Der Beitritt einer Musterbeklagten, der nicht zum Musterrechtsbeschwerdegegner bestimmt wurde, der nicht in eine Anschlussrechtsbeschwerde umgedeutet werden kann, ist unzulässig, wenn diese innerhalb der Frist lediglich beantragt hat, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

Damit hat die beitretende Musterbeklagte ihren Beitritt auf Seiten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin nicht innerhalb der Frist des § 20 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 KapMuG begründet.
Die Unzulässigkeit des Beitritts kann der Bundesgerichtshof zugleich mit der instanzbeendenden Entscheidung aussprechen.
§ 20 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 KapMuG gilt, was der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 01.12.20201 unter Verweis auf seine ständige Rechtsprechung nochmals im Einzelnen ausgeführt und begründet hat, auch für den Musterbeklagten, der nicht zum Musterrechtsbeschwerdegegner bestimmt wird. Die Vorschrift unterscheidet bei der Frage, ob der Beitritt zu begründen ist, nicht zwischen Beitretenden auf Seiten des Musterrechtsbeschwerdeführers und Beigetretenen auf Seiten des Musterrechtsbeschwerdegegners. Deshalb muss, obwohl im Revisions- und Rechtsbeschwerdeverfahren der Rechtsmittelgegner sonst nicht gehalten ist, innerhalb bestimmter Fristen die angegriffene Entscheidung zu verteidigen, auch der auf Seiten des Musterrechtsbeschwerdegegners beitretende Beteiligte des Musterverfahrens – hier nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG – seinen Beitritt innerhalb der gesetzlichen Frist begründen2.
Der vorsorglich auf Seiten des Rechtsbeschwerdegegners beitretende Musterbeklagte kann ggf. nach § 20 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 KapMuG, § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 ZPO die Verlängerung der Frist für die Begründung seines Beitritts beantragen.
Wird er später als Musterrechtsbeschwerdegegner ausgewählt, erledigt sich sein Beitritt3.
Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung des Beitritts ist, was der Bundesgerichtshof für das bis zum 31.10.2012 geltende Recht bereits entschieden hat4, für das ab dem 1.11.2012 geltende Recht freilich entsprechend gilt, nicht statthaft.
Der unzulässige Beitritt ist nicht in eine Anschlussrechtsbeschwerde umzudeuten5. Die Rechtsbeschwerdeerwiderung (auch) der Musterbeklagten zu 2 ging nach Ablauf der Frist der § 21 Abs. 1 Satz 3 KapMuG, § 574 Abs. 4 Satz 1 ZPO und damit nicht fristgerecht ein. Eine Umdeutung einer unzulässigen prozessualen Handlung in eine andere unzulässige prozessuale Handlung kommt nicht in Betracht. Davon abgesehen enthält die Rechtsbeschwerdeerwiderung keinen eigenen Angriff gegen den Musterentscheid, sondern beschränkt sich auf Ausführungen dazu, warum der Musterentscheid – soweit vom Musterkläger angegriffen – Bestand haben solle.
Der Bundesgerichtshof kann die Entscheidung über die Zulässigkeit des Beitritts der Musterbeklagten zugleich mit der Endentscheidung über die Rechtsbeschwerde treffen, ohne dass es vorab einer Zwischenentscheidung bedürfte. § 71 ZPO findet keine entsprechende Anwendung6.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19. Januar 2021 – XI ZB 35/18
- BGH, Beschluss vom 01.12.2020 – XI ZB 27/19 2 ff.[↩]
- st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 29.05.2018 – XI ZB 3/18 2; vom 13.11.2018 – XI ZB 19/18 2; und vom 26.05.2020 – XI ZB 22/19 2[↩]
- BGH, Beschluss vom 04.11.2019 – II ZB 2/18, n.v.[↩]
- BGH, Beschluss vom 19.08.2014 – XI ZB 12/12, WM 2014, 1764 Rn. 5[↩]
- vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 21.10.2014 – XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1 Rn. 52; und vom 19.08.2014 – XI ZB 12/12, WM 2014, 1764 Rn. 6 ff.[↩]
- KK-KapMuG/Rimmelspacher, 2. Aufl., § 20 Rn. 73[↩]
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- Bundesgerichtshof (Empfangsgebäude): Nikolay Kazakov