Kapitalanlageprospekt – und die notwendige Aufklärung des Anlegers

Einem Anleger muss für seine Beitrittsentscheidung ein richtiges Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden, das heißt er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden1, wozu auch eine Aufklärung über Umstände gehört, die den Vertragszweck vereiteln können2.

Kapitalanlageprospekt – und die notwendige Aufklärung des Anlegers

Wird dem Anlageinteressenten statt einer rein mündlichen Aufklärung im Rahmen des Vertragsanbahnungsgesprächs ein Prospekt über die Kapitalanlage überreicht, kann das als Mittel der Aufklärung genügen. Dann muss der Prospekt aber nach Form und Inhalt geeignet sein, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln. Außerdem muss er dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor Vertragsschluss überlassen werden, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann3.

Wird der Prospekt nicht vor der Zeichnung übergeben, erfolgt die Vermittlung aber auf Grundlage des Prospekts, gilt nichts anderes, da sich etwaige Prospektmängel in das Beratungsgespräch hinein fortsetzen und genauso wirken, wie wenn dem Anleger der Prospekt rechtzeitig übergeben worden wäre und er kein Gespräch mit dem Anlagevermittler geführt, sondern sich alleine aus dem Prospekt informiert hätte3.

Ob ein Prospekt, mit dem der Anleger über die mit der Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken aufgeklärt werden soll, unrichtig oder unvollständig ist, ist nicht allein anhand der wiedergegebenen Einzeltatsachen, sondern nach dem Gesamtbild zu beurteilen, das er von den Verhältnissen des Unternehmens vermittelt. Dabei ist auf den Empfängerhorizont abzustellen, wobei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die Kenntnisse und Erfahrungen eines durchschnittlichen Anlegers abzustellen ist, der als Adressat des Prospekts in Betracht kommt und der den Prospekt sorgfältig und eingehend gelesen hat4.

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Der Prospekt muss die wesentlichen kapitalmäßigen und personellen Verflechtungen zwischen einerseits der Fondsgesellschaft, ihren Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern und andererseits den Unternehmen sowie deren Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern, in deren Hand die Beteiligungsgesellschaft die nach dem Prospekt durchzuführenden Vorhaben ganz oder wesentlich gelegt hat, und der diesem Personenkreis gewährten Sonderzuwendungen oder Sondervorteile darstellen5. Dazu gehört auch eine umfassende Aufklärung über Sonderzuwendungen, die den Gründungsgesellschaftern einer Fondsgesellschaft außerhalb des Gesellschaftsvertrages eingeräumt werden6.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass im Falle einer so genannten offenen oder qualifizierten Treuhand die an der Gesellschaft Beteiligten ihr gesellschafterliches Innenverhältnis so gestalten können, als ob die Treugeber selbst Gesellschafter wären. Durch eine solche Regelung besteht für die Beteiligten die Möglichkeit, ihre Rechtsbeziehungen untereinander der wirklichen Sachlage anzupassen. In dieser Hinsicht, d.h. bezogen auf das Innenverhältnis, sind sie durch zwingendes Recht nicht eingeschränkt. Die Gestaltung ihrer internen Rechtsbeziehungen ist im Allgemeinen einer freien vertraglichen Vereinbarung zugänglich7.

Die Prospekthaftung im weiteren Sinn knüpft als Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB an die (vor)vertraglichen Beziehungen zum Anleger an. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass bei einem Beitritt zu einer Gesellschaft, der sich durch Vertragsschluss mit den übrigen Gesellschaftern vollzieht, solche (vor)vertraglichen Beziehungen zwischen Gründungsgesellschaftern und dem über einen Treuhänder beitretenden Anleger jedenfalls dann bestehen, wenn der Treugeber nach dem Gesellschaftsvertrag – wie hier – wie ein unmittelbar beigetretener Kommanditist behandelt werden soll8.

