Gründungsgesellschafter haften dem über einen Treuhänder beitretenden Anleger auf Schadensersatz aus Prospekthaftung im weiteren Sinne, wenn der Treugeber nach dem Gesellschaftsvertrag wie ein unmittelbar beitretender Gesellschafter behandelt werden soll.

Die Prospekthaftung im weiteren Sinne knüpft als Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB an die (vor-)vertraglichen Beziehungen zum Anleger an. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass bei einem Beitritt zu einer Gesellschaft, der sich durch Vertragsschluss mit den übrigen Gesellschaftern vollzieht, solche (vor-)vertraglichen Beziehungen zwischen Gründungsgesellschaftern und dem über einen Treuhänder beitretenden Kommanditisten jedenfalls dann bestehen, wenn der Treugeber nach dem Gesellschaftsvertrag wie ein unmittelbar beigetretener Kommanditist behandelt werden soll [1].
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss einem Anleger für seine Beitrittsentscheidung ein richtiges Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden, d.h. er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden [2]. Dazu gehört eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können [3]. Beruht der wirtschaftliche Anlageerfolg eines geschlossenen Immobilienfonds allein auf der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen aus der Vermietung oder Verpachtung von Anlageobjekten, so ist in dem Anlageprospekt deutlich auf mögliche, der Erreichbarkeit dieser Einnahmen entgegenstehende Umstände und die sich hieraus für den Anleger ergebenden Risiken hinzuweisen [4].
Diesen Anforderungen wird in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall der verwendete Prospekt nicht gerecht: Der Prospekt klärt den Anleger auch unter Berücksichtigung der von ihm zu fordernden sorgfältigen und eingehenden Lektüre des Prospekts [5] nicht zutreffend über die Risikoverteilung hinsichtlich der leerstandsbedingten Nebenkosten auf, soweit Mietflächen nicht unter den Generalmietvertrag fielen. Der Prospekt erweckt den – unzutreffenden – Eindruck, dass leerstandsbedingte Nebenkosten bei den der Mietgarantie unterfallenden Flächen nicht dem Fonds zur Last fallen, sondern wie bei den dem Generalmietvertrag unterfallenden Flächen von dem Mieter bzw. Garanten zu tragen seien [6]. Die Begriffe Generalmietvertrag und Mietgarantie werden in dem Prospekt stets unterschiedslos nebeneinander verwendet. Dies musste bei dem Anleger den Eindruck hervorrufen, die durch die Verträge gewährleistete Mietsicherheit sei bei beiden Vertragsarten deckungsgleich.
Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass auf Seite 1 und 3 des Prospekts angegeben wird: „100% der Gesamtmiete p.a. sind durch einen 25jährigen Generalmietvertrag … gesichert“, bei der Beschreibung der einzelnen Fondsimmobilien ist jeweils nur von der Sicherung durch den „Generalmietvertrag“ die Rede. Bei der Darstellung der „Risiken und Chancen“ wird ebenfalls im Zusammenhang mit Vermietungsrisiken nur von dem Generalmietvertrag gesprochen. Auch die Tatsache, dass bei der Einzelerläuterung „Generalmietvertrag“ angegeben ist, dass die Gesellschaft für die gesamte im Objekt- und Mietspiegel ausgewiesene Nutzfläche von 203.209,14 m² einen Generalmietvertrag abgeschlossen hat, der für die nach dem Wohnungsbauförderungsgesetz errichteten Wohnungen „in Form eines Mietgarantievertrages ausgestaltet“ ist, vermittelt den Eindruck, im Hinblick auf die Absicherung der Mieten seien beide Vertragstypen deckungsgleich. Angesichts dessen erschloss sich für den sorgfältigen Leser weder aus dem Hinweis: „Die Nebenkostenregelungen richten sich nach den Untermietverträgen oder, soweit solche noch nicht vorliegen, nach den Bestimmungen der Anlage 3 zur II. Berechnungsverordnung“ noch aus der Darstellung der Nebenkosten in der Ertragsrechnung und der dazu auf Seite 54 des Prospekts gegebenen Erklärung: „3,5% der Mieten für sonstige nicht auf die Mieter umlagefähige Kosten wie z.B. Steuern etc.“, dass bei den der Mietgarantie unterfallenden Flächen die leerstandsbedingten Nebenkosten anders als bei den dem Generalmietvertrag unterfallenden Flächen von dem Fonds zu tragen waren.
Dieser Prospektfehler ist erheblich. Dass der Fonds bei den Mietgarantieverträgen mit den leerstandsbedingten Nebenkosten belastet werden konnte, ist ein die Werthaltigkeit der Anlage entscheidend beeinflussender Faktor. Entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1 musste der Kläger dafür nicht darlegen, wie hoch das wirtschaftliche Risiko der leerstandsbedingten Nebenkosten im Einzelnen zu bemessen ist. Dass die Mietnebenkosten regelmäßig einen nicht unerheblichen Teil der Miete ausmachen, entspricht der Lebenserfahrung [7]. Da nach dem Prospekt fast ein Drittel der Nutzfläche des Fonds der Mietgarantie und nicht dem Generalmietvertrag unterfiel, war das leerstandsbedingte wirtschaftliche Risiko, gemessen am Gesamtinvestitionsvolumen, ein erheblicher wertbildender Faktor für den Anlageerfolg des Fonds. Darauf, ob sich dieses Risiko verwirklicht hat, kommt es nicht an [8].
