Haftung des Treuhandkommanditisten gegenüber den Anlegern

Ein Treuhandkommanditist, der auch eigene Anteile an der Gesellschaft hält, haftet bei einer Verletzung der Aufklärungspflicht gegenüber den Anlagegesellschaftern wie ein Gründungsgesellschafter. Ein Verschulden eines Verhandlungsgehilfen ist ihm nach § 278 BGB zuzurechnen.

Haftung des Treuhandkommanditisten gegenüber den Anlegern

Haftung des Treuhandkommanditisten

Die Prospekthaftung im weiteren Sinne ist ein Anwendungsfall der Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB1. Danach obliegen dem, der selbst oder durch einen Verhandlungsgehilfen einen Vertragsschluss anbahnt, gewisse Schutz- und Aufklärungspflichten gegenüber seinem Verhandlungspartner, bei deren Verletzung er auf Schadensersatz haftet2. Diese Haftung wird – wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat – durch die spezialgesetzlichen Formen der Prospekthaftung nicht außer Kraft gesetzt3.

Abgesehen von dem Sonderfall des § 311 Abs. 3 BGB, in dem auch ein Dritter haften kann, wenn er in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat, trifft die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss denjenigen, der den Vertrag im eigenen Namen abschließen will4. Das sind bei einem Beitritt zu einer Kommanditgesellschaft grundsätzlich die schon beigetretenen Gesellschafter. Denn der Aufnahmevertrag wird bei einer Personengesellschaft zwischen dem neu eintretenden Gesellschafter und den Altgesellschaftern geschlossen5. Die Komplementärin kann dabei bevollmächtigt werden, im Namen der übrigen Gesellschafter zu handeln, was hier in § 5 Abs. 5 der Gesellschaftsverträge geschehen ist.

Weiterlesen:
Abbuchungsauftrag und Insolvenzanfechtung

Bei einer Publikumsgesellschaft – wie hier bei den Fondsgesellschaften – ist eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss nur insoweit ausgeschlossen, als sie sich gegen Altgesellschafter richten würde, die nach der Gründung der Gesellschaft rein kapitalistisch beigetreten sind und auf die Vertragsgestaltung und die Beitrittsverhandlungen und abschlüsse erkennbar keinerlei Einfluss haben6. Sie sind in der Regel bei ihrem Beitritt ebenso nicht ordnungsgemäß über die Risiken der Anlage aufgeklärt worden wie die Neugesellschafter. Es wäre deshalb unbillig, wenn bei dieser Sachlage die früher beigetretenen Anlagegesellschafter den später beigetretenen haften würden.

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Dabei kann offen bleiben, ob die Schuldnerin zu den Gründungskommanditisten der Fondsgesellschaften gehört. Denn jedenfalls war sie schon Gesellschafterin, als sich die ersten Anleger an den Fondsgesellschaften beteiligt haben. Diese Gesellschafterstellung erschöpfte sich auch nicht in dem treuhänderischen Halten von Beteiligungen der Treugeber. Die Schuldnerin hielt vielmehr auch jeweils einen eigenen Anteil. Damit war sie nicht nur Treuhandgesellschafterin, so dass offen bleiben kann, ob ein Treuhandgesellschafter, der ausschließlich als solcher beteiligt ist, einem geringeren Pflichtenkatalog unterliegt. Die Schuldnerin haftet vielmehr – auch – als „normale“ Gesellschafterin. Ihr kommen die Haftungserleichterungen für rein kapitalistische Anleger nicht zugute. Anders als jene verfolgt sie nicht ausschließlich Anlageinteressen. Sie erhält für ihre Dienste nach § 11 der Treuhandverträge ein einmaliges Entgelt und sodann eine jährliche Vergütung. Auch war sie nicht – wie ein nur kapitalistisch beteiligter Anlagegesellschafter – erkennbar von jedem Einfluss auf die Vertragsgestaltung und die Einwerbung von neuen Gesellschaftern ausgeschlossen. Unabhängig von der Frage, ob sie tatsächlich auf die Gestaltung des Gesellschafts- und des Treuhandvertrages Einfluss genommen hat, war das aufgrund ihrer Einbindung in die Gesellschaftsstruktur jedenfalls aus der Sicht der Anleger nicht ausgeschlossen. Die Anleger mussten daher auch nicht davon ausgehen, dass die Schuldnerin zu ihrem Gesellschaftsbeitritt und ihrer Tätigkeit als Treuhänderin ausschließlich mit den Informationen gewonnen worden war, die sich aus dem Prospekt ergaben. Zumindest aber hatte die Schuldnerin insoweit einen eigenen Handlungsspielraum, als sie die Angebote auf Abschluss von Treuhandverträgen annehmen oder ablehnen konnte und ohne ihre Annahmeerklärung solche Verträge nicht zustande kommen konnten.

