Richtet sich im Verfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz die Rechtsbeschwerde eines Musterbeklagten gegen ein Feststellungsziel und verfolgt der Musterkläger mit der Anschlussrechtsbeschwerde ein anderes Feststellungsziel, das sich inhaltlich nur auf die übrigen, nicht am Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligten Musterbeklagten und nicht auf den Rechtsbeschwerdeführer bezieht, ist die Anschlussrechtsbeschwerde insoweit unzulässig.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass mit einem unselbstständigen Anschlussrechtsmittel nur ein Antrag innerhalb des Hauptrechtsmittels geltend gemacht werden kann, da es sich seinem Wesen nach um kein Rechtsmittel, sondern um einen angriffsweise wirkenden Antrag innerhalb des gegnerischen Rechtsmittels handelt. Ein unselbstständiges Anschlussrechtsmittel, das sich auf einen anderen als den vom Hauptrechtsmittel erfassten prozessualen Anspruch bezieht, ist daher unstatthaft1.
Durch die Verfolgung des Feststellungsziels 5a halten sich die Anschlussrechtsbeschwerden im vorliegenden FAll schon deswegen nicht innerhalb des Gegenstands der Hauptrechtsbeschwerde, weil sich dieses Feststellungsziel nicht auf die Musterbeklagten zu 1 und 2, sondern nur auf die Musterbeklagten zu 4 bis 13 bezieht. Dies ergibt sich aus einem Vergleich der Feststellungsziele 3, 5a und 5b. Mit dem Feststellungsziel 3 sollte festgestellt werden, dass die Prospektmängel für die Musterbeklagten zu 1 und 2 bei der gebotenen sachkundigen Prüfung mit üblicher Sorgfalt erkennbar gewesen seien. Damit sollte eine weitere Anspruchsvoraussetzung der Prospekthaftung im weiteren Sinne gegenüber den Musterbeklagten zu 1 und 2 festgestellt werden. Das Feststellungsziel 5a hingegen ist auf die Feststellung gerichtet, dass die Prospektfehler im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung bzw. einer Prüfung mit banküblichem kritischen Sachverstand erkennbar waren. Damit greift es zum einen die Verpflichtung einer Bank auf, eine Anlage, die sie empfehlen will, mit banküblichem kritischen Sachverstand zu prüfen2, und knüpft zum anderen an die Pflicht eines Anlagevermittlers an, den Prospekt im Rahmen der geschuldeten Plausibilitätsprüfung auf bestimmte Umstände hin zu überprüfen3. Mit dem auf Antrag eines Musterbeklagten eingeführten Feststellungsziel 5b wiederum wird ausdrücklich auf die Pflicht eines Anlageberaters Bezug genommen, mit üblichem kritischen Sachverstand den Emissionsprospekt zu prüfen. Auch aus Ziffer 2 der Gründe des Beschlusses des Oberlandesgerichts vom 05.02.2019, mit dem das Musterverfahren um die Feststellungsziele 5a und b erweitert worden ist, ergibt sich, dass diese Feststellungsziele sich nur auf die Haftung von Anlagevermittlern, Anlageberatern und beratenden Banken beziehen sollten.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26. April 2022 – XI ZB 32/19
- vgl. BGH, Urteile vom 26.01.2001 – V ZR 462/99 28; und vom 22.11.2007 – I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 36 ff.; Beschluss vom 29.01.2019 EnVR 63/17, EnWZ 2019, 169 Rn. 41 ff.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 23.02.2021 – XI ZR 191/17, WM 2021, 2042 Rn. 31 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 30.03.2017 – III ZR 139/15, WM 2017, 800 Rn. 9 mwN[↩]
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