmittel realisiert, den die Bank durch Zahlung auszugleichen hat. Darauf ist zwar der Erlös, den der Anleger aus dem Verkauf der Wertpapiere erzielt hat, anzurechnen. Den verbliebenen Verlust hat die Bank nach § 249 Abs. 1 BGB aber unverändert durch Zahlung eines Geldbetrags zu ersetzen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass der Anleger der Bank erfolglos nach § 250 Satz 1 BGB eine Frist mit Ablehnungsandrohung gesetzt hat.
Die Gegenansicht7 übersieht, dass § 250 BGB keine Anwendung findet, wenn der Herstellungsanspruch aus § 249 Abs. 1 BGB bereits auf Zahlung von Geld gerichtet ist. § 250 BGB eröffnet dem Geschädigten die Möglichkeit, einen allgemeinen Anspruch auf Herstellung durch Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung in einen Anspruch auf Zahlung von Geld umzuwandeln. Dafür ist kein Raum, wenn bereits die Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB durch Zahlung von Geld zu erfolgen hat.
Berechnung Schadensersatz nach Verkauf der Wertpapiere
Es besteht auch kein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Anspruchs der Bank auf Übertragung der Wertpapiere. Der schadensrechtliche Vorteilsausgleich wird nach Verkauf der Wertpapiere nicht durch eine Zug-um-Zug-Verurteilung, sondern dadurch erreicht, dass der Erlös aus dem Verkauf auf den Ersatzanspruch des Anlegers angerechnet wird.
Nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dürfen dem Geschädigten allerdings neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind8. Sind Ersatzanspruch und Vorteil gleichartig, wird die Vorteilsausgleichung durch Anrechnung bewirkt. Der Vorteil wird somit vom Schadensersatzanspruch abgezogen, ohne dass es einer Gestaltungserklärung des Geschädigten bedarf9. Bei fehlender Gleichartigkeit muss der Schädiger Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils leisten10.
Damit ist in derartigen Verkaufsfällen, so der Bundesgerichtshof, von einer Zug-um-Zug-Verurteilung abzusehen und stattdessen den Erlös aus dem Verkauf der Wertpapiere auf den Ersatzanspruch des Anlegers zu verrechnen. Da der Anleger über keines der auf die Beratung der Bank hin erworbenen Wertpapiere mehr verfügt, fehlt ein wirtschaftlicher Vorteil, den er durch Herausgabe auszugleichen hätte. Statt dessen ist – wie im Berufungsurteil geschehen – der ihm aus der Veräußerung der Papiere zugeflossene Erlös mit dem Ersatzanspruch zu verrechnen.
Dem steht im vorliegend entschiedenen Fall nicht entgegen, dass der Anleger die erworbenen Wertpapiere erst veräußert hat, nachdem er Kenntnis von der fehlerhaften Beratung durch die Bank erlangt hatte. Im Schadensersatzprozess ist für die Berechnung des konkreten Schadens regelmäßig der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in einer Tatsacheninstanz heranzuziehen11. Für die Anrechnung eines Vorteils gilt nichts anderes. Vorbehaltlich – hier nicht vorliegender – zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannter künftiger ausgleichspflichtiger Vorteile12 sind deswegen die am Tag der letzten mündlichen Verhandlung bestehenden Vorteile auszugleichen.
Auch muss der Anleger die veräußerten Wertpapiere auch nicht erneut erwerben, um diese der Bank sodann als ZugumZugLeistung anbieten zu können. Zwar entfällt ein bei der Schadensberechnung zu berücksichtigender Vorteil nicht dadurch, dass der Geschädigte aufgrund eines vom Schädiger nicht herausgeforderten Willensentschlusses den Vorteil ganz oder teilweise zunichtemacht13. der Anleger hat jedoch mit dem Verkauf der Wertpapiere den Vorteil aus deren Erwerb nicht aufgegeben. Vielmehr hat sich dieser in dem Erlös aus dem Verkauf der Wertpapiere fortgesetzt und ist nunmehr statt durch Herausgabe der Papiere durch Verrechnung des Erlöses auszugleichen.
Der Wertpapierverkauf als Mitverschulden?
Den Anleger trifft nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auch nicht der Einwand eines Mitverschuldens nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB. Der Anleger hat durch den Verkauf der Wertpapiere nicht gegen die Obliegenheit verstoßen, den eingetretenen Schaden gering zu halten. Insbesondere musste er nicht die streitgegenständlichen Wertpapiere der Bank vor einer Veräußerung zum Erwerb anbieten.
Allerdings ist nach § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB der Geschädigte im Interesse des Schädigers gehalten, den entstandenen Schaden zu mindern. Ihm kann jedoch nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden, dazu – weiterhin – spekulative Risiken einzugehen14. Die Unsicherheit, ob sich Versuche des Geschädigten, weitere Vermögenseinbußen zu vermeiden, als erfolgreich erweisen, geht zulasten des Schädigers, wenn die Vorgehensweise des Geschädigten im konkreten Fall vernünftig und zweckmäßig erscheint.
