Kostenvergleich bei Honorarfactoring

Wendet sich ein Unternehmer dagegen, dass ein von ihm an einen bestimmten Kunden gerichtetes Angebot für einen Preisvergleich verwendet wird, trägt er jedenfalls im Bereich standardisierter Dienstleistungen (hier: Factoring ärztlicher Honorarforderungen) grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der für ihn im Preisvergleich genannte Preis nicht sein in entsprechenden Fällen regelmäßig verlangter Preis ist.

Kostenvergleich bei Honorarfactoring

Die Darlegungspflicht ist dabei begrenzt auf die Offenlegung repräsentativer Beispiele für die Preisbildung, die sich auf dieselben Leistungsmerkmale wie der Preisvergleich beziehen.

Der beanstandete Kostenvergleich der beklagten ärztlichen Verrechnungsstelle ist eine vergleichende Werbung im Sinne von § 6 Abs. 1 UWG. Diese Werbung ist nicht nach § 6 Abs. 2 UWG unlauter. Insbesondere verletzt die Auswahl nur eines bestimmten Angebots für den Preisvergleich nicht das Objektivitätserfordernis für vergleichende Werbung gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG1. Der Kostenvergleich verstößt aber ebenso wenig gegen das Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 UWG.

Nach § 5 Abs. 3 UWG gilt das Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 UWG auch für vergleichende Werbung. Diese Regelung setzt Art. 4 Buchst. a RL 2006/114 um und steht im Einklang mit dem Unionsrecht. Auch ein sachlich zutreffender Vergleich kann irreführend sein, beispielsweise wenn er aufgrund einseitiger Auswahl der verglichenen Eigenschaften bei den Adressaten einen unzutreffenden Eindruck erwecken kann2. Durch eine grundsätzlich zulässige Werbung mit bestimmten Einzelangeboten darf daher kein irreführender Eindruck entstehen.

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Die Unrichtigkeit einer angegriffenen Werbeaussage ist eine anspruchsbegründende Tatsache, die grundsätzlich vom Kläger zu beweisen ist. Allerdings müssen die Zivilgerichte der Mitgliedstaaten nach Art. 7 Buchst. a RL 2006/114 die Befugnis haben, vom Werbenden Beweise für die Richtigkeit von in der Werbung enthaltenen Tatsachenbehauptungen zu verlangen, wenn ein solches Verlangen unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Werbenden und anderer Verfahrensbeteiligter im Hinblick auf Umstände des Einzelfalls angemessen erscheint.

Dementsprechend können dem Anspruchsteller Darlegungs- und Beweiserleichterungen zugutekommen, soweit es sich um Tatsachen handelt, die in den Verantwortungsbereich des Werbenden fallen. Das ist bei der Preisgestaltung der Klägerin aber nicht der Fall. Wie auch das Berufungsgericht erkannt hat, kann die Klägerin diese Frage offensichtlich besser als die Beklagte aufklären. Daher ist der vorliegende Fall nicht mit Verfahren vergleichbar, in denen ein Anspruchsteller eine Werbung mit einer Gegenüberstellung eigener Preise des Werbenden – des nunmehr geforderten mit einem angeblichen früheren Preis – als irreführend beanstandet. Denn dabei handelt es sich um einen Sachverhalt, bei dem – anders als im Streitfall – der Werbende ohne weiteres die entsprechenden Angaben machen kann, weil sie seine eigene Preisgestaltung betreffen3.

Auch eine andere in der Rechtsprechung anerkannte Fallgruppe von Beweiserleichterungen zugunsten des Klägers liegt nicht vor4.

Jedenfalls im Bereich standardisierter Dienstleistungen gibt es keinen Anlass, einen weiteren Fall der Beweiserleichterung zugunsten des Klägers anzuerkennen, wenn der Beklagte eine Preisangabe aus einem individuellen Angebot des Klägers entnimmt und zur Grundlage eines Preisvergleichs macht.

