Haftet eine das Fondsobjekt eines geschlossenen Immobilienfonds finanzierenden Bank wegen Beihilfe zu einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung der Anleger durch die Fondsinitiatoren? Mit dieser Frage hatte sich jetzt der Bundesgerichtshof zu befassen – und mangels Gehilfenvorsatzes der Bank verneint:

In dem vorliegend entschiedenen Fall ist der Bundesgerichtshof zunächst davon ausgegangen, dass die Anleger gegen die Fondsinitiatoren, Gründungsgesellschafter und Hintermänner einen deliktischen Schadensersatzanspruch wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung haben (§ 826 BGB), er hat insoweit das Verschweigen des Zwischengewinns in Höhe von rund 5 Millionen DM als sittenwidrig angesehen.
Die Qualifizierung eines Verhaltens als sittenwidrig ist eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt1. Ein Verhalten ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt2. In diese rechtliche Beurteilung ist einzubeziehen, ob es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist3. Ein Unterlassen verletzt die guten Sitten nur dann, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Hierfür reicht die Nichterfüllung einer allgemeinen Rechtspflicht, aber auch einer vertraglichen Pflicht nicht aus. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten wegen seines Zwecks oder wegen des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als „anständig“ Geltenden verwerflich machen4.
Das Verhalten der Fondsinitiatoren, Gründungsgesellschafter und Hintermänner des Fonds rechtfertigte im vorliegenden Fall ein solches Unwerturteil. Diese Personen sind als Prospektveranwortliche verpflichtet, den künftigen Anlegern ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt zu vermitteln, das heißt über alle Umstände, die für die Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über Tatsachen, die den Vertragszweck vereiteln können. Danach sind Angaben erforderlich über den Gründungsgesellschaftern, Initiatoren und Hintermännern gewährte Sondervorteile5. Ein solcher offenbarungspflichtiger Sondervorteil liegt auch dann vor, wenn wie hier durch den Zwischenerwerb einer Gesellschaft, an der die Initiatoren beteiligt sind, bei dieser ein Gewinn durch die teurere Weiterveräußerung an die Fondsgesellschaft innerhalb kurzer Zeit anfällt. Dabei spielt es keine Rolle, dass dieser Gewinn bereits vor dem Beitritt der Anleger realisiert wurde. Denn die Gefahr eines Scheiterns eines Anlageobjektes bereits in der Anfangsphase infolge derartiger Kosten besteht unabhängig davon, ob sie vor oder nach einem Beitritt der Anleger entstanden sind6. Mit der unterlassenen Aufklärung über die Generierung eines Vermögensvorteils in Höhe von rund 5 Millionen DM bzw. rund 28% des ursprünglichen Kaufpreises durch das reine Verschieben des Fondsobjekts in den eigenen Reihen binnen drei Tagen bezweckten die Prospektverantwortlichen, potentielle Anleger über einen Zwischengewinn ohne Gegenleistung und damit über einen an sie fließenden Sondervorteil zu täuschen, weil die Anleger sich wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt bei Offenbarung dieses Sondervorteils an dem Fonds nicht beteiligt hätten. Dieses Verhalten der Prospektverantwortlichen ist nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als „anständig“ Geltenden verwerflich und damit sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB.
Der Bundesgerichtshof bejahte im vorliegenden Fall auch einen Schädigungsvorsatz der Prospektverantwortlichen:
Vorsatz enthält ein „Wissens“ und ein „Wollenselement“. Der Handelnde muss die Umstände, auf die sich der Vorsatz beziehen muss im Fall des § 826 BGB die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben7. Ob Vorsatz vorliegt, ist eine Tatfrage, die das Tatgericht nach § 286 ZPO unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer gegebenenfalls durchgeführten Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden hat. An die Feststellungen des Tatgerichts ist das Revisionsgericht nach § 559 ZPO gebunden. Revisionsrechtlich ist lediglich zu überprüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt8.
Der Schaden eines durch einen fehlerhaften Fondsprospekt getäuschten Anlegers besteht bereits darin, dass er dem Fonds beigetreten ist9. Diese Schädigung haben die Prospektverantwortlichen gekannt und gewollt. Das Berufungsgericht hat aus dem planmäßigen Vorgehen der Fondsinitiatoren nicht nur beim streitgegenständlichen Fonds, sondern auch bei einer Mehrzahl von Fonds, die durch dieselbe Initiatorengruppe aufgelegt und bei denen ebenfalls vergleichbare Zwischengewinne erzielt und verschwiegen wurden, darauf geschlossen, dass sie um die Schädigung der Anleger wussten und dies auch wollten. Zwar stellt auch das nur einmalige sittenwidrige Verschweigen von Sondervorteilen eine vorsätzliche Schädigung von Anlegern dar. Erst Recht ist aber der Schädigungsvorsatz bei wiederholter gleichartiger Begehung zu bejahen.
Keine Beihilfe der Bank
Allerdings verneinte der Bundesgerichtshof eine Beihilfe der Bank zu der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigungshandlung der Fondsinitiatoren nach § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB:
Die Voraussetzungen einer Teilnahme an einer unerlaubten Handlung im Sinne des § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB richten sich nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Danach verlangt die Teilnahme neben der Kenntnis der Tatumstände wenigstens in groben Zügen den jeweiligen Willen der einzelnen Beteiligten, die Tat gemeinschaftlich mit anderen auszuführen oder sie als fremde Tat zu fördern; objektiv muss eine Beteiligung an der Ausführung der Tat hinzukommen, die in irgendeiner Form deren Begehung fördert und für diese relevant ist. Für den einzelnen Teilnehmer muss ein Verhalten festgestellt werden, das den rechtswidrigen Eingriff in ein fremdes Rechtsgut unterstützt hat und das von der Kenntnis der Tatumstände und dem auf die Rechtsgutsverletzung gerichteten Willen getragen war10.
