Kündigung eines Prämiensparvertrages

Einer Sparkasse steht bei einem Prämiensparvertrag nach Erreichen der höchsten Prämienstufe ein Recht zur ordentlichen Kündigung aus Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen zu.

Kündigung eines Prämiensparvertrages

Die Klausel in Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen begegnet auch keinen Wirksamkeitsbedenken nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, da sie die Wirksamkeit einer Kündigung der Sparkasse, einer Anstalt des öffentlichen Rechts; vom Vorliegen eines sachlichen Grundes abhängig macht1.

Das Oberlandesgericht teilt die Auffassung des Landgerichts Lüneburg2, dass die Sparkasse den Vertrag mit der Sparkassenkundin nach Erreichen der höchsten Prämienstufe kündigen konnte, weil sie auf das ordentliche Kündigungsrecht aus Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen nur bis zu diesem Zeitpunkt, nicht aber zeitlich unbegrenzt oder bis zum Ablauf des 30. Sparjahres verzichtet hat.

Nach dem Inhalt des ohne ausdrückliche feste Laufzeit abgeschlossenen Prämiensparvertrages zwischen den Parteien hat die Sparkasse die Zahlung einer bis zum 22. Sparjahr ansteigenden Sparprämie versprochen. Ein umfassender – d.h. zeitlich unbegrenzter – Verzicht auf das Recht zur ordentlichen Kündigung des Sparvertrags lässt sich den Vertragsunterlagen nicht entnehmen. Im Gegenteil enthält Nr. 4 Satz 1 der Bedingungen für den Sparverkehr eine Regelung zur Kündigungsfrist, die ein Recht zur Kündigung – hier nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen – voraussetzt3.

Bei der deshalb notwendigen Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen in der Gesamtschau ist das Landgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Sparkasse eine ordentliche Kündigung nach erstmaligem Erreichen der höchsten Prämienstufe möglich sein sollte, so dass – wie der Bundesgerichtshof in dem vorstehend zitierten Urteil in Bezug auf einen Sparvertrag mit einer Prämienstaffelung über 15 Jahre entschieden hat4 – für die Sparkasse das ordentliche Kündigungsrecht (nur) bis zum Ablauf des 22. Sparjahres ausgeschlossen war. Danach war der Sparvertrag zwar nicht automatisch beendet, sondern lief weiter. Nach dem Vertragsinhalt stand der Sparkasse jedoch ab diesem Zeitpunkt ein Recht zur ordentlichen Kündigung nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen unter Beachtung der in Nr. 4 Satz 1 der Bedingungen für den Sparverkehr geregelten Auslauffrist von drei Monaten zu. Etwas anderes ergibt sich weder aus der im Vertrag enthaltenen Auflistung der Prämienstaffel noch aus den der Sparkassenkundin übersandten Jahreskontoauszügen.

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Ein Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts für mindestens 30 Jahre ergibt sich nicht daraus, dass die Sparkasse hier in der schriftlichen Vertragsbestätigung vom 05.08.1998 – und nicht etwa, wie im vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall, nur in einem in der Werbung für das Sparprodukt verwendeten Werbeflyer5 – eine Auflistung der Prämienhöhe über den Zeitpunkt des erstmaligen Erreichens der höchsten Prämienstufe hinaus bis zum 30. Sparjahr vorgenommen hat.

Der Bundesgerichtshof hat seine Entscheidung damit begründet, dass bei einer interessengerechten Auslegung des Sparvertrages der von der Sparkasse gesetzte besondere Sparanreiz in erster Linie in der kontinuierlich – hier bis zum 22. Sparjahr – steigenden Prämienhöhe liege. Dagegen könne ein Sparer redlicherweise nicht erwarten, dass ihm mit dem Abschluss des Sparvertrages eine zeitlich unbegrenzte Sparmöglichkeit eröffnet werden solle6. Allein der Umstand, dass die Sparkasse im vorliegenden Fall die unstreitig im 22. Jahr erreichte höchste Prämienstufe auch für weitere Jahre aufgelistet hat, anstatt eine inhaltsgleiche Formulierung wie etwa „ab dem 22. Sparjahr“ oder „nach dem 22. Sparjahr“ zu wählen, ändert nichts daran, dass die Sparkasse bereits mit dem erstmaligen Erreichen dieser Stufe und der darin liegenden Verwirklichung des maximalen Sparanreizes der steigenden Prämien zur ordentlichen Kündigung berechtigt war7. Es bleibt also dabei, dass die vertragliche Regelung dahin zu verstehen ist, dass der Sparer lediglich einseitig bestimmen kann, ob er bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe – also 22 Jahre lang – spart. Im Übrigen handelt es sich lediglich um eine klarstellende Aufstellung des Prämienverlaufs, dem bei interessengerechter Vertragsauslegung nicht entnommen werden kann, dass das Kreditinstitut hiermit auf das Kündigungsrecht trotz Erreichens der höchsten Prämienstufe für weitere 8 Jahre verzichten wollte.

