Der Prospekt eines geschlossenen Immobilienfonds muss dem Anleger die fehlende Fungibilität der Anteile erläutern. Dabei ist im Regelfall davon auszugehen, dass für den Anleger eine wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit, die Anteile zu einem von ihm gewählten Zeitpunkt zu veräußern, praktisch fehlt.

Ein Hinweis im Prospekt, ein „öffentlicher Markt“ sei für die Anteile „zur Zeit“ nicht vorhanden, ist unzureichend, wenn andere Formulierungen im Prospekt gleichzeitig die Möglichkeit einer Veräußerung suggerieren. Die Formulierung „Der Gesellschaftsanteil ist jederzeit … veräußerlich“ ist als unzutreffender Hinweis auf eine nicht vorhandene wirtschaftliche Chance zu verstehen, wenn nicht deutlich wird, dass die Formulierung – unabhängig von den wirtschaftlichen Aussichten – nur ein Hinweis auf die rechtliche Möglichkeit der Veräußerung sein soll.
Weist der Anlageberater im Beratungsgespräch nicht auf für ihn erkennbare Prospektmängel hin, ist er dem Anleger zum Schadensersatz verpflichtet.
Die Anlageberaterin haftet für die fehlerhafte Beratung ihres Geschäftsführers gemäß § 278 BGB. Die Kundin und ihr Ehemann wurden nicht über die mangelnde Fungibilität der Beteiligung aufgeklärt. Die fehlerhafte Beratung ergibt sich aus dem unstreitigen Sachverhalt. Die Anlageberaterin hat vorgetragen, sie habe „unter Verwendung der zutreffenden Angaben des Prospekts die Erwerber über die mit der Beteiligung verbundenen Chancen und Risiken informiert“. Darüber hinausgehende; vom Prospekt abweichende Angaben habe der Geschäftsführer der Anlageberaterin nicht gemacht. Daher sind – nach dem eigenen Vorbringen der Anlageberaterin – für die mündliche Beratung des Geschäftsführers der Anlageberaterin die Angaben im Prospekt zugrunde zu legen. Da die Darstellung des Prospekts im Kapitel „Chancen und Risiken“ fehlerhaft ist und die mangelnde Fungibilität der Beteiligung verschleiert, ist – auf der Basis des eigenen Sachvortrags der Anlageberaterin – davon auszugehen, dass auch die mündliche Beratung des Geschäftsführers entsprechend fehlerhaft war. Da der Beratungsfehler sich somit aus der mündlichen Beratung ergibt, kommt es nicht darauf an, ob die Kundin und ihr Ehemann den Prospekt tatsächlich erhalten haben.
Bei der Vermittlung von Beteiligungen an einem geschlossenen Immobilienfonds entspricht es vielfach dem Konzept der Initiatoren, dass der Vertrieb sich ausschließlich auf die Informationen und auf die Werbung im Beteiligungsprospekt stützen soll. Die Vermittler sollen in der Regel nicht berechtigt sein; vom Prospekt abweichende Angaben zu machen. Dieses Vertriebskonzept liegt auch dem Erwerb der streitgegenständlichen Beteiligung zu Grunde, wie aus dem entsprechenden Hinweis in der vorformulierten Beitrittserklärung ersichtlich. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei Fehlern des Prospekts in derartigen Fällen sich der Prospektfehler in der mündlichen Beratung des Vermittlers fortsetzt1. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass der Prospektfehler sich in der mündlichen Beratung durch den Geschäftsführer der Anlageberaterin fortgesetzt hat, ohne dass es darauf ankäme, ob die Kundin und ihr Ehemann den Prospekt erhalten haben. Es sind wegen der zu Gunsten des Anlegers sprechenden Vermutung auch keine konkreten Feststellungen dazu erforderlich, auf welche Weise und mit welchem Wortlaut bestimmte Formulierungen des Prospekts im mündlichen Beratungsgespräch vom Vermittler wiederholt oder erläutert wurden.
