Prospekthaftung bei einer Fondsgesellschaft – und die Haftung der Gründungsgesellschafter

Die spezialgesetzliche Prospekthaftung gemäß den § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31.05.2012 geltenden Fassung schließt in ihrem Anwendungsbereich eine Haftung der Gründungsgesellschafter als Prospektveranlasser unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB aus1.

Prospekthaftung bei einer Fondsgesellschaft – und die Haftung der Gründungsgesellschafter

Eine Haftung der Gründungsgesellschafter aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB kann nicht auf die Verwendung eines Prospekts als solche gestützt werden. Ein Anspruch auf dieser Grundlage wird vielmehr durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung verdrängt.

Auf den am 5.07.2007 veröffentlichten Prospekt findet die Regelung des § 8g VerkProspG in der vom 01.07.2005 bis zum 31.05.2012 geltenden Fassung (aF) in Verbindung mit § 32 Abs. 2 Satz 1 VermAnlG Anwendung. Damit ist auch der Anwendungsbereich der § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF (in der bis zum 31.05.2012 geltenden Fassung) eröffnet.

Nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF haften neben denjenigen, die für den Prospekt im Sinne des § 8g VerkProspG aF die Verantwortung übernommen haben, im Falle von dort enthaltenen unrichtigen oder unvollständigen wesentlichen Angaben auch diejenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht, § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF. Damit sollen die Personen und Unternehmen getroffen werden, von denen die wirtschaftliche Initiative ausgeht und die hinter dem Prospekt stehen und seine eigentlichen Urheber sind2. Veranlasser ist, wer hinter dem Emittenten steht und neben der Geschäftsleitung besonderen Einfluss ausübt. Durch die Regelung soll eine Lücke bei den Haftungsverpflichteten geschlossen werden; insbesondere sollen auch Konzernmuttergesellschaften in die Haftung einbezogen werden3. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF ist von einer Prospektverantwortlichkeit eines Hintermannes unter anderem dann auszugehen, wenn dieser auf die Konzeption des konkreten, mit dem Prospekt beworbenen und vertriebenen Modells maßgeblich Einfluss genommen hat und damit letztendlich auch für die Herausgabe des Prospektes verantwortlich ist. Dabei können die gesellschaftsrechtliche Funktion des Hintermannes sowie ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse für eine Einflussnahme auf die Konzeption des Modells sprechen. Nicht entscheidend ist, ob eine Mitwirkung unmittelbar bei der Gestaltung des Prospektes gegeben ist; ausschlaggebend dagegen ist, ob der Prospekt mit Kenntnis des Verantwortlichen in den Verkehr gebracht worden ist4.

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Nach diesen Grundsätzen sind die Gründungsgesellschafter Prospektverantwortliche im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF. Sie sind Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaft. Beide Musterbeklagte waren bei Aufstellung des Prospekts zu jeweils 50% Gesellschafter der Komplementärin der Fondsgesellschaft. Die Musterbeklagte zu 1 war außerdem die Schwestergesellschaft der Prospektverantwortlichen nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG aF und fungierte als Treuhandkommanditistin. Die Musterbeklagte zu 2 übernahm von den ursprünglich auf 275.000 € bezifferten Pflichteinlagen eine Pflichteinlage von 200.000 €. Beide Gründungsgesellschafter hafteten mithin als Veranlasser für unrichtige oder unvollständige wesentliche Angaben nach den Grundsätzen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung.

Neben der spezialgesetzlichen Prospekthaftung aus § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF ist eine Haftung der Gründungsgesellschafter unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung des unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung ausgeschlossen (vgl. zu § 127 InvG in der bis zum 30.06.2011 geltenden Fassung [künftig: aF] BGH, Beschluss vom 23.10.2018 – XI ZB 3/16, BGHZ 220, 100 Rn. 55). Die Veranlasserhaftung nach § 13 VerkProspG, § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF erfasst den Gründungsgesellschafter als Veranlasser und als künftigen Vertragspartner des Gesellschaftsvertrags der Anlagegesellschaft. Die Haftung nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF verwirklicht in der Person des Gründungsgesellschafters stets auch die Voraussetzungen des Verschuldens bei Vertragsschluss mittels Verwendens eines fehlerhaften Verkaufsprospekts (§ 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB). Wollte man diese allgemeinen Haftungsgrundsätze neben § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF ohne jede Einschränkung zur Anwendung bringen, liefe die gesetzgeberische Entscheidung, dem Gründungsgesellschafter als Veranlasser im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF die Möglichkeit zu eröffnen, sich mit dem Nachweis einfach fahrlässiger Unkenntnis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts zu entlasten (§ 45 Abs. 1 BörsG aF), und eine Sonderverjährungsfrist (§ 46 BörsG aF) anzuordnen, vollständig leer. Eine Haftung des Gründungsgesellschafters nach § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB kommt daher nur bei Sachverhaltskonstellationen in Betracht, die von der Regelung der § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF nicht erfasst sind.

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Die Übertragung dieser vom Bundesgerichtshof zuerst für die nach § 127 InvG aF haftende Kapitalanlagegesellschaft entwickelten Grundsätze5 auf den nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF haftenden Gründungsgesellschafter steht § 47 Abs. 2 BörsG aF nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift bleiben weitergehende Ansprüche, die nach den Regeln des bürgerlichen Rechts auf Grund von Verträgen oder vorsätzlichen unerlaubten Handlungen erhoben werden können, unberührt. Eine Aussage zu vorvertraglichen Ansprüchen unter denselben Haftungsvoraussetzungen lässt sich dem Wortlaut der Vorschrift nicht entnehmen. Der Wille des Gesetzgebers spricht für einen Ausschluss von Ansprüchen aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB neben solchen nach § 13 VerkProspG aF. Der Gesetzgeber des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes vom 28.10.20046 hielt im Zusammenhang mit der Anfügung einer neuen Nummer 3 in § 13 Abs. 1 VerkProspG aF ausdrücklich fest, Ansprüche aus zivilrechtlicher Prospekthaftung im weiteren Sinne gegen von § 13 VerkProspG, § 44 BörsG aF „nicht erfasste am Vertrieb der Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 [VerkProspG aF] Beteiligte, z.B. Vermittler“, würden nicht berührt7. Dem lässt sich im Gegenschluss der gesetzgeberische Wille entnehmen, vorvertragliche Ansprüche gegen Adressaten der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nicht zur Anwendung zu bringen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19. Januar 2021 – XI ZB 35/18

  1. Fortführung von BGH, Beschluss vom 23.10.2018 – XI ZB 3/16, BGHZ 220, 100 Rn. 55[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 18.09.2012 – XI ZR 344/11, BGHZ 195, 1 Rn. 35 ff.; BGH, Urteile vom 06.10.1980 – II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 340 ff.; vom 22.03.1982 – II ZR 114/81, BGHZ 83, 222, 223 f.; vom 05.07.1993 – II ZR 194/92, BGHZ 123, 106, 109 f.; und vom 02.06.2008 – II ZR 210/06, BGHZ 177, 25 Rn. 12[]
  3. BGH, Urteil vom 18.09.2012, aaO, Rn. 36[]
  4. BGH, Urteil vom 18.09.2012, aaO, Rn. 37[]
  5. BGH, Beschluss vom 23.10.2018 – XI ZB 3/16, BGHZ 220, 100 Rn. 55[]
  6. BGBl. I 2630[]
  7. BT-Drs. 15/3174, S. 44[]
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