Aus Prospekthaftung im weiteren Sinne haftet nur derjenige, der Vertragspartner des Anlegers geworden ist oder hätte werden sollen. Ausnahmsweise kann daneben der für den Vertragspartner auftretende Vertreter, Vermittler oder Sachverwalter in Anspruch genommen werden, wenn er in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat oder wenn er ein mittelbares, eigenes wirtschaftliches Interesse am Abschluss des Geschäfts hat [9]. Für die Annahme eines besonderen persönlichen Vertrauens ist dabei erforderlich, dass der Anspruchsgegner eine über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehende persönliche Gewähr für die Seriosität und ordnungsgemäße Erfüllung des Vertrags übernommen hat. Anknüpfungspunkt der Prospekthaftung im weiteren Sinne ist dementsprechend nicht die Verantwortlichkeit für einen fehlerhaften Prospekt, sondern eine selbständige Aufklärungspflicht als Vertragspartner oder Sachverwalter aufgrund persönlich in Anspruch genommenen – eben nicht nur typisierten – besonderen Vertrauens, zu deren Erfüllung er sich des Prospekts bedient.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entspricht es der Lebenserfahrung, dass ein Prospektfehler für die Anlageentscheidung ursächlich geworden ist [10]. Diese Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens sichert das Recht des Anlegers, in eigener Entscheidung und Abwägung des Für und Wider darüber zu befinden, ob er in ein bestimmtes Projekt investieren will oder nicht [11]. Bei einem Immobilienfonds, von dem der durchschnittliche Anleger Werthaltigkeit erwartet, ist regelmäßig davon auszugehen, dass er bei richtiger Aufklärung über wichtige, die Werthaltigkeit der Anlage (negativ) beeinflussende Umstände dem Fonds nicht beigetreten wäre, auch wenn er mit erheblichen Steuervorteilen geworben wurde [12]. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt allenfalls bei hochspekulativen Geschäften in Betracht [13], zu denen die Beteiligung an einem Immobilienfonds grundsätzlich nicht gehört [14].
Das Verschulden wird bei einer Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss (§ 311 Abs. 2 BGB) nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet.
Hinsichtlich des Schadens des Anlegers kommt es auf einen Schaden im Sinne fehlender Werthaltigkeit der Beteiligung nicht an. Grund für die Haftung ist der Eingriff in das Recht des Anlegers, zutreffend informiert über die Verwendung seines Vermögens selbst zu bestimmen und sich für oder gegen die Anlage zu entscheiden [15]. Der Schaden des nicht pflichtgemäß aufgeklärten Anlegers besteht daher bereits in dem Erwerb der bei pflichtgemäßer Aufklärung nicht vorgenommenen Beteiligung. Ist der Anleger durch die unzutreffende Aufklärung dazu veranlasst worden, dem Fonds beizutreten, kann er verlangen, im Wege der Naturalrestitution so gestellt zu werden, als wenn er sich an dem Fonds nicht beteiligt hätte, und hat gegen den Gründungskommanditistin und Prospektherausgeber einen Anspruch auf Erstattung der für den Erwerb der Anlage gemachten Aufwendungen abzüglich erhaltener Ausschüttungen gegen Rückgabe der Anlage.
Eine Anrechnung der dem Anlager infolge seiner Beteiligung erwachsenen Steuervorteile kommt nicht in Betracht, wenn der Anleger sich in Kenntnis des Prospektfehlers an einem anderen Steuersparmodell beteiligt hätte, da dies nach der Lebenserfahrung zu vergleichbaren steuerlichen Folgen geführt hätte [16].
Eine Anrechnung von Steuervorteilen scheidet aber auch bereits dann aus, wenn der Anleger die Schadensersatzleistung zu versteuern hat. Ein Anleger muss sich im Wege der Vorteilsausgleichung die im Zusammenhang mit der Anlage erzielten, dauerhaften Steuervorteile auf seinen Schaden dann nicht anrechnen lassen, wenn die Ersatzleistung ihrerseits besteuert wird. Trotz Versteuerung der Ersatzleistung sind die erzielten Steuervorteile demgegenüber anzurechnen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Anleger derart außergewöhnliche Steuervorteile erzielt hat, dass es unbillig wäre, ihm diese zu belassen. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass Anhaltspunkte für derartige außergewöhnliche Steuervorteile bestehen, trägt der Schädiger [17].
Hinsichtlich des entgangenen Gewinns wird das Gericht in den Blick zu nehmen haben (§ 287 ZPO), dass Eigenkapital in der hier in Rede stehenden Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt geblieben, sondern – jedenfalls – zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt worden wäre [18].