Die sich aus dem Prospekt und dem Vertriebskonzept ergebende Vermutung wäre nur dann widerlegt, wenn der Geschäftsführer der Anlageberaterin bei der Beratung vom Prospekt abweichende Angaben gegenüber der Kundin und ihrem Ehemann gemacht hätte. Dies ist von der Anlageberaterin jedoch weder dargetan noch nachgewiesen. Abweichende Angaben ergeben sich insbesondere nicht aus dem Hinweis des Anlageberaterinvertreters, der Geschäftsführer der Anlageberaterin habe die maßgeblichen Risiken anhand des Prospektes „in seinen eigenen Worten“ erläutert. Auch aus der Anhörung des Geschäftsführers der Anlageberaterin vor dem Landgericht im Termin vom 10.02.2011 ergibt sich dazu nichts. Die Angaben des Geschäftsführers („langfristige Anlage“, „von der Marktlage abhängig, ob und zu welchem Preis der Anteil verkauft werden kann“, und „es könnte schwierig sein, einen Käufer zu finden“) waren vage. Ob der Geschäftsführer der Anlageberaterin damit ein von den Formulierungen des Prospekts abweichendes Bild zeichnen wollte und gezeichnet hat, lässt sich aus diesen Erklärungen nicht entnehmen, da der Geschäftsführer nicht den gesamten Ablauf der Beratung im Einzelnen schildern konnte. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass der Geschäftsführer der Anlageberaterin ausdrücklich auf den erheblichen Fehler des Prospekts2 hingewiesen hat.
Der Prospekt für den streitgegenständlichen Fonds ist im entscheidenden Punkt fehlerhaft. Die im Regelfall fehlende Möglichkeit, einen Fondsanteil wieder zu angemessenen Konditionen zu veräußern, wird im Prospekt verschleiert.
Die Frage, ob und zu welchen Konditionen eine Beteiligung ggf. veräußert werden kann, gehört in der Regel zu den wesentlichen Informationen, die ein Anleger benötigt, um eine Anlageentscheidung treffen zu können. Es ist daher in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Berater, der den Erwerb einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds empfiehlt, von sich aus (ungefragt) auf das Problem der mangelnden Fungibilität hinweisen muss. Dem muss auch die Darstellung der Eigenheiten und der Risiken der Beteiligung im Fondsprospekt entsprechen. Dabei geht es nicht um eine bloße Erschwerung beim Verkauf einer Beteiligung. Vielmehr muss der Berater bzw. der Prospekt auf die „praktisch fehlende Aussicht, eine KG-Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds zu angemessenen Konditionen verkaufen zu können“, hinweisen3.
Abweichende (geringere) Anforderungen an die erforderliche Aufklärung und Information kämen nur dann in Betracht, wenn es für einen Anleger – ausnahmsweise – auf Grund besonderer Umstände nicht auf die Frage ankäme, ob er eine erworbene Anlage später wieder angemessen verkaufen kann. Solche Umstände sind vorliegend nicht gegeben. Insbesondere ergibt sich weder aus der Vorstellung, bestimmte Steuervorteile zu erzielen, noch aus dem Ziel einer angemessenen Altersversorgung, dass die Fungibilität der Beteiligung für die Kundin und ihren Ehemann von vornherein ohne Bedeutung gewesen wäre4.
Vorliegend ist zudem davon auszugehen, dass die Verkäuflichkeit der Beteiligung für die Kundin und ihren Ehemann eine besondere Rolle spielte. Das Landgericht ist bei seiner Entscheidung – insoweit zu Recht – davon ausgegangen, dass im Hinblick auf einen vorgezogenen Ruhestand des Drittwiderbeklagten an eine Veräußerung der Fondsanteile nach 16 Jahren gedacht war. Dass die Kundin und ihr Ehemann – möglicherweise – bis zum Ablauf dieser 16 Jahre nicht an eine Veräußerung der Anlage dachten, ändert nichts daran, dass jedenfalls für den Zeitpunkt des vorgezogenen Ruhestands der Eheleute die Fungibilität der Beteiligung von wesentlicher Bedeutung war. Die Fungibilität, also die Möglichkeit einer Veräußerung zu einem selbst bestimmten Zeitpunkt, war entgegen der Auffassung der Anlageberaterin nicht von geringerer, sondern von eher größerer Bedeutung, bezogen auf den vorgesehenen Zeitpunkt in 16 Jahren.