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Schließlich folgt nach Ansicht des Oberlandesgericht Celle auch keine andere Bewertung aus dem auf den Jahreskontoauszügen vermerkten „Fälligkeitsdatum: 05.08.2097“.

Insofern kann dahinstehen, ob es sich – wie die Sparkasse behauptet – bei der Angabe dieses Datums um einen aus technischen Gründen im EDV-System der Sparkasse einzusetzenden „Platzhalter“ handelt, der fiktiv mit 99 Jahren hinterlegt wird. Denn jedenfalls führt diese Angabe auf dem Kontoauszug nicht dazu, dass der unbefristet abgeschlossene Vertrag hierdurch – vertragsändernd – mit einer Laufzeit von 99 Jahren geschlossen worden wäre. Unabhängig von dem Umstand, dass die Sparkassenkundin im vorliegenden Fall ausweislich der gestellten Anträge offenbar selbst nicht davon ausgeht, mit der Sparkasse eine feste Laufzeit bis zum 5.08.2097 vereinbart zu haben, beinhaltet ein Finanzstatus als nachträglicher erstellter Kontoauszug nur allgemeine Informationen des Kunden über seine Konten und seine Geschäftsbeziehungen und wird im Regelfall nicht mit Rechtsbindungswillen in dem Sinne erstellt, dass mit ihm eine vertragsändernde Erklärung abgegeben werden soll8. Aus diesem Grund liegt in der Angabe dieses Fälligkeitsdatums auch kein konkludenter Verzicht auf das Kündigungsrecht der Sparkasse. Zwar können nachvertragliche Äußerungen der Parteien bei der Ermittlung dessen, was nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien Gegenstand des Vertrages sein sollte, zu berücksichtigen sein. Es fehlt aber an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass die bloße Angabe einer Fälligkeit in dem Jahreskontoauszug, die im Widerspruch zum sonstigen Vertragsinhalt steht, als Angabe des Zeitpunktes gemeint sein sollte, zu dem die Sparkasse das Vertragsverhältnis durch einseitige Erklärung frühestens würde beenden können9.

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Insofern ist der vorliegende Sachverhalt abzugrenzen von anderen Fällen, wie sie etwa Gegenstand des Urteils des Oberlandesgerichts Dresden vom 21.11.201910 und des Urteils des Landgerichts Stendal vom 14.11.201911 waren, in denen im Prämiensparvertrag selbst die Laufzeit 1188 Monaten (= 99 Jahren) enthalten war.

Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 18. Oktober 2021 – 3 U 140/21

  1. vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18, Rn. 34[]
  2. LG Lüneburg, Urteil vom 14.07.2021 – 5 O 480/20[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18, Rn. 37[]
  4. vgl. BGH, a.a.O., Rn. 38 ff.[]
  5. vgl. BGH, a.a.O., Rn. 43[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18, Rn. 42[]
  7. so auch: BayObLG, Hinweisbeschluss vom 27.01.2021 – 1 MK 1/20; LG Deggendorf, Urteil vom 24.09.2020 – 31 O 232/20, Rn. 44; AG Nürnberg, Urteil vom 25.06.2021 – 18 C 814/20, Rn. 37[]
  8. vgl. Surowiecki/TrappePR-BKR 9/2018 Anm. 2 zu OLG Naumburg, Urteil vom 16.05.2018 – 5 U 29/18[]
  9. ebenso: OLG, Beschluss vom 03.06.2021 – 3 U 42/21, Rn. 31 ff.; OLG Dresden, Urteil vom 18.04.2019 – 8 U 52/19, Rn. 51 f.; OLG Naumburg, Urteil vom 16.05.2018 – 5 U 29/18, Rn. 61; Surowiecki/Trappe, a.a.O.[]
  10. OLG Dresden, Urteil vom 21.11.2019 – 8 U 1770/18[]
  11. LG Stendal, Urteil vom 21. November 2019 – 22 S 104/18[]
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