Verkaufsprospekte – und die Risiken der Fremdfinanzierung

Zur Darstellung der mit der Fremdfinanzierung bei einem geschlossenen Immobilienfonds einhergehenden Risiken im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 3 VermVerkProspV in der vom 01.07.2005 bis zum 31.05.2012 geltenden Fassung hat jetzt der Bundesgerichtshof im Rahmen eines Kapitalanleger-Musterverfahrens Stellung genommen.

Verkaufsprospekte – und die Risiken der Fremdfinanzierung

Dabei war gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 VermAnlG auf den vorliegenden Prospekt noch das Verkaufsprospektgesetz in der bis zum 31.05.2012 geltenden Fassung (im Folgenden: VerkProspG aF) anzuwenden, da der Verkaufsprospekt vor dem 1.06.2012 veröffentlicht worden ist.

Nach § 8g Abs. 1 Satz 1 VerkProspG aF muss der Verkaufsprospekt alle tatsächlichen und rechtlichen Angaben enthalten, die notwendig sind, um dem Publikum eine zutreffende Beurteilung des Emittenten und der Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 VerkProspG aF zu ermöglichen. Nach § 8g Abs. 2 VerkProspG aF i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 VermVerkProspV in der vom 01.07.2005 bis zum 31.05.2012 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) muss der Verkaufsprospekt über die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Beurteilung der angebotenen Vermögensanlagen notwendig sind, Auskunft geben und richtig und vollständig sein. Dazu gehört eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können, und über solche Umstände, von denen zwar noch nicht feststeht, die es aber wahrscheinlich machen, dass sie den vom Anleger verfolgten Zweck gefährden. Für die Frage, ob ein Prospekt nach diesen Grundsätzen unrichtig oder unvollständig ist, kommt es nicht allein auf die darin wiedergegebenen Einzeltatsachen an, sondern wesentlich auch darauf, welches Gesamtbild der Prospekt dem Anleger von den Verhältnissen des Unternehmens vermittelt. Hierbei sind solche Angaben wesentlich, die ein Anleger „eher als nicht“ bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. Abzustellen ist auf die Kenntnisse und Erfahrungen eines durchschnittlichen Anlegers, der als Adressat des Prospekts in Betracht kommt und der den Prospekt sorgfältig und eingehend liest1.

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Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Oberlandesgericht Köln2 zu Recht angenommen, dass der Prospekt, den der Bundesgerichtshof selbst auslegen kann3, keinen Fehler aufweist.

Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 VermVerkProspV aF sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Risiken im Zusammenhang mit den angebotenen Vermögensanlagen einschließlich der mit einer Fremdfinanzierung einhergehenden Risiken in einem gesonderten Abschnitt, der nur diese Angaben enthält, darzustellen. Dabei ist das den Anleger treffende maximale Risiko in seiner Größenordnung zu beschreiben (§ 2 Abs. 2 Satz 4 VermVerkProspV aF). Für die Darstellung eines Risikos ist es erforderlich, dass der Prospekt erläutert, welches Ereignis zur Verwirklichung eines bestimmten Risikos führen kann4.

Bei dem durch die Fondsgesellschaft vereinbarten Zinsswap handelt es sich nicht um ein spekulatives Geschäft, über dessen Risiken in dem Prospekt aufzuklären gewesen wäre. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Fondsgesellschaft den Zinsswap als Sicherungsgeschäft im Hinblick auf den variabel verzinslichen Kredit abgeschlossen hat. Die Fondsgesellschaft hat – wie sich für den Anleger aus der Darstellung des Zinsswaps auf Seite 101 des Prospekts ergibt – mittels der Swap-Vereinbarung das variabel verzinsliche Darlehen in ein synthetisches Festzinsdarlehen umgewandelt. Die erstinstanzliche Behauptung des Musterklägers, es habe sich bei dem Swap um ein „hochspekulatives und gefährliches Termingeschäft“ gehandelt, haben der Musterkläger und die weiteren Rechtsbeschwerdeführer im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht weiterverfolgt.

Das Oberlandesgericht hat zutreffend die Darstellung der mit der Fremdfinanzierung einhergehenden Risiken als ausreichend angesehen. Beschrieben wird in dem vom Oberlandesgericht zitierten Passus des Prospekts das Risiko einer Insolvenz der Fondsgesellschaft. Als mögliche auslösende Ereignisse werden Vertragsverletzungen, vorzeitige Fälligstellung der Darlehen oder außerordentliche Kündigung der Darlehen durch das finanzierende Kreditinstitut genannt. Als Grund dafür, warum diese Situationen zu einer Insolvenz führen können, werden unter anderem, „je nach Zinsentwicklung am Kapitalmarkt, hohe Vorfälligkeitsentschädigungen für die vorzeitige Auflösung der verkonditionierten Darlehensbeträge“ angegeben. Damit wird dem Anleger deutlich vor Augen geführt, dass es bei den genannten Ereignissen zu erheblichen Zahlungsverpflichtungen kommen kann und welche Folgen daraus entstehen können. Unerheblich ist dabei, ob diese Zahlungsverpflichtungen sich aus dem Darlehensvertrag oder aus der Swap-Vereinbarung ergeben. Denn dies ändert weder an dem Risiko noch an der Ursache des Risikos etwas. Der Anleger kann aufgrund der Informationen des Prospekts das mit der Fremdfinanzierung verbundene Risiko sachgerecht einschätzen.