Bei Anteilen an einem geschlossenen Immobilienfonds ist generell davon auszugehen, dass die Anteile praktisch nicht verkäuflich sind, jedenfalls nicht zu für den Anleger angemessenen Konditionen5. Denn es gibt in der Regel keinen relevanten Zweitmarkt, auf dem Beteiligungen an geschlossenen Immobilienfonds gehandelt werden. Wenn es in Ausnahmefällen einem Anleger dennoch gelingen kann, für die Beteiligung einen Erwerber zu finden, ändert dies am grundsätzlichen Problem nichts. Bei Fondsanteilen, die – wie im vorliegenden Fall – mit Steuervorteilen auf Grund von Verlustzuweisungen verbunden sind, steigen die Probleme, einen Erwerber zu finden, da dieser im Hinblick auf den Zeitablauf die in der Anfangsphase gegebenen Steuervorteile vielfach nicht mehr nutzen kann. Die Verkäuflichkeit wird zudem zusätzlich beeinträchtigt, wenn die Fondsbeteiligung – wie im vorliegenden Fall seit 2002 – entgegen den ursprünglichen Prognosen im Prospekt keine Ausschüttungen mehr abwirft. Wenn und soweit heute Anteile an geschlossenen Immobilienfonds gelegentlich auf „Zweitmärkten“ gehandelt werden, geht es daher in der Regel nicht um eine normale „Marktsituation“, sondern lediglich um Mechanismen, durch die ein bereits eingetretener erheblicher Schaden verringert wird6.
Es geht mithin entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht darum, dass die Möglichkeiten, Anteile an einem geschlossenen Immobilienfonds zu veräußern, „eingeschränkt“ sind, sondern es geht darum, dass ein Anleger damit rechnen muss, dass die erworbenen Anteile praktisch unverkäuflich sind. Etwas anderes käme nur dann in Betracht, wenn im Einzelfall bei einem bestimmten Fonds auf Grund besonderer Umstände ein Zweitmarkt existieren würde, auf dem ein Anleger die Beteiligung in voraussichtlich wirtschaftlich angemessener Art und Weise veräußern könnte. Solche besonderen Umstände für den streitgegenständlichen Fonds hat die Anlageberaterin nicht dargetan. Es ist daher für die Entscheidung des Oberlandesgerichts und für die Anforderungen an die Aufklärung im konkreten Fall nicht erforderlich, im Einzelnen festzustellen, in welchem Umfang und zu welchen Konditionen andere Anleger Anteile des streitgegenständlichen Fonds veräußern konnten7.
Den dargelegten Anforderungen wird der Prospekt nicht gerecht. Die für die Fungibilität maßgebliche Darstellung im Kapitel „Chancen und Risiken“ des Prospekts lautet wie folgt:
„Der Gesellschaftsanteil ist jederzeit mit Zustimmung der Geschäftsführung veräußerlich; die Zustimmung darf nur aus wichtigen Gründen verweigert werden. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass ein öffentlicher Markt für derartige Anteile zurzeit nicht vorhanden ist. Der Preis, den ein Dritter bereit ist, für einen solchen Anteil zu zahlen, hängt nicht zuletzt vom Zeitpunkt der Veräußerung und den zu diesem Zeitpunkt herrschenden Kapitalmarktverhältnissen ab. Da der Anleger jedoch in der Investitionsphase – je nach Steuerprogression – die Beteiligung teilweise aus ersparten Steuern finanziert hat, ist es durchaus möglich, die Beteiligung ggf. unter dem Nominalwert zu veräußern und dennoch eine hochinteressante Rendite zu erwirtschaften. Für den Erwerber ergibt sich analog – bezogen auf einen evtl. geringeren Einstandspreis – eine interessante Verzinsung.
Die mit der Vermittlung des Eigenkapitals beauftragte Gesellschaft ist bereit, bei der Realisierung von Verkaufsabsichten mitzuwirken. Sie berät den Verkäufer bei der Bewertung seiner Beteiligung und bei der Suche nach geeigneten Anlageninteressenten. Ein Rechtsanspruch kann hieraus nicht abgeleitet werden.“
Diese Darstellung ist unzureichend und verschleiert das Problem der fehlenden Fungibilität8. Das Gesamtbild der Darstellung im Prospekt ist unklar und vermittelt eher den Eindruck, dass es nur geringe Probleme bei einer späteren Veräußerung von Anteilen gebe.
