Zur Anrechnung von Steuervorteilen, die sich aus einer Kapitalanlage ergeben, im Schadensersatzprozess des Anlegers hat jetzt erneut1 der Bundesgerichtshof Stellung genommen:

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage, ob eine spätere Minderung oder Beseitigung des eingetretenen Vermögensschadens den Schadensersatzanspruch beeinflusst, nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung zu beurteilen. Danach sind Wegfall oder Minderung des Schadens nur insoweit zu berücksichtigen, als sie in einem adäquatursächlichen Zusammenhang zu dem schädigenden Ereignis stehen. Außerdem muss die Anrechnung dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen und darf weder den Geschädigten unzumutbar belasten noch den Schädiger unbillig entlasten. Zu solchen auf den Schadensersatzanspruch eines Geschädigten anzurechnenden Vorteilen gehören grundsätzlich auch Steuern, die der Geschädigte infolge der Schädigung erspart hat2.
Bei der Betrachtung möglicher Steuervorteile muss allerdings auch berücksichtigt werden, ob dem Geschädigten aus der Zuerkennung des Schadensersatzanspruchs und dessen Gestaltung steuerliche Nachteile erwachsen, sei es durch eine Nachforderung des Finanzamts, sei es durch eine Besteuerung der Schadensersatzleistung oder der Zug um Zug gegen die Schadensersatzleistung vorgesehenen Übertragung der Kapitalanlage. So hat der Bundesgerichtshof mehrfach zum Kommanditisten, der steuerrechtlich Mitunternehmer des Betriebs der Kommanditgesellschaft ist, entschieden, für ihn seien alle Zahlungen, die er im wirtschaftlichen Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der Kommanditgesellschaft erhalte, Betriebseinnahmen gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Stehe auch die Schadensersatzleistung in einem solchen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Kommanditbeteiligung, müsse sie dem gewerblichen Bereich zugeordnet und als Betriebseinnahme nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG versteuert werden3.
Diese Rechtsprechung ist im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 287 ZPO zum Teil durch den Gedanken ergänzt worden, eine exakte Errechnung von Steuervorteilen unter Gegenüberstellung der tatsächlichen mit einer hypothetischen Vermögenslage würde angesichts der vielfältigen Besonderheiten und Möglichkeiten der konkreten Besteuerung und ihrer unterschiedlichen Entwicklung in verschiedenen Besteuerungszeiträumen häufig unverhältnismäßigen Aufwand erfordern. Daher sei eine nähere Berechnung nur dann erforderlich, wenn Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Geschädigte außergewöhnliche Steuervorteile erzielt habe4.
An dieser – gerade auch im Zusammenhang mit so genannten Steuersparmodellen entwickelten – Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof festgehalten, da siedie Zivilgerichte in die Lage versetzt, über Schadensersatzansprüche abschließend zu erkennen, ohne sich mit steuerlich außerordentlich komplexen Gestaltungen im Detail auseinandersetzen und die nur schwer abzusehende künftige Besteuerung der Ersatzleistung vorwegnehmen zu müssen. Auch ist zu bedenken, dass die Berücksichtigung (erst) zukünftiger Nachteile eng mit der Frage verbunden ist, ob und inwieweit Steuervorteile des Geschädigten dauerhaft und auf seinen Schaden überhaupt anzurechnen sind. Wegen dieser sachlichen Verknüpfung ist es nicht gerechtfertigt, Vorteile und Nachteile aus einer Kapitalanlage isoliert zu betrachten. Eine solche isolierte Betrachtungsweise würde zudem zu einer nicht hinnehmbaren Erschwerung der Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs führen. Denn dem Geschädigten würde angesonnen, bereits im anhängigen Verfahren die Abtretung seiner Ansprüche aus der Beteiligung Zug um Zug gegen eine nicht vollständige Schadensersatzleistung anzubieten, obwohl er nicht den vollen ihm gebührenden Ersatz erhält. Er müsste über einen weiteren Zeitraum das Risiko tragen, dass der Schädiger die noch ausstehende Ersatzleistung erbringen wird. Deswegen ist es im Grundsatz geboten, beide Gesichtspunkte in den Blick zu nehmen und nach Möglichkeit den Schaden des Berechtigten abschließend zu berechnen5.
