Wenn der Makler die Anlagerisiken kleinredet haftet die Versicherung

Im Rahmen eines Beratungsvertrages für eine Kapitalanlage hat sich die Beratung der Klägerin auch aufgrund eigener kritischer Überprüfung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben konnten; das schließt beim Vertrieb einer Anlage anhand eines Prospekts eine Überprüfung des Prospekts und der darin enthaltenen Informationen ein1.

Wenn der Makler die Anlagerisiken kleinredet haftet die Versicherung

Daraus folgt weiter, dass auch bei zutreffenden und ausreichenden Prospektangaben über die Chancen und Risiken einer Anlage eine Pflichtverletzung des Beraters vorliegen kann, wenn dieser im Beratungsgespräch eine abweichende Darstellung der Risiken vornimmt und damit ein Bild zeichnet, das die Hinweise im Prospekt entwertet oder für die Entscheidungsbildung des Anlegers mindert2 bzw. tatsächlich bestehende Gefahren unzulässig verharmlost und zutreffende schriftliche Warnhinweise fälschlich relativiert3.

Ob ein Risiko vom Anlageberater abweichend von schriftlichen Warnhinweisen „kleingeredet“ werden darf, beurteilt sich allein ex ante und ist nicht davon abhängig, ob sich genau dieses Risiko später verwirklicht oder nicht.

Derartige fehlerhafte mündliche Erklärungen des Anlageberaters zur Risikobewertung muss sich ggfs. auch die betreffende Versicherungsgesellschaft zurechnen lassen.

Dabei kann zugunsten der Versicherungsgesellschaft davon ausgegangen werden, dass sie die Informations- und Aufklärungspflichten, die ihr nach § 10a Abs. 1 VAG a.F. i.V.m. der Anlage Teil D oblagen, ebenso erfüllt hat wie diejenigen Pflichten, die sich daraus ergeben, dass auch ein Versicherer entsprechend den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Aufklärung bei Anlagegeschäften verpflichtet ist, den Versicherungsnehmer bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen über alle Umstände verständlich und vollständig zu informieren, die für seinen Anlageentschluss von besonderer Bedeutung sind, wenn der Abschluss einer kapitalbildenden Lebensversicherung sich bei wirtschaftlicher Betrachtung als Anlagegeschäft darstellt4. Zur richtigen und vollständigen Information über ein Anlageprodukt gehört die zutreffende Beschreibung der damit verbundenen Chancen und Risiken, nicht jedoch deren Bewertung, die nur im Rahmen eines Beratungsvertrages geschuldet wird5.

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Entscheidend ist, dass die Versicherungsgesellschaft sich auch zur Erfüllung dieser Pflichten des Anlageberaters bedient hat. Die von der Versicherungsgesellschaft geschuldete Aufklärung ist in dem vom Berater geführten Beratungsgespräch vorgenommen worden, weshalb die Versicherungsgesellschaft auf den Gesprächsinhalt auch im Versicherungsantrag Bezug genommen hat. So heißt es in dem Antragsformular, in dessen Kopf neben der Beratungsgesellschaft auch die Versicherungsgesellschaft aufgeführt ist:

„Ich wurde über die einzelnen Veranlagungsmöglichkeiten informiert und über alle Chancen und Risiken (…) dieser Anlageform aufgeklärt. Ich habe die Erklärung zum Beratungsgespräch gelesen, ausgefüllt, unterschrieben. …“

In der genannten „Erklärung zum Beratungsgespräch“ bestätigte die Kundin durch Ankreuzen der jeweiligen vorgedruckten Kästchen, „dass ich über folgende Punkte und Risiken aufgeklärt wurde“. Damit hat sich die Versicherungsgesellschaft die Risikoaufklärung im Beratungsgespräch zu Eigen gemacht. Sie hat sich für die von ihr selbst vorgesehene Risikoaufklärung des Beraters bedient, die damit in diesem Rahmen als ihre Erfüllungsgehilfin zu betrachten ist (§ 278 BGB). Die Versicherungsgesellschaft muss sich deshalb auch solche in diesem Gespräch abgegebenen Erklärungen zu Chancen und Risiken zurechnen lassen, die innerhalb der Grenzen ihrer eigenen Aufklärungspflicht nicht geschuldet waren. Werden Auskünfte gegeben, auch ohne dass dazu eine Verpflichtung besteht, so müssen diese richtig oder, wenn es um eine Risikobewertung geht, jedenfalls ex ante vertretbar sein.

