Krankentransportgenehmigung – und ihr Widerruf bei Verkehrsverstößen

Einem Krankentransportunternehmer kann aufgrund zahlreicher Verkehrsverstöße die erforderliche Zuverlässigkeit fehlen.

Krankentransportgenehmigung – und ihr Widerruf bei Verkehrsverstößen

Die Voraussetzungen für den Widerruf einer erteilten Genehmigung zur Durchführung qualifizierten Krankentransports nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nds.VwVfG sind gegeben, wenn der Unternehmer als unzuverlässig im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 2 NRettDG anzusehen ist. Der Umstand, dass ein Großteil der vom Unternehmer begangenen straßenverkehrsrechtlichen Verfehlungen bereits vor Erteilung der Genehmigung begangen worden sind und damit möglicherweise bereits dieser als Hinderungsgrund entgegenstanden, berührt die Möglichkeit des Widerrufs nicht, da die Regelungen des § 49 VwVfG auch die Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes ermöglichen1.

Die Unzuverlässigkeit hat die Behörde im vorliegenden Fall aus den zahlreichen straßenverkehrsrechtlichen Verfehlungen – insbesondere der Jahre 2011 bis 2013 – in beanstandungsfreier Weise hergeleitet. Auch der davor liegende zweimalige Verlust der Fahrerlaubnis wegen Trunkenheit im Straßenverkehr (2003 und 2007) kann aufgrund der neuerlichen Verkehrsverstöße des Unternehmers, die zu einem erneuten (freiwilligen) Verlust der Fahrerlaubnis geführt haben, nicht völlig außer Betracht bleiben. Von Unternehmern im Bereich des qualifizierten Krankentransports ist ein besonderes Maß an Zuverlässigkeit zu fordern, da ihnen die Gesundheit der von ihnen transportierten Patienten anvertraut ist2. Deshalb ist bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit das Gesamtverhalten und die Gesamtpersönlichkeit des Unternehmers bzw. der für die Führung der Geschäfte bestellten Person maßgebend3. Zwar soll nach einer älteren Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Einzelfall bei einem Güterverkehrsunternehmer, der ausschließlich in seiner Freizeit bei der Führung seines Privatwagens Verkehrsdelikte begangen, seinen Betrieb aber ordnungsgemäß geführt hat, die Zuverlässigkeit zur Ausübung seines Gewerbes fortbestehen4; von einer derartigen Ausnahmekonstellation kann im vorliegenden Fall indes nicht ausgegangen werden. So ist der Unternehmer am … dadurch auffällig geworden, dass er bei der Fahrt mit einem Krankenwagen seines Unternehmens ein Mobiltelefon benutzte. Nach den Feststellungen des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom … fuhr der Unternehmer auch am … ein Fahrzeug seines Unternehmens, als er die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerorts um 28 km/h überschritt. Eine Trennung zwischen privatem und beruflichem Verkehrsverhalten des Unternehmers ist mithin nicht erkennbar. Eine derartige Trennung sieht § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c)) der Berufszulassungsverordnung für den Straßenpersonenverkehr vom 15.06.20005, die mangels spezieller Vorschriften für den qualifizierten Krankentransport bei der Auslegung des § 22 Abs. 1 NRettDG herangezogen werden kann6, grundsätzlich auch nicht vor. Vielmehr sind schwere Verstöße gegen Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes, der Straßenverkehrsordnung oder der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung als Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit des Unternehmers oder der für die Führung der Geschäfte bestellten Person anzusehen. In diesem Zusammenhang hat das Verwaltungsgericht auch zutreffend darauf abgestellt, dass der Unternehmer aufgrund seiner zahlreichen Verkehrsverstöße, die mehrfach zu einem Entzug seiner Fahrerlaubnis bzw. zu seinem Verzicht auf diese geführt haben, nicht in der Lage wäre, seine angestellten Fahrer wirkungsvoll zu einem verkehrsordnungsgemäßen Verhalten anzuhalten. Dies ist bei der Durchführung qualifizierten Krankentransports schon aufgrund der weitgehenden Hilfslosigkeit der anvertrauten „Fahrgäste“ aber von entscheidender Bedeutung. Bereits aus diesem Grunde ist der Einwand des Unternehmers, er fahre nur sehr selten selbst einen Krankentransport, nicht von Bedeutung. Auszuschließen ist ein vom Unternehmer selbst durchgeführter Krankentransport jedoch auch künftig nicht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass er in der Vergangenheit in den wenigen Fällen der Urlaubs- bzw. Krankheitsvertretung gleich zweimal wegen erheblicher Überschreitung der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit bzw. unerlaubten Benutzens eines Mobiltelefons negativ aufgefallen ist. Hinzu kommt, dass es sich bei dem Vergehen vom … – Fahren ohne Fahrerlaubnis – um eine Straftat und damit um einen Gesetzesverstoß handelt, der besonders ins Gewicht fällt, da er belegt, dass der Unternehmer sich auch durch ein auf vergangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten beruhendes Fahrverbot nicht an der Führung eines Kraftfahrzeuges hindern lässt, was auf eine allgemeine Neigung zur Missachtung gesetzlicher Regelungen hindeutet.

