Preisanpassungsklauseln in Erdgas-Sonderkundenverträgen, die den Arbeitspreis für Erdgas allein an die Entwicklung des Preises für extra leichtes Heizöl („HEL“-Preisanpassungsklauseln) binden, benachteiligen die Kunden unangemessen und sind unwirksam. Sie können deshalb nicht Grundlage einer einseitigen Preisanpassung durch das Gasversorgungsunternehmen sein. Dies entschied heute der Bundesgerichtshof in zwei Fällen eines Kölner Gasversorgers sowie eines Gasversorgers aus dem Rhein-Main-Gebiet.

Die beiden Ausgangsfälle
Im ersten Fall verlangte ein Verbraucherschutzverband von einem in Köln ansässigen Energieversorgungsunternehmen unter anderem, die Verwendung der folgenden Preisanpassungsbestimmungen für den Arbeitspreis (AP) in zwei näher bezeichneten Sondervertragsmustern zu unterlassen:
„AP = 2,43 + (0,092 * (HEL – 19,92)) + 0,2024 in ct/kWh“
und
„für die ersten 4.972 kWh/Jahr AP = 3,21 + 0,092 * (HEL – 25,39) + 0,2024 in ct/kWh
von 4.973 bis 99.447 kWh/Jahr AP = 2,88 + 0,092 * (HEL – 25,39) + 0,2024 In ct/kWh
alle weiteren kWh/Jahr AP = 2,83 + 0,092 * (HEL – 25,39) + 0,2024 in ct/kWh“.
Mit HEL ist definitionsgemäß der Preis für extra leichtes Heizöl (ohne Umsatzsteuer) in €/hl bezeichnet, wie er den monatlichen Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden bei einer Tankkraftwagen-Lieferung von 40-50 hl frei Verbraucher in Düsseldorf zu entnehmen ist. In den Verträgen heißt es weiter:
„Der Erdgaspreis wird jeweils mit Wirkung zum 1. April und 1. Oktober eines jeden Jahres angepasst. Dabei werden jeweils zugrunde gelegt:
- für die Bildung des Arbeitspreises zum 1. April das arithmetische Mittel der Preise für extra leichtes Heizöl der Monate Juli bis Dezember des vorhergehenden Kalenderjahres
- und für die Bildung des Arbeitspreises zum 1. Oktober das arithmetische Mittel der Preise für extra leichtes Heizöl der Monate Januar bis Juni des laufenden Kalenderjahres.“
Das Landgericht Köln hat der Unterlassungsklage des Verbraucherschutzverbandes insoweit stattgegeben1, das Oberlandesgericht Köln hat auf die Berufung der beklagten Gasversorgers dieses Urteil des Landgericht Kölns jedoch aufgehoben und die Klage abgewiesen2. Die gegen dieses klageabweisende Berufungsurteil des OLG Köln gerichtete Revision des Verbraucherschutzverbandes hatte heute beim Bundesgerichtshof Erfolg.
In dem zweiten Fall sind die Kläger Kunden eines kommunalen Versorgungsunternehmens im Rhein-Main-Gebiet, von dem sie im Rahmen von Sonderverträgen leitungsgebunden Gas beziehen. Hierbei gelten die von dem Versorgungsunternehmen vorformulierten „Bedingungen des Sondervertrages für Gaslieferungen“, in deren Ziffer III es heißt:
„c) Als Heizölpreis im Sinne von Ziffer 2 des Vertrages gilt das aus 8 Monatswerten gebildete arithmetische Mittel der vom Statistischen Bundesamt erhobenen und veröffentlichten monatlichen Preisnotierung für extra leichtes Heizöl in € je 100 Liter frei Verbraucher in Frankfurt bei Tankkraftwagen-Lieferungen von 40 bis 50 hl pro Auftrag einschließlich Verbrauchssteuer. Der Arbeitspreis (AP) errechnet sich deshalb nach folgender Formel:
AP (Cent je kWh) = 0,092 HEL
d) Änderungen der Gaspreise aufgrund der Bindung an das Heizöl (HEL) treten jeweils zum 1.4. und 1.10. eines jeden Jahres ein. …“
Die hessischen Kläger haben unter anderem beantragt, die Unwirksamkeit dieser Klauseln festzustellen. Hier hatte das erstinstanzlich mit dem Rechtsstreit befasste Landgericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen3. Auf die Berufung der Gaskunden hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main das landgerichtliche Urteil jedoch aufgehoben und festgestellt, dass die Klausel den 36 Berufungsklägern gegenüber unwirksam sei4. Die dagegen gerichtete Revision des beklagten Gasversorgungsunternehmens hatte beim Bundesgerichtshof keinen Erfolg.
Unwirksamkeit der Ölpreisbindung
Der Bundesgerichtshof entschied in beiden Fällen, dass die Preisberechnungsklauseln die Kunden der Gasversorgungsunternehmen unangemessen benachteiligen und deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sind. Ein schutzwürdiges Interesse der Versorgungsunternehmen an der Verwendung der Klauseln liegt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht vor. Dies gilt auch dann, wenn es sich hierbei um – nach dem Preisklauselgesetz wirksame – Spannungsklauseln handeln sollte, die die Erhaltung einer bestimmten Wertrelation zwischen Leistung und Gegenleistung bezwecken. Für solche Klauseln mag in langfristigen Vertragsverhältnissen ein berechtigtes Interesse bestehen, wenn sie bestimmt und geeignet sind zu gewährleisten, dass der geschuldete Preis mit dem jeweiligen Marktpreis für die zu erbringende Leistung übereinstimmt. Für die Lieferung von leitungsgebundenem Gas an Endverbraucher existiert jedoch mangels eines wirksamen Wettbewerbs nach wie vor kein Marktpreis. Dass sich der Gaspreis vielfach parallel zum Preis für leichtes Heizöl entwickelt, beruht nicht auf Markteinflüssen, sondern darauf, dass die Ölpreisbindung der Gaspreise einer gefestigten Praxis entspricht.
Überkompensation der die Gasversorger treffenden Kostensteigerung
Auch das somit allein verbleibende anerkennenswerte Interesse der Gaslieferanten, Kostensteigerungen an ihre Kunden weiterzugeben, führt nicht zur Wirksamkeit der Klauseln. Zwar hat der Bundesgerichtshof grundsätzlich ein berechtigtes Interesse von Gasversorgungsunternehmen anerkannt, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an ihre Normsonderkunden weiterzugeben (vgl. Urteile vom 15. Juli 2009 – VIII ZR 225/07, Pressemitteilung Nr. 153/2009, und VIII ZR 56/08, Pressemitteilung Nr. 152/2009). Eine unangemessene Benachteiligung der Kunden liegt aber dann vor, wenn Preisanpassungsbestimmungen dem Verwender die Möglichkeit einräumen, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen. Bei den beanstandeten Preisanpassungsklauseln ergibt sich die Möglichkeit einer unzulässigen Gewinnsteigerung (schon) daraus, dass sie als einzige Variable für die Anpassung des Arbeitspreises den Preis für extra leichtes Heizöl vorsehen und damit eine Erhöhung der Gaspreise – auch unter Berücksichtigung der in den Vertragsmustern weiter enthaltenen Bestimmungen über die Änderung des Grundpreises – selbst dann erlauben, wenn steigende Bezugspreise durch Kostensenkungen in anderen Bereichen, etwa bei den Netz- und Vertriebskosten, aufgefangen werden.
Bundesgerichtshof, Urteile vom 24. März 2010 – VIII ZR 178/08 und VIII ZR 304/08