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An der Zurechenbarkeit ändert es nichts, dass es sich bei dem Berater um einen selbständigen Berater handelt, die als Untervermittlerin für die E. P. AG tätig geworden ist. Es kommt allein auf den Pflichtenkreis des Vermittlers im Einzelfall an. Nur dieser ist ausschlaggebend dafür, wann ein Vermittler, gleichgültig ob selbständig oder nicht, als Hilfsperson des Versicherers anzusehen ist. Auch wenn ein Versicherungsmakler grundsätzlich die Interessen des Versicherten und nicht diejenigen des Versicherers wahrnimmt6, kann dies im Einzelfall doch anders sein. So muss sich ein Versicherer das Verhalten und die Erklärungen rechtlich selbständiger Vermittler und von diesen eingesetzter Untervermittler zurechnen lassen, soweit die Lebensversicherung unter Verzicht auf ein eigenes Vertriebssystem ausschließlich über diese Vermittler vertrieben wird7.

Gleiches gilt hier. Dass die E. P. AG, obwohl Versicherungsmakler, hier im Lager der Versicherungsgesellschaft steht, wird bereits an der Gestaltung des Antragsformulars deutlich. Es ist nicht etwa so, dass sie sich lediglich ihr zur Verfügung stehender Antragsformulare des Versicherers bedient hat8, sondern Herausgeber des Antragsformulars sind nach dessen Kopfzeile der Makler und die Versicherungsgesellschaft gemeinsam. Ferner handelt es sich um einen „Antrag auf eine Lebensversicherung mit Vermögensverwaltung“, wobei in den zugehörigen Unterlagen ausdrücklich darauf verwiesen wird, dass die Versicherungsgesellschaft als Versicherer sich nicht um die Verwaltung des Anlagebetrags kümmert und damit nichts zu tun hat. Dies fällt in die alleinige Zuständigkeit der E. P. AG. Somit treten beide schon im Antragsformular zusammen mit einem gemeinsamen Produkt dem Anlageinteressenten und zukünftigen Versicherungsunternehmer gegenüber. Das kombinierte Anlageprodukt wird von ihnen gemeinsam angeboten und vertrieben. Danach kann keine Rede davon sein, dass die E. P. AG und deren Vermittler alleinige Sachwalter der Interessen des Versicherungsnehmers seien.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26. September 2012 – IV ZR 71/11

  1. BGH, Urteil vom 01.12.2011 – III ZR 56/11, NJW 2012, 380 Rn. 9 f. m.w.N.; st. Rspr.[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2007 – III ZR 83/06, VersR 2007, 1653 Rn. 10[]
  3. OLG Düsseldorf VersR 2005, 62, 63[]
  4. vgl. dazu BGH, Urteil vom 11.07.2012 IV ZR 164/11, WM 2012, 1582 Rn. 53, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt[]
  5. vgl. auch BGH, Urteil vom 25.11.1981 IVa ZR 286/80, NJW 1982, 1095 unter I 2; sowie Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl. § 4 Rn. 4 m.w.N. zur Abgrenzung von Anlageberatung und Anlagevermittlung[]
  6. BGH, Urteil vom 22.05.1985 IVa ZR 190/83, BGHZ 90, 356; BGH, Beschluss vom 12.03.2008 IV ZR 330/06, VersR 2008, 809 Rn. 7[]
  7. BGH, Urteil vom 11.07.2012 aaO Rn. 51[]
  8. so im Fall, der dem BGH, Beschluss vom 12.03.2008, aaO, zugrunde lag[]