Nach diesem Maßstab durfte der Anleger die Wertpapiere verkaufen, die er aufgrund der fehlerhaften Beratung der Bank erworben hatte. Es widerspricht nicht dem Gebot der Schadensminderung, sondern ist im Grundsatz wirtschaftlich vernünftig, dass der Anleger durch einen Verkauf der Wertpapiere die wirtschaftlichen Risiken beseitigt hat, mit denen er durch die fehlerhafte Beratung der Bank belastet worden war. Den möglichen Nachteil, dass nach einem Verkauf der Wertpapiere eine denkbare Kurserholung den Schaden nicht mehr – teilweise – ausgleichen kann, hat die Bank als Schädigerin hinzunehmen.
Der Anleger hat auch nicht dadurch gegen seine Obliegenheit zur Schadensminderung aus § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB verstoßen, dass er die Wertpapiere veräußert hat, ohne diese zuvor der Bank zum Erwerb anzubieten.
Zwar hat ein Kreditinstitut, das für fehlerhafte Beratung bei dem Erwerb von Wertpapieren haftet, dem Anleger Schadensersatz lediglich Zug um Zug gegen Herausgabe bei diesem verbliebener Wertpapiere zu leisten. Ein selbstständiger Anspruch des Kreditinstituts auf deren Übertragung ergibt sich daraus jedoch nicht. Die Bank hätte somit die Papiere, die der Anleger aufgrund fehlerhafter Beratung erworben hatte, lediglich bis zu deren Verkauf durch der Anleger Zug um Zug gegen die Zahlung von Schadensersatz erhalten können. Die Leistung von Schadensersatz hat er jedoch bisher abgelehnt.
Ein Verstoß gegen die Obliegenheit zur Schadensminderung kommt allerdings dann in Betracht, wenn sich die zeitnahe Verwertung der Kapitalanlage durch den Geschädigten als unwirtschaftlich darstellt und ihm aus besonderen Umständen die Übernahme des mit dem weiteren Halten der Papiere verknüpften Risikos zuzumuten ist. In einem solchen Fall kann es nach der gebotenen Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge beider Parteien angemessen sein, auch den Geschädigten mit einem Teil seines Schadens zu belasten15.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. November 2012 – XI ZR 334/11
- entgegen OLG Celle, Urteil vom 26.01.2011 – 3 U 101/10[↩]
- st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 13.01.2004 – XI ZR 355/02, WM 2004, 422, 424 und vom 29.06.2010 – XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 Rn. 46[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 13.01.2004 – XI ZR 355/02, WM 2004, 422, 424 f.[↩]
- vgl. PWW/Medicus, BGB, 7. Aufl., § 249 Rn. 15; Staudinger/Schiemann, BGB, Bearb.2005, § 249 Rn.190[↩]
- Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 249 Rn. 2[↩]
- Staudinger/Schiemann, BGB, Bearb.2005, § 249 Rn.197 und § 251 Rn. 129; Braun/Lang/Loy in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, 4. Aufl., Rn. 508[↩]
- OLG Celle, Urteil vom 26.01.2011 – 3 U 101/10[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2009 – III ZR 28/08, WM 2009, 540 Rn. 14 und vom 18.12.1981 – V ZR 207/80, WM 1982, 428, 429[↩]
- BGH, Urteile vom 02.07.1962 – VIII ZR 12/61, WM 1962, 1006 und vom 15.01.2009 – III ZR 28/08, WM 2009, 540 Rn. 14; Erman/Ebert, BGB, 13. Aufl., vor § 249 Rn. 88; MünchKomm-BGB/Oetker, 6. Aufl., § 249 Rn. 279; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., Vorb v § 249 Rn. 71[↩]
- st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12.05.1958 – II ZR 103/57, BGHZ 27, 241, 248 f.; BGH, Urteil vom 15.01.2009 – III ZR 28/08, WM 2009, 540 Rn. 14 mwN[↩]
- BGH, Urteile vom 12.07.1996 – V ZR 117/95, BGHZ 133, 246, 252 f. und vom 02.04.2001 – II ZR 331/99, WM 2001, 2251, 2252 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 12.07.1990 – III ZR 174/89, WM 1990, 1766, 1767 und vom 23.04.2012 – II ZR 75/10, WM 2012, 1293 Rn. 41; siehe auch BGH, Urteile vom 18.12.1969 – VII ZR 121/67, BGHZ 53, 132, 137 f. und vom 01.03.2011 – XI ZR 96/09, WM 2011, 740 Rn. 11[↩]
- BGH, Urteil vom 10.10.1996 – IX ZR 294/95, WM 1997, 72, 73[↩]
- vgl. dazu BGH, Urteil vom 17.03.2011 – IX ZR 162/08, WM 2011, 1529 Rn. 18[↩]
- vgl. dazu BGH, Urteile vom 24.07.2001 – XI ZR 164/00, WM 2001, 1716, 1718 und vom 28.05.2002 – XI ZR 336/01, WM 2002, 1502, 1503 f.[↩]