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Dass die Fremdfinanzierung – aufgenommen war ein Darlehen in Höhe von 137.000.000 GBP – vorliegend auch das Risiko des Totalverlusts mit sich bringen kann, ist im Prospekt ebenfalls ausreichend dargestellt. So wird auf Seite 45 f. des Prospekts ausgeführt, dass es zur Zwangsverwertung des als Sicherheit dienenden Objekts kommen kann, wenn es der Fondsgesellschaft nach einer Kündigung des Darlehens durch das Kreditinstitut nicht möglich ist, das gekündigte Darlehen abzulösen. Es ist auch dargestellt, dass es nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Erlös der Zwangsverwertung nicht ausreicht, um die aufgenommenen Fremdmittel zurückzuzahlen, und dass dies die Zwangsliquidation und den Totalverlust der Beteiligung zur Folge haben kann. Auch hier ändert der eventuell zu zahlende Auflösungsbetrag bei der vorzeitigen Beendigung des Swap-Vertrags weder etwas an dem Risiko (Totalverlust) noch der Ursache des Risikos (Kündigung des Darlehensvertrages durch die Bank), so dass er entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerden auch insoweit nicht gesondert zu erwähnen ist.

Das Oberlandesgericht Köln hat desweiteren zu Recht die Feststellung nicht getroffen, dass der Verkaufsprospekt nicht darüber informiert, dass im englischen Recht grundbuchrechtlich besicherte Immobilien von der Kreditbank freihändig ohne Zwangsversteigerungsverfahren nach Fälligstellung des Kredits verkauft werden können, und damit die Risiken eines Zwangsverkaufs unrichtig, irreführend und verharmlosend darstellt.

Ohne Erfolg wird insoweit mit der Verfahrensrüge beanstandet, dass das Oberlandesgericht das englische Recht unzureichend ermittelt habe. Der deutsche Tatrichter hat – auch im Verfahren nach dem KapMuG – ausländisches Recht im Wege des Freibeweises zu ermitteln (§ 11 Abs. 1 Satz 1 KapMuG i.V.m. § 293 ZPO). In welcher Weise er sich die notwendigen Kenntnisse verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Das Rechtsbeschwerdegericht überprüft insoweit nur, ob der Tatrichter sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, insbesondere die sich anbietenden Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls hinreichend ausgeschöpft hat5.

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Gemessen daran ist es nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht – wie die Rechtsbeschwerden rügen – kein Rechtsgutachten über die Rechtspraxis bei der Grundstücksverwertung nach englischem Recht eingeholt und auch keinen Sachverständigen zu Rate gezogen hat, um das eigene Verständnis der Auslegung des englischen Rechts überprüfen zu lassen.

Das Oberlandesgericht ist nach Auslegung des Prospekts zutreffend davon ausgegangen, dass der dort verwendete Begriff der „Zwangsverwertung“ nicht suggeriert, dass ein bestimmtes Verfahren einzuhalten wäre, welches dem deutschen Zwangsversteigerungsrecht gleichkommende Vorkehrungen zum Schutz des Schuldners trifft. Schon deshalb bestand für den Anleger kein Anlass, auf eine bestimmte Dauer einer solchen „Zwangsverwertung“ zu vertrauen. Das Oberlandesgericht hat zudem zu Recht angenommen, dass über die Informationen zur Anwendbarkeit englischen Rechts und zur Kreditsicherung durch eine „First Legal Charge“ hinaus weitere Angaben nur dann erforderlich wären, wenn sich aus Besonderheiten des englischen Rechts Umstände ergäben, die den Vertragszweck hinsichtlich der Beteiligung gefährden oder vereiteln könnten.

Das Oberlandesgericht hat unter diesem Gesichtspunkt das englische Recht ermittelt und sich dabei zu Recht auf die im Feststellungsziel aufgeführten besonderen Umstände – Verwertung gleich nach Fälligstellung des Darlehens, freihändiger Verkauf durch die Kreditbank – konzentriert. Die gerichtliche Ermittlungspflicht bezieht sich auch im Anwendungsbereich des § 293 ZPO nur auf Rechtsfragen und nicht auf entscheidungserhebliche Tatsachen6.

