Treuhandbeteiligungen – und der Haftungsausschluss

Die Klauseln eines formularmäßigen Treuhandvertrages unterliegen als Allgemeine Geschäftsbedingungen einer objektiven Auslegung.

Treuhandbeteiligungen – und der Haftungsausschluss

Danach sind diese ausgehend von den Interessen, Vorstellungen und Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden1.

Außer Betracht bleiben dabei Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und nicht ernstlich in Betracht zu ziehen sind2. Die Auslegung durch das Berufungsgericht ist revisionsrechtlich uneingeschränkt nachprüfbar3.

Fraglich erscheint dabei dem Bundesgerichtshof bereits, ob die Regelungen eines Treuhand- und Verwaltungsvertrages auf eine mögliche Haftung der Treuhänderin, die diese infolge ihrer Stellung als Gesellschafterin und gerade nicht in ihrer Funktion als Treuhänderin trifft, überhaupt zur Anwendung gelangen. Das konnte orliegend aber dahingestellt bleiben. Denn dem Treuhandvertrag war schon nach seinem Wortlaut nicht zu entnehmen, dass die Treuhänderin von einer Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss infolge Verletzung der Aufklärungspflicht über falsche oder irreführende Angaben im Prospekt freigezeichnet werden soll. Der in der Klausel zunächst enthaltene Ausschluss von „weitergehenden Prüfungspflichten“ lässt sich nicht isoliert betrachten, sondern erklärt sich im Zusammenhang mit den ihm folgenden Regelungen. Danach bezieht sich die Prüfungspflicht zwar nicht nur, aber „insbesondere“ auf Fragen der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der jeweils individuellen Anlageentscheidung eines Beitretenden. Gerade infolge der ausdrücklichen Regelung zur Haftung für Inhalte des Prospekts erschließt sich für einen Durchschnittskunden, von dem zu erwarten ist, dass er den Prospekt aufmerksam und sorgfältig liest, nicht, dass durch den Treuhandvertrag über den ausdrücklich genannten Gegenstand der Prüfung hinaus („insbesondere“) auch die Prüfung des objektiven Prospektinhalts, mit dem die Kapitalanlage vorgestellt wird, ausgeschlossen werden sollte, ohne dass dies ausdrücklich erwähnt wird. Dies gilt umso mehr, als es sich um eine wesentliche vorvertragliche Pflicht des Treuhänders handelt, den Treugeber über alle wesentlichen Umstände der Beteiligung aufzuklären4.

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Jegliche Anhaltspunkte für einen (umfassenden) Haftungsausschluss für Prospekthaftungsansprüche von Anlegern fehlen der Regelung in § 8 Abs. 5 TV, der sich nur auf die Haftungsfreizeichnung für die Bonität und mögliche Pflichtverletzungen von „Vertragspartnern der Gesellschaft“ bezieht, also von Dritten. Dass davon nicht die Haftungsbefreiung der Treuhänderin vom Vorwurf möglicher Pflichtverletzungen bei der Anbahnung des Gesellschaftsverhältnisses mit den Anlegern erfasst wird, denen die Treuhänderin in ihrer Funktion als Gründungskommanditistin und damit vertragsschließende Altgesellschafterin ausgesetzt ist, liegt auf der Hand. Unbehelflich ist deshalb auch der Einwand der Treuhänderin, dass sich insbesondere aus dem Prospekt die Stellung der Treuhänderin als bloßer Treuhandkommanditistin mit beschränktem Aufgabenbereich innerhalb der Gesellschaft ergebe. Denn dies vermag an ihrer gerade aus der Stellung als Vertragspartnerin bei der Begründung des Gesellschaftsverhältnisses resultierenden Pflicht zur Aufklärung der Anlagegesellschafter nichts zu ändern.

Aus der verjährungsverkürzenden Regelung des Gesellschaftsvertrages – soweit man sie für anwendbar hält – lässt sich keine Verjährung möglicher Ansprüche der Anleger herleiten, weil auch diese Regelung einer Inhaltskontrolle nicht standhält.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften objektiv auszulegen sind. Der Bundesgerichtshof kann deshalb die notwendigen Feststellungen selbst treffen5.