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Bei standardisierten Dienstleistungen, zu denen außer typischen Handwerksleistungen etwa auch im Massengeschäft angebotene Finanzprodukte zählen, kann regelmäßig angenommen werden, dass die an einen bestimmten Kunden gerichteten „individuellen Angebote“ eines bestimmten Anbieters bei gleichen Leistungsmerkmalen in der Regel – und vorbehaltlich eventuell später eingeräumter Rabatte – preislich gleich gestaltet werden. Zu diesen standardisierten Dienstleistungen gehört grundsätzlich auch das Factoring freiberuflicher Honorarforderungen. Dementsprechend hat die Beklagte vorgetragen, FactoringUnternehmen hätten üblicherweise eine feste Preisstruktur, ebenso wie jeder Telefonanbieter eine gewisse Tarifstruktur habe; von Rabatten abgesehen würden die Preise nicht individuell vereinbart.

Auch berechtigte Interessen der Klägerin an der Geheimhaltung von Geschäftsgeheimnissen rechtfertigen in der vorliegenden Fallkonstellation keine Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten. Die Klägerin wird nicht zur Offenlegung ihrer Kostenstruktur oder Kalkulation gezwungen, wenn sie beweisen muss, dass der für sie im Preisvergleich genannte Preis nicht ihr in entsprechenden Fällen regelmäßig verlangter Preis ist. Denn der geforderte Preis sagt als solcher nichts über die Gestehungskosten und deren Zusammensetzung aus.

Allerdings ist grundsätzlich auch ein Interesse des Unternehmers an der Geheimhaltung von Preisangeboten anzuerkennen, die er potentiellen Kunden unterbreitet. Ist ein solches Angebot zum Kunden gelangt, besteht für diesen aber regelmäßig – mangels abweichender Vereinbarungen – keine Verpflichtung, dessen Inhalt geheimzuhalten. Erfährt ein Wettbewerber von einem solchen Preis, kann er ihn auch in einer grundsätzlich zulässigen vergleichenden Werbung verwenden.

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Dem Dr. U. unterbreiteten Angebot waren keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass es nicht den für alle Neukunden mit entsprechenden Merkmalen geltenden Preis der Klägerin enthielt. Ein günstigerer Preis war nur unter der Voraussetzung der Mitgliedschaft in bestimmten Berufsorganisationen angeboten. Darauf musste die Beklagte in ihrer Werbung aber ebenso wenig Rücksicht nehmen wie auf anderen Kunden möglicherweise gewährte Sonder- oder Treuerabatte.

Daher hatte die Klägerin darzulegen und zu beweisen, dass sie im maßgeblichen Zeitpunkt im Sommer 2009 ihren Kunden bei denselben Leistungsmerkmalen tatsächlich von dem Angebot an Dr. U. abweichende, günstigere Preise angeboten oder berechnet hat.

Ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse der Klägerin an diesen Daten ist nicht anzuerkennen. Ihre Darlegungspflicht ist angemessen begrenzt auf die Offenlegung repräsentativer Beispiele für die Preisbildung, die sich auf dieselben Leistungsmerkmale wie der Preisvergleich beziehen. Die Preisstruktur der Klägerin wird dadurch nicht deutlich. Es bleibt offen, wie sich ihr Preis in Abhängigkeit von welchen Parametern verändert. Zudem ist es der Entscheidung der Klägerin überlassen, ob sie sich gegen den Kostenvergleich der Beklagten wendet. Entschließt sie sich aber dazu, obliegt es ihr auch, die anspruchsbegründenden Tatsachen vorzutragen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. Februar 2013 – I ZR 175/11

  1. vgl. EuGH, Urteil vom 08.04.2003 – C-44/01, Slg. 2003, I-3095 Rn. 81 f. = GRUR 2003, 533 – Pippig Augenoptik; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 6 Rn. 121[]
  2. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO Rn. 24[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 27.11.2003 – I ZR 94/01, GRUR 2004, 246, 247 = WRP 2004, 343 – Mondpreise?[]
  4. vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn.03.19, 3.23 ff.[]
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