Im Prospekt heißt es, es sei ein „öffentlicher Markt“ für derartige Anteile „zur Zeit“ nicht vorhanden. Dabei wird verschwiegen, dass es auch einen anderweitigen (nichtöffentlichen) Markt praktisch nicht gibt. Auch die Einschränkung „zur Zeit“ verharmlost die Probleme. Denn das Fehlen eines Marktes für die Veräußerung von Anteilen eines geschlossenen Immobilienfonds ist in der Regel kein vorübergehendes, sondern ein langfristiges oder dauerhaftes Problem4. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Kundin und ihr Ehemann aus den oben angegebenen Gründen auf die voraussichtlichen Probleme bei einer beabsichtigten Veräußerung in 16 Jahren hätten hingewiesen werden müssen; eine solche Aufklärung wird nicht geleistet, wenn ein Hinweis im Prospekt mit dem Zusatz „zur Zeit“ versehen wird.
Verschleiernd wirkt der erste Satz des Absatzes („Der Gesellschaftsanteil ist jederzeit … veräußerlich“). Es ist im Gesamtzusammenhang des Textes für einen Anleger nicht ersichtlich, dass damit nur eine rechtliche Veräußerungsmöglichkeit und nicht die tatsächliche Veräußerungschance gemeint ist. Denn alle anderen Ausführungen in dem betreffenden Absatz des Prospektes befassen sich mit wirtschaftlichen Umständen einer möglichen Veräußerung des Gesellschaftsanteils; daher muss der Leser auch den ersten Satz dieses Absatzes („…. jederzeit … veräußerlich“) vorrangig im Sinne einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise verstehen, und nicht etwa lediglich im Sinne einer juristischen Möglichkeit.
Die weiteren Formulierungen („… hochinteressante Rendite …“ und „… interessante Verzinsung …“) suggerieren, dass der Anleger in der Regel seine Beteiligung wirtschaftlich vernünftig veräußern könne. Dies ist nicht zutreffend. Vielmehr ist von einer „praktisch fehlenden Aussicht“ auszugehen, eine KG-Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds zu angemessenen Konditionen zu verkaufen4.
Auch die weiteren Hinweise zur Mitwirkung der Fondsgesellschaft beim Verkauf von Beteiligungen verstärken für einen Anleger den unzutreffenden Eindruck, dass er sich zumindest mit großer Wahrscheinlichkeit von seiner Fondsbeteiligung auf wirtschaftlich sinnvolle Art und Weise wieder trennen könne. Denn der Hinweis auf eine „Beratung“ der Fondsgesellschaft bei der Veräußerung von Anteilen ist nur sinnvoll, wenn voraussichtlich eine reale Möglichkeit der Veräußerung zu angemessenen Konditionen besteht. Davon ist jedoch nicht auszugehen.
Die Anlageberaterin hat auf verschiedene Entscheidungen anderer Gerichte hinwiesen, aus denen sich eine andere Beurteilung der Angaben im Prospekt zu Fungibilität ergebe. Diese Entscheidungen stehen der Beurteilung des Prospektes durch das Oberlandesgericht jedoch nicht entgegen:
Es gibt – soweit ersichtlich – nur eine veröffentlichte Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts, die denselben Prospekt betrifft. Diese Entscheidung9 hält die Angaben im Prospekt zur Fungibilität – ebenso wie das Oberlandesgericht – für unzulänglich.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 23.04.201310 betrifft einen anderen Fonds mit einem anderen Prospekt. Die Auffassung der Anlageberaterin, dass die im dortigen Prospekt enthaltenen Angaben zur Fungibilität des Gesellschaftsanteils – die der 17. Oberlandesgericht für ausreichend erachtet hat – vollständig mit dem Prospekt im vorliegenden Fall vergleichbar wären, teilt das Oberlandesgericht nicht. Es kommt hinzu, dass der Sachverhalt auch in weiteren Punkten teilweise nicht vergleichbar ist. Zum einen hatte die Fungibilität wegen des beabsichtigten Ruhestandes in 16 Jahren für die Anleger im vorliegenden Fall – anders als im Fall der Fall vom April 2013 – eine besondere Bedeutung. Außerdem hat das OLG Karlsruhe in der zitierten Entscheidung zur Frage der Fungibilität ergänzende mündliche Angaben des Vermittlers herangezogen, die es im vorliegenden Rechtsstreit nicht gibt.
