Geschäftsführerhaftung beim Schwindelunternehmen

Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer oder (faktische) Geschäftsleiter einer Gesellschaft haften nach § 826 BGB auf Schadensersatz, wenn das von ihnen ins Werk gesetzte Geschäftsmodell der Gesellschaft von vornherein auf Täuschung und Schädigung der Kunden angelegt ist, es sich mithin um ein „Schwindelunternehmen“ handelt.

Geschäftsführerhaftung beim Schwindelunternehmen

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haften Geschäftsführer, (faktische) Geschäftsleiter oder Vorstandsmitglieder einer Gesellschaft nach § 826 BGB auf Schadensersatz, wenn das von ihnen ins Werk gesetzte Geschäftsmodell der Gesellschaft von vornherein auf Täuschung und Schädigung der Kunden angelegt ist, es sich mithin um ein „Schwindelunternehmen“ handelt1.

Im hier entschiedenen Fall sah der Bundesgerichtshofs solche Umstände, die den Schluss nahe legten, dass das operative Geschäft der Gesellschaft vom Vorstand nicht ernsthaft betrieben wurde, sondern nur dazu diente, den Anlegern ein florierendes Unternehmen vorzutäuschen und sie damit zum Kauf von Aktien zu bewegen.

Die Gesellschaft hat 22 Millionen Namensaktien zu einem Nennwert von je 0, 01 CHF ausgegeben. Diese sind den Anlegern unstreitig zu Preisen von 1, 60 € bis zu 5, 20 € verkauft worden. Damit überstieg der Verkaufspreis der Aktien deren Nennwert um das 160- bis 520fache. Umstände, die ein Aufgeld in dieser Höhe bei einem jungen Unternehmen als gerechtfertigt erscheinen lassen könnten, waren und sind nicht ansatzweise erkennbar. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die – von der Gesellschaft selbst aufgrund einer rein zukunftsgerichteten Bewertung festgelegten – hohen Ausgabepreise mit aus dem Factoring zu erwartenden Erträgen korrespondierten oder eine Grundlage für die Erwartung bestand, der Unternehmenswert werde sich zukünftig derart erhöhen.

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Dabei erzielte die Gesellschaft aus dem Factoring nämlich nur geringe Einnahmen, denen Ausgaben gegenüber standen. Nach dem Vortrag der Klägerin betrug der Umsatz aus dem operativen Geschäft im Geschäftsjahr 2007/2008 1, 6 % und im Geschäftsjahr 2008/2009 3, 1 % des gesamten Umsatzes der Gesellschaft. Der Ertragsanteil aus dem Verkauf eigener Aktien betrug dagegen 98, 4 % bzw. 96, 9 %. Auch wenn der Geschäftszweck der Gesellschaft nicht ausschließlich in dem Verkauf eigener Aktien bestand, so können diese Umsatzzahlen doch darauf hindeuten, dass in Wahrheit darin der Schwerpunkt ihrer Geschäftstätigkeit lag und das Factoring von ihr nicht ernsthaft und eher nur am Rande betrieben wurde.

Vorliegend verfügte vorgeblich die im Bereich Forderungsankauf tätige Gesellschaft nicht über ein professionelles Inkassoprogramm. Sie bilanzierte zudem den gesamten ihr zur Einziehung übertragenen Forderungsbestand, obwohl ersichtlich nur ein Bruchteil des Bestandes zu realisieren war, so dass es in der Folge mehrfach zu erheblichen bilanziellen Wertberichtigungen kam.

Bei dem Beteiligungsangebot handelte es sich laut dem Wertpapierprospekt nicht um eine Neuemission, sondern um eine Wiederveräußerung aus dem Bestand der Altaktionäre. Neben den Emissionskosten in Höhe von 30 % des Ausgabepreises flossen daher weitere 5 % an die Altaktionäre, was in den von den Erwerbern zu unterzeichnenden Kaufabsichtserklärungen nicht offengelegt wurde. Von der Revision genannte Umstände könnten weiter nahelegen, dass die Kapitalzuflüsse aus den Aktienverkäufen nicht für das operative Geschäft verwendet wurden, wie Barabhebungen in Höhe von 1, 1 Mio. €, hohe Aufwendungen u.a. für Beraterverträge sowie hohe Zahlungen an die Hauptaktionärin der Gesellschaft.

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Bei der Würdigung dieser Umstände darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Gesellschaft trotz der oben genannten Umstände in ihrer Anfang des Jahres 2008 herausgegebenen und zu Werbezwecken versandten Broschüre sowie auf ihrer Internetseite – mithin in Veröffentlichungen, über deren Inhalte typischerweise auf der Vorstandsebene entschieden wird2 – mitteilte, die Investition biete eine außergewöhnliche Sicherheit und die Bonität der Gesellschaft sei besser als diejenige mancher deutscher Banken. Sie hob dort zudem hervor, die im Zeitraum von 2004 bis 2006 erzielten Dienstleistungserträge seien von CHF 17.400 auf 1.800.000, mithin um das Hundertfache gestiegen. Die im Wertpapierprospekt angenommenen Dienstleistungserträge seien im Geschäftsjahr 2006/2007 um 30 % überschritten worden. Dadurch konnte bei den Anlegern die unrichtige Vorstellung entstehen, die Erträge stammten aus dem operativen Geschäft der Gesellschaft, während es sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Wesentlichen um Erträge aus dem Verkauf eigener Aktien handelte.

Diese und ähnliche Informationen finden sich auch in denan die Anleger versandten Mitteilungen, den sogenannten „Newsletter“, mithin ebenfalls in Veröffentlichungen, über deren Inhalte typischerweise auf der Vorstandsebene entschieden wird3. Die Anleger erhielten den Wertpapierprospekt der E. S. AG grundsätzlich nicht übersandt. Die Telefonverkäufer machten in den Verkaufsgesprächen unrichtige, nämlich zu günstige Angaben in Bezug auf die Umsatzzuwächse.

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Diese Umstände könnten in einer Gesamtbetrachtung geeignet erscheinen, darauf hinzudeuten, der vom Vorstand und der Altaktionärin initiierte Vertrieb der Aktien der E. S. AG sei auf Täuschung der Anlageinteressenten ausgerichtet gewesen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 14. Juli 2015 – VI ZR 463/14

  1. BGH, Urteil vom 28.02.1989 – XI ZR 70/88, WM 1989, 1047, 1048 f. unter A 2; BGH, Urteile vom 17.03.2015 – VI ZR 11/14, WM 2015, 819 Rn. 26 ff. und – VI ZR 12/14 26 ff.[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 18.06.2014 – I ZR 242/12, BGHZ 201, 344 Rn.19; BGH, Urteil vom 28.02.1989 – XI ZR 70/88, WM 1989, 1047, 1048 f. unter A 2[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 18.06.2014, aaO; BGH, Urteil vom 28.02.1989, aaO[]