Allerdings kann auch dann, wenn ein Anleger wegen einer Pflichtverletzung so gestellt werden will, als hätte er sich nicht beteiligt, zwischen dem Zeitpunkt der Beteiligung und der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ein erheblicher Zeitraum liegen. Dies wird häufig dazu führen, dass sich der durch die Versteuerung der Ersatzleistung ergebende Nachteil, der sich nach den persönlichen Verhältnissen des Anlegers und seinen steuerrechtlichen Rahmenbedingungen im Zeitpunkt der Erfüllung des Ersatzanspruchs richtet, nicht mit den eingetretenen Vorteilen übereinstimmen wird. Soweit sich daraus bleibende Vorteile des Geschädigten ergeben können, ist indes nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Berücksichtigung dieses Umstands unter dem Gesichtspunkt „außergewöhnlicher Steuervorteile“ schadensersatzrechtlich nicht geboten6. Zwar scheint dem der Grundsatz entgegenzustehen, der Geschädigte dürfe durch die Ersatzleistung nicht besser gestellt werden als ohne die Schädigung. Andererseits ist zu bedenken, dass eine Berücksichtigung dieses Umstands zu einer erheblichen Erschwerung der Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs führen würde. Der Geschädigte wäre gehalten, aus Anlass der Durchsetzung seines Anspruchs aufwändige Berechnungen vorzunehmen oder vornehmen zu lassen und Einblicke in seine persönlichen Verhältnisse zu ermöglichen, die den Schädiger nichts angehen. Vor allem aber ist nicht einzusehen, warum die Vorteile einer allgemeinen Absenkung des Steuersatzes, die nach dem Willen des Gesetzgebers allen Steuerpflichtigen – jenseits des zu beurteilenden Schadensfalls – gleichermaßen zugute kommen sollen, einem geschädigten Anleger zu Gunsten des Schädigers (teilweise) wieder genommen werden sollen7.
Beruht schließlich ein mögliches Zurückbleiben der Steuernachteile auf einer Verschlechterung der Einkommenssituation des Geschädigten, sind auch dies Umstände, die keinen inneren Bezug zu der in Rede stehenden Schädigungshandlung aufweisen und nicht zu außergewöhnlichen Steuervorteilen führen7.
Der Bundesgerichtshof hält an seiner Rechtsprechung fest, nach der Schadensersatzleistungen, die in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer Beteiligung eines Kommanditisten an der Kommanditgesellschaft stehen, Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sind8. Soweit in der Bundesgerichtshofsrechtsprechung eine nähere rechtliche Prüfung der Steuerbarkeit der Ersatzleistung vermisst wird, wird übersehen, dass eine solche – im Ergebnis nach wie vor zutreffende – Prüfung bereits in dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.03.19799 stattgefunden hat, auf das sich die von der Revisionsklägerin angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bezieht10. Danach war für den dort geschädigten Anleger die vom Anlageberater in Höhe seiner Beteiligung begehrte Schadensersatzleistung eine Betriebseinnahme. Diese Schadensersatzleistung stehe in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Kommanditbeteiligung des Schuldners. Sie sei, wenn auch nicht rechtlich, so doch wirtschaftlich durch die (konkursbedingte) Aufgabe des Betriebs der Kommanditgesellschaft ausgelöst worden. Damit sei sie dem gewerblichen Bereich zuzuordnen; und vom Schuldner als Betriebseinnahme nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu versteuern. Dass die Schadensersatzleistung auf einer bürgerlichrechtlichen Schadensersatzpflicht beruhe, spiele keine Rolle. Das sei auch interessengerecht. Würden die Verluste der Kommanditgesellschaft in Höhe ihrer Zuweisung steuerlich als einkommensmindernde Betriebsverluste der Kommanditisten behandelt, so sei es folgerichtig, Schadensersatzleistungen, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Kommanditbeteiligung stünden, ebenfalls dem betrieblichen und nicht dem privaten, steuerneutralen Bereich des betroffenen Kommanditisten zuzurechnen11.
