Wie kann die spezialgesetzliche Prospekthaftung von der Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss abgegrenzt werden? Auf diese Frage wird schon seit längeren auf eine Antwort des Bundesgerichtshof gewartet. Diese wird sich nun aber wohl noch etwas verzögern.

Beim II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs sind mehrere Verfahren anhängig, die die Haftung von Gründungsgesellschaftern einer Publikumskommanditgesellschaft betreffen, die Immobilieninvestments auf dem US-amerikanischen Markt plante. Die Anleger, die sich Ende 2010 bzw. im Jahr 2011 an der Gesellschaft beteiligten, machen geltend, sie seien nicht hinreichend über kapitalmäßige bzw. personelle Verflechtungen aufgeklärt worden.
Die im Wesentlichen auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht gerichteten Klagen hatten in den Vorinstanzen Erfolg. Mit ihren Beschwerden wenden sich die Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision. Sie verweisen insbesondere auf die Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, nach der die spezialgesetzliche Prospekthaftung gemäß den § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung in ihrem Anwendungsbereich eine Haftung der Gründungsgesellschafter als Prospektveranlasser unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB ausschließe (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237).
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichts hat demgegenüber am 25. Oktober 2022 entschieden, dass die spezialgesetzliche Prospekthaftung gemäß den § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung in ihrem Anwendungsbereich eine gesellschaftsrechtliche Haftung der Gründungs- bzw. Altgesellschafter wegen einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung gemäß § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB nicht ausschließe (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2022 – II ZR 22/22). Ein Vorlageverfahren gemäß § 132 Abs. 2, Abs. 3 GVG kam in dem betreffenden Fall nicht in Betracht, weil die Rechtsfrage, die der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs anders als der XI. Zivilsenat beantwortet, im Streitfall nicht entscheidungserheblich war.
Der II. Zivilsenat hatte im Verfahren II ZR 56/21 die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen und für den 21. März 2023 Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt. Die beklagten Gründungsgesellschafterinnen haben jedoch ihre Revision vor der Verhandlung zurückgenommen, sodass der Termin aufgehoben werden musste.
In den ähnlich gelagerten Verfahren II ZR 57/21, II ZR 58/21 und II ZR 59/21 hat der Bundesgerichtshof die Revision nunmehr durch Beschlüsse vom 21. März 2023 zugelassen.
Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 21. März 2022 – II ZR 57/21, II ZR 58/21 und II ZR 59/21
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- Bundesgerichtshof (Empfangsgebäude): Nikolay Kazakov