Bundesgerichtshof, Urteil vom 23. April 2012 – II ZR 211/09
- vgl. BGH, Urteil vom 30.03.1987 – II ZR 163/86, ZIP 1987, 912, 913; Urteil vom 20.03.2006 – II ZR 326/04, ZIP 2006, 849 Rn. 7; Urteil vom 13.07.2006 – III ZR 361/04, ZIP 2006, 1631 Rn. 10; Urteil vom 11.10.2011 – II ZR 242/09, ZIP 2011, 2299 Rn. 16 m.w.N.[↩]
- BGH, Urteil vom 06.10.1980 – II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 344; Urteil vom 07.04.2003 – II ZR 160/02, WM 2003, 1086, 1088; Urteil vom 07.12.2009 – II ZR 15/08, ZIP 2010, 176 Rn. 18; Urteil vom 22.03.2010 – II ZR 66/08, ZIP 2010, 1030 Rn. 9[↩]
- BGH, Urteil vom 06.10.1980 – II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 344; Urteil vom 21.10.1991 – II ZR 204/90, BGHZ 116, 7, 12; Urteil vom 10.10.1994 – II ZR 95/93, ZIP 1994, 1851, 1853; Urteil vom 07.04.2003 – II ZR 160/02, WM 2003, 1086, 1088[↩]
- BGH, Urteil vom 01.03.2004 – II ZR 88/02, ZIP 2004, 1104, 1106[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 31.03.1992 – XI ZR 70/91, ZIP 1992, 912, 915; Urteil vom 14.06.2007 – III ZR 300/05, WM 2007, 1507 Rn. 8[↩]
- s. hierzu BGH, Beschluss vom 13.12.2011 – II ZB 6/09, ZIP 2012, 117 Rn. 33 ff.[↩]
- BGH, Beschluss vom 13.12.2011 – II ZB 6/09, ZIP 2012, 117 Rn. 35[↩]
- BGH, Urteil vom 05.07.1993 – II ZR 194/92, BGHZ 123, 106, 112 ff.[↩]
- st.Rspr., siehe nur BGH, Urteil vom 22.03.1982 – II ZR 114/81, BGHZ 83, 222, 227; Urteil vom 04.05.2004 – XI ZR 41/03, NJW-RR 2005, 23, 25; Beschluss vom 25.06.2009 – III ZR 222/08, m.w.N.[↩]
- BGH, Urteil vom 06.10.1980 – II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 346; Urteil vom 01.03.2004 – II ZR 88/02, ZIP 2004, 1104, 1106; Urteil vom 02.06.2008 – II ZR 210/06, BGHZ 177, 25 Rn.19; Urteil vom 03.12.2007 – II ZR 21/06, ZIP 2008, 412 Rn. 16; Urteil vom 07.12.2009 – II ZR 15/08, ZIP 2010, 176 Rn. 23[↩]
- BGH, Urteil vom 05.07.1993 – II ZR 194/92, BGHZ 123, 106, 112 ff.; Urteil vom 02.03.2009 – II ZR 266/07, ZIP 2009, 764 Rn. 6[↩]
- BGH, Urteil vom 02.03.2009 – II ZR 266/07, ZIP 2009, 764 Rn. 6; Urteil vom 22.03.2010 – II ZR 66/08, WM 2010, 972 Rn.19; Urteil vom 09.02.2006 – III ZR 20/05, ZIP 2006, 568 Rn. 24[↩]
- BGH, Urteil vom 13.07.2008 – XI ZR 178/03, BGHZ 160, 58, 66 f.; vgl. aber Urteil vom 12.05.2009 – XI ZR 586/07, ZIP 2009, 1264 Rn. 22 zur grundsätzlich geltenden Kausalitätsvermutung[↩]
- BGH, Urteil vom 22.03.2010 – II ZR 66/08, WM 2010, 972 Rn.19; Urteil vom 31.05.2010 – II ZR 30/09, ZIP 2010, 1397 Rn. 18; Urteil vom 09.02.2006 – III ZR 20/05, ZIP 2006, 568 Rn. 24[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 05.06.1993 – II ZR 194/92, BGHZ 123, 106, 112 f.; Urteil vom 02.03.2009 – II ZR 266/07, ZIP 2009, 764 Rn. 6[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 31.05.2010 – II ZR 30/09, ZIP 2010, 1397 Rn. 21 ff.[↩]
- BGH, Urteil vom 31.05.2010 – II ZR 30/09, ZIP 2010, 1397 Rn. 25 f.; Urteil vom 15.07.2010 – III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rn. 36 ff., 45; Urteil vom 01.03.2011 – XI ZR 96/09, ZIP 2011, 868 Rn. 8 ff., jew. m.w.N.[↩]
- s. hierzu BGH, Urteil vom 02.12.1991 – II ZR 141/90, ZIP 1992, 324, 325 m.w.N.; s. auch Urteil vom 07.12.2009 – II ZR 15/08, ZIP 2010, 176 Rn. 30[↩]