Systematische Falschberatung durch einen Finanzdienstleister – und die Haftung der Depotbank

Nur wenn die Anleger bei den konkreten Anlagegeschäften von seinem Anlageberater (Finanzdienstleister) fehlerhaft beraten worden sind, kommt überhaupt eine Haftung der Depotbank für die entstandenen Schäden unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer nebenvertraglichen Warnpflicht in Betracht.

Systematische Falschberatung durch einen  Finanzdienstleister – und die Haftung der Depotbank

Wie der Bundesgerichtshof in seiner Grundsatzentscheidung vom 19.03.20131 betont hat, besteht eine Warnpflicht als Nebenpflicht nur dann, wenn der Discount-Broker die tatsächliche Fehlberatung des Kunden bei dem in Auftrag gegebenen Wertpapiergeschäft entweder positiv kennt oder wenn diese Fehlberatung aufgrund massiver Verdachtsmomente objektiv evident ist2.

Objektives Tatbestandsmerkmal der Warnpflicht einer Direktbank als Nebenpflicht aus dem Depotvertrag ist die fehlerhafte Beratung des Anlegers im konkreten Einzelfall3. Wurde der Kunde fehlerfrei und damit ordnungsgemäß durch das kundennähere Unternehmen beraten, besteht keine Warnpflicht der kundenferneren Direktbank.

Im genannten Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs konnte diese Frage nur deshalb dahinstehen, weil die Fehlberatung der dortigen Klägerin und Revisionsführerin vom damaligen Berufungsgericht offen gelassen worden war, so dass ihr Vorliegen in der Revisionsinstanz als wahr zu unterstellen war4.

Erst im Rahmen der subjektiven Voraussetzungen einer Warnpflicht kann, sofern der Direktbank die tatsächliche Fehlberatung des Kunden im Einzelfall nicht positiv bekannt ist, die Kenntnis von der systematischen und damit regelmäßigen Fehlberatung der Anleger durch das kundennähere Unternehmen die tatsächliche Fehlberatung des Kunden im Einzelfall objektiv evident erscheinen lassen. Die systematische Fehlberatung von Anlegern kann aber nicht die tatsächliche Fehlberatung des jeweiligen Anspruchstellers ersetzen. Dies gilt umso mehr, wenn lediglich die systematische Fehlberatung „mindestens gegenüber einem Teil der Kunden“ feststellt wurde, so dass der Schluss von der systematischen Fehlberatung auf die tatsächliche Fehlberatung des einzelnen Kunden von vornherein nicht möglich ist.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. April 2016 – XI ZR 167/15

  1. BGH, Urteil vom vom 19.03.2013 – XI ZR 431/11, BGHZ 196, 370 Rn. 27[]
  2. so auch BGH, Urteile vom 12.11.2013 – XI ZR 312/12, WM 2014, 24 Rn. 25; vom 04.03.2014 – XI ZR 178/12, BKR 2014, 245 Rn. 24; und vom 04.03.2014 – XI ZR 313/12, BKR 2014, 203 Rn. 23[]
  3. vgl. hierzu auch BGH, Urteile vom 10.12 2013 – XI ZR 508/12, WM 2014, 124 Rn.20 f. zur sittenwidrigen Überteuerung einer Eigentumswohnung; und vom 06.05.2008 – XI ZR 56/07, BGHZ 176, 281 Rn. 14 f. zum Missbrauch der Vertretungsmacht im bargeldlosen Zahlungsverkehr[]
  4. BGH, Urteil vom 19.03.2013 – XI ZR 431/11, BGHZ 196, 370 Rn. 24[]