Das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 30.08.201211 betrifft einen anderen Prospekt eines anderen Immobilienfonds. Das OLG Köln hat für den dortigen Fall die Prognose der Fondsinitiatoren „…die Anteile würde wegen der nachhaltigen Ertragskraft des Fonds im Wert steigen und bevorzugt gekauft werden“12, nicht beanstandet. Eine solche Einschätzung entspricht für einen „normalen“ geschlossenen Immobilienfonds nicht der Einschätzung des Bundesgerichtshofs („praktisch fehlende Aussicht, …. verkaufen zu können“)13. Es ist daher zu vermuten, dass das Oberlandesgericht Köln mit einem geschlossenen Immobilienfonds befasst war, bei welchem aus Gründen des Einzelfalles wesentlich bessere Veräußerungsmöglichkeiten in Betracht kamen, als im „Normalfall“. Die Ausführungen des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln helfen für den vorliegenden Fall daher nicht weiter.
Auch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 13.09.201314 betrifft einen anderen Fonds mit einem anderen Prospekt. Das OLG Karlsruhe weicht daher im vorliegenden Fall auch von dieser Entscheidung nicht ab.
Die Entscheidung des Landgerichts Bonn vom 26.09.201215 beschäftigt sich nicht mit der Darstellung der Fungibilität im Fonds-Prospekt. Die Entscheidung des Landgerichts Mönchengladbach vom 18.09.201216 hat die Darstellung der Fungibilität im streitgegenständlichen Prospekt in der Tat anders beurteilt als vorliegend das OLG Karlsruhe. Aus den oben erörterten Gründen kann das Oberlandesgericht Karlsruhe der Auffassung des Landgerichts Mönchengladbach jedoch nicht folgen.
Die Anlageberaterin hat die Pflichtverletzung zu vertreten. Denn ein Verschulden wird bei einer fehlerhaften Beratung grundsätzlich vermutet17. Es ist im Übrigen grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Anlagevermittler in der Lage sein muss, einzuschätzen, inwieweit ein Fonds-Prospekt bei einem Anleger einen falschen Eindruck über die mangelnde Fungibilität der Fondsanteile hervorrufen kann. Wenn einzelne Gerichte in späteren Prozessen die Formulierungen in dem Prospekt zur Fungibilität teilweise unterschiedlich verstehen, ändert dies an den Anforderungen, die an die Anlageberaterin zu stellen sind, nichts.
Die fehlerhafte Beratung war ursächlich für die Anlageentscheidung der Kundin und ihres Ehemanns. Bei zutreffender Aufklärung über die fehlende Fungibilität der Beteiligung hätten sie die Beteiligung nicht erworben und den Darlehensvertrag nicht abgeschlossen. Die Ursächlichkeit der fehlerhaften Beratung wird vermutet18. Die Vermutung ist nicht widerlegt. Vielmehr erscheint es dem Oberlandesgericht wahrscheinlich, dass die Kundin und ihr Ehemann bei zutreffender Aufklärung sich nicht für die darlehensfinanzierte Beteiligung entschieden hätten, da sie zumindest beim Eintritt des Ehemanns in den Ruhestand die Möglichkeit anderweitiger finanzieller Gestaltungen haben wollten. Dass die Kundin und ihr Ehemann die Anteile – voraussichtlich – erst nach 16 Jahren veräußern wollten, ändert entgegen der Auffassung der Anlageberaterin an der Kausalität nichts. Im Gegenteil: Wegen der Perspektive einer Veräußerung nach 16 Jahren kam es für die Anleger auf die Fungibilität in besonderem Maße an.