Weiterlesen:
Kreditverträge: Diese Rechte haben Verbraucher

Dass der Kläger nicht – unmittelbar – als Kommanditist, sondern nur mittelbar über die Schuldnerin als Treuhänderin beteiligt werden wollte – wie das Berufungsgericht festgestellt hat und was die Revision daher ohne Erfolg in Frage stellt7 , ist für die Haftung der Schuldnerin als Gesellschafterin der Fondsgesellschaften ebenfalls ohne Bedeutung. Denn aufgrund der Ausgestaltung der Treuhandverhältnisse in § 6 der Gesellschaftsverträge und § 8 der Treuhandverträge sollte der Kläger im Innenverhältnis so gestellt werden, als wäre er – unmittelbarer – Gesellschafter8. Dann aber würde ihm die Schuldnerin – in ihrer Eigenschaft als Altgesellschafterin – persönlich für Verletzungen der vorvertraglichen Aufklärungspflicht auf Schadensersatz haften.

Dass die Beitrittsinteressenten neben dem Treuhandmodell die Möglichkeit hatten, auch als – unmittelbare – Gesellschafter den Fondsgesellschaften beizutreten, spielt keine Rolle. Denn jedenfalls war die Schuldnerin für den Großteil der Anleger, die nur treuhänderisch beitreten wollten, notwendige Vertragspartnerin9.

Haftung für Verhandlungsgehilfen

Für eine Zurechnung des Verschuldens eines Verhandlungsgehilfen nach § 278 Satz 1 BGB reicht es aus, dass der spätere Vertragspartner – hier die Schuldnerin hinsichtlich der im Innenverhältnis einer Beteiligung als Gesellschafter gleichstehenden Treuhandverträge – die Vertragsverhandlungen nicht selbst führt und dabei auch nicht selbst die etwaigen Aufklärungspflichten erfüllt, sondern sich dazu der Hilfe eines anderen bedient (BGH, Urteil vom 14. Mai 2012 – II ZR 69/12, ZIP 2012, 1289 Rn. 10; Urteil vom 21. September 1987 – II ZR 265/86, NJW-RR 1988, 161). Der Verhandlungsgehilfe muss entgegen der Auffassung der Revision keine Abschlussvollmacht haben (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1989 – V ZR 259/87, NJW 1990, 1661, 1662; Erman/Kindl, BGB, 13. Aufl., § 311 Rn. 24). Entscheidend ist allein, dass er nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Falles mit dem Wissen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als dessen Hilfsperson tätig wird (BGH, Urteil vom 8. Februar 1974 – V ZR 21/72, BGHZ 62, 119, 124, Urteil vom 9. Oktober 1986 – I ZR 138/84, BGHZ 98, 330, 334; Urteil vom 3. Mai 2011 – XI ZR 373/08, WM 2011, 1465 Rn. 24).

Weiterlesen:
Der nach der Anlageberatung blind unterschriebene Zeichnungsschein

Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. Juli 2013 – II ZR 9/12

  1. st. Rspr., s. etwa BGH, Urteile vom 23.04.2012 – II ZR 75/10, ZIP 2012, 1342 Rn. 9 und II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 23[]
  2. MünchKomm-BGB/Emmerich, 5. Aufl., § 311 Rn. 112[]
  3. Suchomel, NJW 2013, 1126, 1129 ff.; Nobbe, WM 2013, 193, 204; Wagner in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl., § 15 Rn. 187, aA Reinelt, NJW 2009, 1, 3; zur Haftung von Wirtschaftsprüfern s. BGH, Urteil vom 21.02.2013 – III ZR 139/12, ZIP 2013, 935 Rn. 13; s. auch BGH, Urteil vom 21.03.2013 – III ZR 182/12, ZIP 2013, 921 Rn. 23[]
  4. BGH, Urteil vom 23.04.2012 – II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 23[]
  5. BGH, Urteil vom 23.04.2012 – II ZR 75/10, ZIP 2012, 1342 Rn. 9[]
  6. BGH, Urteil vom 24.04.1978 – II ZR 172/76, BGHZ 71, 284, 286; Urteil vom 30.03.1987 – II ZR 163/86, ZIP 1987, 912, 913; Urteil vom 19.07.2004 – II ZR 354/02, ZIP 2004, 1706, 1707; Urteil vom 20.03.2006 – II ZR 326/04, ZIP 2006, 849 Rn. 7[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 08.01.2007 – II ZR 334/04, NJW-RR 2007, 1434 Rn. 11[]
  8. vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2012 – II ZR 69/12, ZIP 2012, 1289 Rn. 17 f.; Urteile vom 23.04.2012 – II ZR 75/10, ZIP 2012, 1342 Rn. 9 und II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 10; Urteil vom 13.07.2006 – III ZR 361/04, ZIP 2006, 1631 Rn. 10; Urteil vom 20.03.2006 – II ZR 326/04, ZIP 2006, 849 Rn. 7[]
  9. vgl. BGH, Urteil vom 15.07.2010 – III ZR 321/08, ZIP 2010, 1801 Rn. 9[]
Weiterlesen:
Ratenschutz-Versicherung - und der Riskoausschluss