Im hier entschiedenen Fall lagen zwar die objektiven Voraussetzungen einer Teilnahme der Bank an der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung der Anleger vor, jedoch fehlt es an den erforderlichen subjektiven Voraussetzungen:
In der Gewährung des Objektfinanzierungsdarlehens ist eine objektive Unterstützungshandlung der Bank zu sehen. Auch so genannte neutrale bzw. berufstypische Handlungen können grundsätzlich eine objektive Hilfeleistung darstellen. Diese sind jedoch nur dann als Beihilfe zu werten, wenn das Handeln des Haupttäters ausschließlich auf die Begehung einer strafbaren Handlung abzielt und der Hilfe Leistende Kenntnis hiervon hat. Weiß dieser nicht, wie sein Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, sondern hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat benutzt wird, ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ11. Eine solche neutrale bzw. berufstypische Handlung ist auch in der Darlehensgewährung der Bank an die Fondsgesellschaft zu sehen, die für sich gesehen mit einer arglistigen Täuschung durch den Fondsprospekt nichts zu tun hat. Die Qualifizierung dieser neutralen Handlung als Beihilfehandlung kommt aber nur in Betracht, wenn die Bank auch die Voraussetzungen des subjektiven Tatbestandes erfüllt, was vorliegend nicht der Fall war.
So hat sich der Bundesgerichtshof nicht in der Lage gesehen, bereits eine Kenntnis der Bank von den Tatumständen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung festzustellen.
Auch ein bewusstes Verschließen der Bank vor der Erkenntnis sittenwidrigen Handelns der Fondsinitiatoren, setzt voraus, dass die Unkenntnis auf einem gewissenlosen oder grob fahrlässigen (leichtfertigen) Handeln beruht12, etwa weil Berufspflichten in solchem Maße leichtfertig verletzt wurden, dass das Verhalten als bedenkenund gewissenlos zu bezeichnen ist13. Aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns kann sich die Schlussfolgerung ergeben, dass mit Schädigungsvorsatz gehandelt worden ist; von vorsätzlichem Handeln ist auszugehen, wenn der Schädiger so leichtfertig gehandelt hat, dass er eine Schädigung des anderen Teils in Kauf genommen haben muss13. Vorliegend war der Bank das planmäßige Vorgehen der Fondsinitiatoren bei mehreren Fonds nicht bekannt, so dass sich ihr bereits aus diesem Grund auch kein sittenwidriges Geschäftsmodell der Fondsinitiatoren aufdrängen musste.
Auch aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29.09.200914 ergibt sich hier nichts anderes. In dem dort zu entscheidenden Sachverhalt hatte die finanzierende Bank nach dem dortigen Anlegervortrag, der bestritten, aber für das Revisionsverfahren zu unterstellen war15 angeblich eine Prüfung des Fondsprospektes vorgenommen und die darin enthaltene Passage über die Haftungs- und Verwertungsreihenfolge entdeckt, diese jedoch bei der Objektfinanzierung in Absprache mit dem Fondsinitiator nicht umgesetzt, ohne auf eine Änderung des Prospektes hinzuwirken. Ein vergleichbarer Sachverhalt ist vorliegend aber weder festgestellt noch vom Anleger aufgezeigt worden.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 3. Dezember 2013 – XI ZR 295/12
- BGH, Urteil vom 25.03.2003 – VI ZR 175/02, BGHZ 154, 269, 274 f.; und vom 04.06.2013 – VI ZR 288/12, WM 2013, 1310 Rn. 14, jeweils mwN[↩]
- st. Rspr. seit RGZ 48, 114, 124[↩]
- BGH, Urteile vom 20.11.2012 – VI ZR 268/11, WM 2012, 2377 Rn. 25; und vom 04.06.2013 – VI ZR 288/12, WM 2013, 1310 Rn. 14, jeweils mwN[↩]
- BGH, Urteile vom 20.11.2012 – VI ZR 268/11, aaO; und vom 04.06.2013 VI ZR 288/12, aaO, jeweils mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 10.10.1994 – II ZR 95/93, WM 1994, 2192, 2193 mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 07.04.2003 – II ZR 160/02, WM 2003, 1086, 1088[↩]
- BGH, Urteile vom 20.12.2011 – VI ZR 309/10, WM 2012, 260 Rn. 10 mwN; vom 26.08.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 346, vom 07.12.1999 – 1 StR 538/99; Beschluss vom 16.04.2008 – 5 StR 615/07, NStZ-RR 2008, 239, 240[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 20.12.2011 – VI ZR 309/10, WM 2012, 260 Rn. 13 mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 05.07.1993 – II ZR 194/92, BGHZ 123, 106, 111 ff. mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 15.05.2012 – VI ZR 166/11, WM 2012, 1333 Rn. 17 mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 15.05.2012 – VI ZR 166/11, WM 2012, 1333 Rn. 27 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 11.09.2012 – VI ZR 92/11, WM 2012, 2195 Rn. 31 mwN[↩]
- BGH aaO[↩][↩]
- BGH, Urteil vom 29.09.2009 – XI ZR 179/07, WM 2009, 2210 Rn. 21 f.[↩]
- BGH, Urteil aaO Rn. 21 f., nachfolgend KG, Urteil vom 01.12.2010 – 24 U 185/09; vgl. auch zu den dort relevanten Prospektangaben BGH, Urteil vom 05.03.2013 – II ZR 252/11, WM 2013, 734 Rn. 11 ff. mwN[↩]