An dieser Rechtsprechung hält der Bundesgerichtshof fest. Soweit die Revisionsklägerin meint, bei einer etwaigen Schadensersatzleistung handele es sich nicht um einen Gewinnanteil im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, da es insoweit nicht um die Zurechnung des Ergebnisses der Fondsgesellschaft gehe, vermag der Bundesgerichtshof dem aus den vorgenannten Gründen nicht zu folgen. Die vorliegend vom Schuldner begehrte Schadensersatzleistung ist vielmehr nach den vorstehenden Grundsätzen eine Zahlung, die der Schuldner in wirtschaftlichem Zusammenhang mit seinen Beteiligungen an den Fondsgesellschaften erhält. Es handelt sich daher um Einkünfte des Schuldners aus Gewerbebetrieb, die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu versteuern sind12. Ob die Schadensersatzleistungen darüber hinaus auch als Einkünfte aus einer Betriebsveräußerung im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu versteuern sind, kann deshalb dahinstehen13.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.12 201214 ist für Fallgestaltungen der vorliegenden Art nicht einschlägig. Dort wird – unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17.11.200515 – eine Anwendbarkeit von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abgelehnt, weil die dortigen Kläger, die eine Rückabwicklung ihrer Beteiligung an einem Immobilienfonds verlangten, nicht die Voraussetzungen einer Mitunternehmerschaft gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllten, da sie mit der Anlage Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielten. Vorliegend hat sich der Schuldner indes an einem Filmfonds und mithin an einer gewerblich tätigen Kommanditgesellschaft beteiligt. Sein Ziel der Zuweisung von steuerlichen Verlusten nach § 10d EStG aus der Tätigkeit der Gesellschaften setzte gerade seine Mitunternehmerschaft voraus16.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Juli 2014 – III ZR 218/13
- Bestätigung von BGH, Urteile vom 22.03.1979 – VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103; vom 15.07.2010 – III ZR 336/08, BGHZ 186, 205; und vom 28.01.2014 – XI ZR 495/12, NJW 2014, 994[↩]
- vgl. hierzu in einer Parallelsache BGH, Urteil vom 15.07.2010 – III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rn. 35 ff mwN; vgl. ferner BGH, Urteile vom 28.01.2014 – XI ZR 495/12, NJW 2014, 994 Rn. 11; und vom 31.05.2010 – II ZR 30/09, WM 2010, 1310 Rn. 25[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 15.07.2010 aaO Rn. 36 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 22.03.1979 – VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103, 114 f; vgl. hierzu jüngst BGH, Urteil vom 28.01.2014 aaO Rn.20[↩]
- BGH, Urteil vom 15.07.2010 aaO; BGH, Urteile vom 28.01.2014 aaO Rn. 11; und vom 31.05.2010 aaO, jeweils mwN[↩]
- vgl. zu alledem BGH, Urteil vom 15.07.2010 aaO Rn. 38; BGH, Urteil vom 31.05.2010 aaO Rn. 31[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 15.07.2010 aaO Rn. 53 ff; BGH, Urteile vom 28.01.2014 aaO Rn. 12; und vom 31.05.2010 aaO Rn. 28 ff[↩]
- BGH, Urteil vom 15.07.2010 aaO; BGH, Urteil vom 28.01.2014 aaO[↩][↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 15.07.2010 aaO Rn. 36 mwN; so vor kurzem auch BGH, Urteil vom 28.01.2014 aaO Rn.20[↩]
- BGH, Urteil vom 22.03.1979 – VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103, 114 f[↩]
- vgl. nur BGH, Urteil vom 15.07.2010 aaO; BGH, Urteil vom 28.01.2014 aaO Rn. 14[↩]
- BGH, Urteil vom 22.03.1979 aaO[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 28.01.2014 aaO Rn.20[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 28.01.2014 aaO[↩]
- BGH, Urteil vom 18.12.2012 – II ZR 259/11, WM 2013, 211 Rn. 10 ff[↩]
- BGH, Urteil vom 17.11.2005 – III ZR 350/04, WM 2006, 174, 176 mwN[↩]
- vgl. hierzu Blümich/Schlenker, EStG, 122. Aufl., § 10d Rn. 47[↩]