Die Haftung der Anlageberaterin wird nicht durch ein Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB) gemindert. Es mag zwar sein, dass nach den Erläuterungen des Geschäftsführers der Anlageberaterin bei objektiver Betrachtung für die Kundin und ihren Ehemann Unklarheiten über die Funktionsweise und die Fungibilität der Beteiligung bestehen konnten. Vertraut jedoch ein Anleger bei solchen Unklarheiten auf die Erklärungen des Beraters, kann dies den Einwand eines Mitverschuldens grundsätzlich nicht begründen19.
Die Anlageberaterin haftet zudem auch aus einem weiteren Grund. Sie war – unabhängig von der Frage einer vollständigen und zutreffenden Aufklärung über die mangelnde Fungibilität der Anteile – zu einer anlegergerechten Beratung verpflichtet. Gegen diese Verpflichtung hat die Anlageberaterin verstoßen, indem sie der Kundin eine Beteiligung an dem streitgegenständlichen Fonds empfahl. Denn diese Empfehlung war für die Ziele der Kundin – wegen der mangelnden Fungibilität – nicht geeignet. Wegen des unstreitigen Anlagezieles – voraussichtliche Veräußerung in 16 Jahren – hätte die Anlageberaterin keine Anlage empfehlen dürfen, die in 16 Jahren voraussichtlich nicht oder kaum veräußerbar war. Eine solche Empfehlung wäre nur dann anlegergerecht gewesen, wenn die Kundin und ihr Ehemann – nach entsprechender Aufklärung – ihr Anlageziel, nämlich eine beabsichtigte Veräußerung in 16 Jahren, geändert hätten. Dies ist jedoch nicht ersichtlich. Die Anlageberaterin hat nicht behauptet, dass die Kundin und ihr Ehemann im Laufe der Beratung von ihrer Planung, nämlich einer voraussichtlichen Veräußerung nach 16 Jahren, abgerückt wären.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 30. Januar 2014 – 9 U 159/11
- vgl. BGH, Urteil vom 03.12.2007 – II ZR 21/06, Rdnr. 15 ff.; BGH, Urteil vom 06.11.2008 – III ZR 290/07, Rdnr. 17 ff.[↩]
- dazu siehe unten[↩]
- BGH, Urteil vom 18.01.2007 – III ZR 44/06, Rdnr. 16; BGH, Urteil vom 19.11.2009 – III ZR 169/08, Rdnr.20[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 18.01.2007 – III ZR 44/06; BGH, Urteil vom 19.11.2009 – III ZR 169/08[↩][↩][↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 18.01.2007 – III ZR 44/06, Rdnr. 16; BGH, Urteil vom 19.11.2009 – III ZR 169/08, Rdnr.20[↩]
- vgl. dazu OLG Köln, Urteil vom 19.07.2011 – 24 U 172/10[↩]
- vgl. zu dem streitgegenständlichen Fonds die Auswertung der Geschäftsberichte der Fondsgesellschaft in der Entscheidung des OLG Köln a. a. O[↩]
- ebenso OLG Köln a. a. O., Rdnr. 24 für den gleichen Prospekt[↩]
- OLG Köln, Urteil vom 19.07.2011 – 24 U 172/10[↩]
- OLG Karslruhe Urteil vom 23.04.2013, – 17 U 51/12[↩]
- OLG Köln, Urteil vom 30.08.2012 – 18 U 79/11[↩]
- OLG Köln, a.a.O., Rdnr. 177[↩]
- BGH, Urteil vom 18.01.2007 – III ZR 44/06; BGH, Urteil vom 19.11.2009 – III ZR 169/08[↩]
- OLG Frankfurt, Urteil vom 13.09.203 – 1 U 314/11[↩]
- LG Bonn, Urteil vom 26.09.2012 – 2 O 523/11[↩]
- LG Mönchengladbach, Urteil vom 18.09.2012 – 3 O 409/11[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 18.01.2007 – III ZR 44/06, Rdnr. 18; BGH, Urteil vom 10.05.2007 – III ZR 44/06, Rdnr. 16, 17[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 03.12.2007 – II ZR 21/06, Rdnr. 16; BGH, NJW 2010, 3292, 3294[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 22.03.2011 – XI ZR 33/10, Rdnr. 41[↩]