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Enthält ein Prospekt unrichtige Angaben und wird dieser bei der Anwerbung von Anlegern in Kenntnis der wahren Verhältnisse verwendet, dann ergibt sich daraus im Regelfall nicht nur die Verletzung der Aufklärungspflicht, sondern auch das Verschulden der handelnden Personen9. Die nähere Prüfung des Verschuldens wird dann erforderlich, wenn besondere Umstände vorgetragen sind, die die unterlassene Aufklärung als nicht schuldhaft erscheinen lassen. Solche das Verschulden ausschließenden Umstände können auch darin liegen, dass die für die Anlagegesellschaft handelnden Personen irrig davon ausgegangen sind, es bedürfe keines klarstellenden Hinweises an den Anleger, wobei die Entschuldigung auf Grund eines Rechtsirrtums nur unter engen Voraussetzungen in Betracht kommt10. Der Schuldner hat die Rechtslage sorgfältig zu prüfen, soweit erforderlich, Rechtsrat einzuholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig zu beachten11.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24. Februar 2015 – II ZR 104/13

  1. BGH, Urteil vom 23.04.2012 – II ZR 75/10, ZIP 2012, 1342 Rn. 13; Urteil vom 23.04.2012 – II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 13; Beschluss vom 23.09.2014 – II ZR 317/13; Beschluss vom 23.09.2014 – II ZR 320/13[]
  2. BGH, Urteil vom 23.04.2012 – II ZR 75/10, ZIP 2012, 1342 Rn. 13; Urteil vom 23.04.2012 – II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 13; Beschluss vom 29.07.2014 – II ZB 1/12, ZIP 2014, 2121 Rn. 31[]
  3. BGH, Beschluss vom 23.09.2014 – II ZR 317/13; Beschluss vom 23.09.2014 – II ZR 320/13[][]
  4. BGH, Urteil vom 23.04.2012 – II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 13; Urteil vom 23.04.2012 – – II ZR 75/10, ZIP 2012, 1342 Rn. 13; Beschluss vom 29.07.2014 – II ZB 1/12, ZIP 2014, 2121 Rn. 47; Beschluss vom 23.09.2014 – II ZR 317/13 11; Beschluss vom 23.09.2014 – II ZR 320/13 11[]
  5. BGH, Urteil vom 15.07.2010 – III ZR 321/08, ZIP 2010, 1801 Rn. 25; Beschluss vom 15.01.2013 – II ZR 43/12 7; Beschluss vom 23.09.2014 – II ZR 320/13 23[]
  6. BGH, Urteil vom 24.04.2007 – XI ZR 340/05, ZIP 2007, 1255 Rn. 16; Beschluss vom 15.01.2013 – II ZR 43/12 7[]
  7. BGH, Urteil vom 11.10.2011 – II ZR 242/09, ZIP 2011, 2299 Rn. 16; Urteil vom 20.01.2015 – II ZR 444/13, ZIP 2015, 630 Rn. 8 beide mwN[]
  8. vgl. BGH, Urteil vom 30.03.1987 – II ZR 163/86, ZIP 1987, 912, 913; Urteil vom 23.04.2012 – II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 10; Urteil vom 23.04.2012 – II ZR 75/10, ZIP 2012, 1342 Rn. 9; Urteil vom 09.07.2013 – II ZR 193/11; Urteil vom 09.07.2013 – II ZR 9/12, ZIP 2013, 1616 Rn. 30[]
  9. BGH, Urteil vom 24.05.1982 – II ZR 124/81, BGHZ 84, 141, 148; Urteil vom 28.09.1992 – II ZR 224/91, ZIP 1992, 1561; Beschluss vom 29.07.2014 – II ZB 1/12, ZIP 2014, 2121 Rn. 77[]
  10. BGH, Urteil vom 28.09.1992 – II ZR 224/91, ZIP 1992, 1561, mwN; Beschluss vom 29.07.2014 – II ZB 1/12, ZIP 2014, 2121 Rn. 77[]
  11. BGH, Beschluss vom 15.01.2013 – II ZR 43/12; Beschluss vom 29.07.2014 – II ZB 1/12, ZIP 2014, 2121 Rn. 77 mwN[]
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