Die rechtzeitige Einreichung eines Güteantrages bei der Öffentlichen Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle der Freien und Hansestadt Hamburg (ÖRA) hemmt die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs wegen fehlerhafter Anlageberatung. Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshof und bestätigte damit eine seit einigen Jahren beliebte Praxis, um im Kapitalanlagerecht den Ausgang von Musterverfahren abwarten zu können ohne den Eintritt der Verjährung befürchten zu müssen.

In dem jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall nehmen die Kläger die beklagte Bank auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit der Beteiligung an einem Immobilienfonds in Anspruch. Mit einem am 31. Dezember 2004 bei der ÖRA eingegangenen Anwaltsschreiben vom 30. Dezember 2004 beantragten die Kläger gegen die Beklagte deshalb die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens. Auf fernmündliche Nachfragen wurde dem von den Klägern beauftragten Rechtsanwalt erklärt, die Schlichtungsstelle sei überlastet und ein weiteres Betreiben des Verfahrens sei nicht absehbar. Am 5. September 2005 wurde von den Klägern ein Gebührenvorschuss angefordert. Der Antrag wurde der Beklagten zusammen mit einer Ladungsverfügung vom 6. Februar 2006 bekannt gegeben. Das Schlichtungsverfahren wurde am 23. März 2006 eingestellt. Daraufhin haben die Kläger gegen die Beklagte Klage erhoben. Die Beklagte hat unter anderem die Einrede der Verjährung mit der Begründung erhoben, der Güteantrag habe aufgrund der Verzögerungen im weiteren Verfahren keine rückwirkende Hemmung der Verjährung herbeiführen können.
Das erstinstanzlich mit der Schadensersatzklage befasste Landgericht Marburg sah dies ebenso wie die Bank und wies die Klage wegen Verjährung ab1. Auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main sah in seinem Berufungsurteil aufgrund der langen Verfahrensverzögerung die Verjährung als eingetreten an2.
Erst im Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof bekamen die Kläger jetzt Recht. Der Bundesgerichtshof hob das Berufungsurteil des OLG Frankfurt auf und verwies den Rechtsstreit zur materiellen Klärung der behaupteten Schadensersatzansprüche zurück an das Frankfurter Berufungsgericht.
Denn nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist der von den Klägern geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist nicht verjährt. Vielmehr ist die Verjährung durch die Veranlassung der Bekanntgabe des Güteantrages gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB rechtzeitig gehemmt worden. Der – den geltend gemachten Anspruch hinreichend genau bezeichnende – Güteantrag ist durch den Prozessbevollmächtigten der Kläger noch innerhalb der mit Ablauf des 31. Dezember 2004 endenden Verjährungsfrist bei der Schlichtungsstelle eingereicht worden.
13 Monate ist bei Überlastung der Gütestelle noch „demnächst“
Zwar ist die Bekanntgabe des Antrags gegenüber der Beklagten erst über 13 Monate später veranlasst worden. Dies ist aber noch als „demnächst“ im Sinne von § 204 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 BGB anzusehen. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Bekanntgabe „demnächst“ veranlasst worden ist, hat der Bundesgerichtshof auf die von ihm entwickelten Grundsätze zur gleichgelagerten Fragestellung im Rahmen der Zustellung nach § 167 ZPO zurückgegriffen. Danach darf nicht auf eine rein zeitliche Betrachtungsweise abgestellt werden. Vielmehr sollen, da die Bekanntgabe von Amts wegen geschieht, die Parteien vor Nachteilen durch Verzögerungen innerhalb des Geschäftsbetriebes der Gütestelle bewahrt werden, weil diese Verzögerungen von ihnen nicht beeinflusst werden können.
So lag der Fall nach Auffassung der Karlsruher Bundesrichter auch hier. Die Kläger hatten alle von ihnen geforderten Mitwirkungshandlungen, wie insbesondere die Einzahlung des angeforderten Gebührenvorschusses, zeitnah erbracht, um die Bekanntgabe des Güteantrags zu erreichen. Die Verzögerung der Bekanntgabe war allein durch die Arbeitsüberlastung der ÖRA im Jahr 2005 bedingt, die durch die Änderung des Verjährungsrechts und die dadurch hervorgerufene Sondersituation einer drohenden Verjährung von sog. Altansprüchen zum 31. Dezember 2004 entstanden war. Aufgrund dessen hätten die Kläger die Bearbeitung ihres Güteantrags nicht weiter beschleunigen können.
Kein Ausweichen auf den Klageweg
Die Kläger hätten stattdessen, so der BGH, auch nicht den Klageweg beschreiten oder das Mahnverfahren einleiten müssen. Für eine solche Pflicht besteht keine rechtliche Grundlage.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. September 2009 – XI ZR 230/08