Dahinstehen kann ferner, ob die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 BGB für Gesellschaftsverträge im Hinblick auf die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 05.04.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen6 nicht eingreift, wenn sich Verbraucher an der Publikumsgesellschaft beteiligen7. Selbst in der Annahme, dass Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften auch weiterhin einer an den Maßstäben von Treu und Glauben ausgerichteten ähnlichen Auslegung und Inhaltskontrolle wie Allgemeine Geschäftsbedingungen unterliegen8, hält die Regelung in § 23 des Gesellschaftsvertrages einer individualvertraglichen Billigkeitskontrolle gemäß §§ 157, 242 BGB nicht stand. Indem sie pauschal die Verjährungsfrist für sämtliche Schadensersatzansprüche und damit auch bei Haftung wegen Vorsatzes unter Verstoß gegen § 202 Abs. 1 BGB sowie wegen grober Fahrlässigkeit verkürzt, bevorzugt sie einseitig die Belange der Gründungsgesellschafter zu Lasten der berechtigten Interessen der Anlagegesellschafter. Insoweit gelten dieselben Erwägungen wie zur Verjährungsregelung in Kapitel – VIII des Prospekts, die im Übrigen (zusätzlich) auch gegen die generelle Einführung einer Ausschlussfrist sprechen9.

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Aus der verjährungsverkürzenden Regelung des Treuhandvertrages, der eine – weitere – eigenständige Regelung zur Verjährung betreffend „Schadensersatzansprüche aus diesem Vertrag“ enthält, kann die Treuhänderin ebenfalls nichts zu ihren Gunsten herleiten, da diese schon nicht zur Anwendung kommt, soweit die Treuhänderin – wie hier – in ihrer Stellung als Gründungsgesellschafterin haftbar gemacht wird10. Ungeachtet dessen wäre aber auch § 8 Abs. 3 TV wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 7b BGB unwirksam11.

Auch für die von den Anlegern geltend gemachten Ansprüche aus erweiterter Prospekthaftung gilt die dreijährige, kenntnisabhängige Verjährung der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB. Dies entspricht der von der Literatur – entgegen der unzutreffenden Darstellung der Treuhänderin und ihrer Streithelferin – einhellig geteilten, gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs12, von der abzuweichen keine Veranlassung besteht.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. September 2015 – II ZR 343/14

  1. vgl. nur BGH, Urteil vom 05.05.2010 – III ZR 209/09, BGHZ 185, 310 Rn. 14; Urteil vom 09.06.2010 – VIII ZR 294/09, NJW 2010, 2877 Rn. 12; Urteil vom 09.04.2014 – VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 Rn. 37[]
  2. BGH, Urteil vom 13.11.2012 – XI ZR 500/11, BGHZ 195, 298 Rn. 16[]
  3. vgl. nur BGH, Urteil vom 09.06.2010 – VIII ZR 294/09, NJW 2010, 2877 Rn. 11[]
  4. st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 24.05.1982 – II ZR 124/81, BGHZ 84, 141, 144[]
  5. vgl. nur BGH, Urteil vom 23.04.2012 – II ZR 75/10, ZIP 2012, 1342 Rn. 32; Urteil vom 08.10.2013 – II ZR 335/1215; Urteil vom 01.07.2014 – II ZR 72/12 16 f.[]
  6. ABL. L 95 vom 21.04.1993, S. 2934[]
  7. so OLG Oldenburg, NZG 1999, 896, 897; OLG Frankfurt, NJW-RR 2004, 991, 992; KG, Urteil vom 08.12 2011 – 23 U 163/11, BeckRS 2013, 14059 aE; aA Staudinger/Schlosser, BGB, [2013], § 310 Rn. 32, 44[]
  8. vgl. BGH, Urteil vom 14.04.1975 – II ZR 147/73, BGHZ 64, 238, 241; Urteil vom 27.11.2000 – II ZR 218/00, ZIP 2001, 243, 244; Beschluss vom 13.12 2011 – II ZB 6/09, ZIP 2012, 117 Rn. 50; Urteil vom 01.07.2014 – II ZR 72/12 17 mwN[]
  9. zu letzterer BGH, Urteil vom 09.07.2013 – II ZR 9/12, ZIP 2013, 1616 Rn. 44 f.[]
  10. vgl. auch BGH, Urteil vom 20.03.2006 – II ZR 326/04, ZIP 2006, 849 Rn. 9[]
  11. vgl. nur BGH, Urteil vom 29.05.2008 – III ZR 59/07, ZIP 2008, 1481 Rn. 34 f.[]
  12. siehe nur BGH, Urteil vom 22.03.1982 – II ZR 114/81, BGHZ 83, 222, 227; Urteil vom 24.05.1982 – II ZR 124/81, BGHZ 84, 141, 149; im Ergebnis bestätigend auch BGH, Urteil vom 20.03.2006 – II ZR 326/04, ZIP 2006, 849 Rn. 8 mwN; zustimmend – entgegen der Darstellung der Treuhänderin und der Streithelferin – Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, [2014], § 195 Rn. 57[]
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