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Das Oberlandesgericht hat die Vorschrift in Section 103 Law of Property Act 1925 sowie deutsch- und englischsprachiges wissenschaftliches Schrifttum zum englischen Grundstücksrecht herangezogen und sorgfältig ausgewertet. Dabei hat es sich auch mit der von dem Musterkläger vorgelegten Literaturstelle7 befasst. Erforderlich war nur eine rechtsvergleichende Betrachtung, wobei die zahlreichen Erkenntnisquellen leicht zugänglich waren. Es stellten sich keine umstrittenen Auslegungsfragen des englischen Rechts, die eine vertiefte Auseinandersetzung mit der englischen Rechtsprechung erforderlich gemacht hätten. Die Rechtsbeschwerden haben auch keine Umstände dafür aufgezeigt, dass es sich um eine derart komplexe Rechtslage handelte, dass sie nur mit Hilfe eines Sachverständigen aufzuklären wäre.

Auch soweit die Rechtsbeschwerden die fehlende Angabe eines prozentualen Anteils für die Position „Zinsvorauszahlung“ beanstanden, bleiben sie ohne Erfolg. Der prozentuale Anteil der Zinsvorauszahlung kann durch den Anleger mittels einer einfachen Rechnung ermittelt werden, so dass eine derartige Angabe nicht erforderlich war8. Die Höhe der einbehaltenen Zinsvorauszahlung ist mit 19.904.112 € angegeben. Ferner sind das Eigenkapital (zuzüglich Agio) mit 166.950.000 € sowie die Gesamtinvestition mit 346.087.004 € beziffert.

Die Darstellung wird entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerden nicht dadurch irreführend, dass der Prospekt das Agio sowohl im Investitionsplan bei den fondsabhängigen Kosten (als Teil der Position „Kapitalvermittlung“ in Höhe von 19.875.000 €) als auch im Finanzierungsplan (Position „Kapitalrücklage“ in Höhe von 7.950.000 €) aufführt und der Investitions- sowie der Finanzierungsplan in einer Tabelle dargestellt sind.

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Da § 9 Abs. 2 Nr. 9 VermVerkProspV aF eine gesonderte Ausweisung sowohl der voraussichtlichen Gesamtkosten des Anlageobjekts als auch der geplanten Finanzierung verlangt, sind sowohl Angaben zur Mittelherkunft als auch zur Mittelverwendung erforderlich9.

Beide Pläne sind durch graphisch deutlich hervorgehobene Überschriften klar voneinander abgegrenzt. Wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Tabelle ferner unmittelbar zu entnehmen, dass der Finanzierungsplan die Mittelherkunft skizziert, während im Investitionsplan die Mittelverwendung dargestellt ist. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerden ist daher für einen Anleger bei der zu erwartenden sorgfältigen und eingehenden Lektüre des Prospekts10 unschwer zu erkennen, dass das Agio – der Vorschrift des § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB entsprechend – bei dem Eigenkapital dargestellt wird, zur Kapitalvermittlung verwendet werden soll und deshalb hinsichtlich der Mittelverwendung auch im Investitionsplan erwähnt ist. Die Angaben über die Herkunft der Mittel erlauben angesichts des Gesamtbilds von Investitions- und Finanzierungsplan für den Anleger erkennbar keinen Schluss darauf, dass die Mittel noch nicht verplant und noch vorhanden wären.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30. März 2021 – XI ZB 3/18

  1. st. Rspr., BGH, Beschluss vom 06.10.2020 – XI ZB 28/19, WM 2020, 2411 Rn. 25 mwN[]
  2. OLG Köln, Beschluss vom 18.01.2018 – 24 Kap 1/17[]
  3. BGH, Beschlüsse vom 21.10.2014 – XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1 Rn. 75 mwN; vom 22.11.2016 – XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65 Rn. 58; und vom 06.10.2020 – XI ZB 28/19, WM 2020, 2411 Rn. 26[]
  4. vgl. Maas in Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb, Wertpapierprospektgesetz/Vermögensanlagengesetz, 3. Aufl., § 2 VermVerkProspV Rn. 41; Voß in Arndt/Voß, WertpapierVerkaufsprospektgesetz und Verordnung über Vermögensanlagen-Verkaufsprospekte, 2008, § 2 Rn. 106[]
  5. st. Rspr., BGH, Urteile vom 23.04.2002 – XI ZR 136/01, WM 2002, 1186, 1187; und vom 13.12.2005 – XI ZR 82/05, BGHZ 165, 248, 260; BGH, Beschluss vom 24.05.2017 – XII ZB 337/15, NJW-RR 2017, 902 Rn. 14[]
  6. BGH, Urteil vom 25.06.2019 – X ZR 166/18, NJW 2019, 3374 Rn. 25[]
  7. Odersky in Ring/Grziwotz/Keukenschrijver, BGB, 4. Aufl., Bd. 4, Länderbericht Großbritannien, Rn. 18[]
  8. vgl. BGH, Urteil vom 12.12.2013 – III ZR 404/12, WM 2014, 118 Rn. 15 f.; Beschluss vom 23.09.2014 – II ZR 319/13 37 ff.[]
  9. vgl. Unzicker, VerkProspG, 2010, § 9 VermVerkProspV Rn. 78[]
  10. vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2013 – XI ZR 335/11 32[]
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