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Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht bejaht auch die weitere Voraussetzung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG, dass ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Nach dieser Regelung genügt es nicht, dass der Widerruf im öffentlichen Interesse liegt. Erforderlich ist vielmehr, dass der Widerruf zur Abwehr einer Gefährdung des öffentlichen Interesses, d.h. zur Beseitigung oder Verhinderung eines sonst drohenden Schadens für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten ist7. Nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 NRettDG ist die Genehmigung zur Durchführung qualifizierten Krankentransports zwingend zu versagen, wenn Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit des Unternehmers oder der für die Führung der Geschäfte bestellten Person dartun. Diese Vorschrift dient nicht nur der Vermeidung wirtschaftlicher Schäden, sondern auch der ordnungsgemäßen Durchführung des Transports hilfsbedürftiger Personen. Sie hat dabei insbesondere den Schutz von Leib und Leben dieser besonders schutzbedürftigen „Fahrgäste“ im Blick. Ist deren verkehrsordnungsgemäßer Transport aufgrund der Unzuverlässigkeit des Unternehmers nicht gewährleistet, dann sind diese wichtigen Gemeinschaftsgüter konkret gefährdet.

Auch die einjährige Widerrufsfrist des § 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 48 Abs. 4 VwVfG ist eingehalten. Eine Behörde erhält dann Kenntnis, wenn der nach der innerbehördlichen Geschäftsverteilung zur Rücknahme oder zum Widerruf des Verwaltungsakts berufene Amtswalter oder ein sonst innerbehördlich zur rechtlichen Prüfung des Verwaltungsakts berufener Amtswalter positive Kenntnis erlangt hat8. Der Widerrufsbescheid ist unter dem 29.08.2014 erlassen worden. Der zuständige Sachbearbeiter hat erst nach einer telefonischen Anfrage der Hamburger Behörde vom 10.07.2014, die ihrerseits über eine Verlängerung der dem Unternehmer dort erteilten Genehmigung zur Durchführung qualifizierten Krankentransports zu entscheiden hatte, bei seiner Führerscheinstelle einen Auszug der Vergehen des Unternehmers angefordert. Eine frühere Kenntnis des zuständigen Sachbearbeiters ist auch den übersandten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen.

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Der Widerrufsbescheid war nach Ansicht des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts auch nicht ermessensfehlerhaft. Die Behörde hat insbesondere die persönlichen und wirtschaftlichen Belange des Unternehmers am Erhalt der Genehmigung und das öffentliche Interesse der Allgemeinheit an einer sicheren Durchführung des qualifizierten Krankentransports ordnungsgemäß gegeneinander abgewogen. Die für die wirtschaftliche Existenz des Unternehmers und seiner Familie einschneidenden Folgen des Widerrufs der Genehmigung zwingen nicht zu einer anderen Entscheidung. Wie sich aus der Vielzahl der verkehrsrechtlichen Verstöße des Unternehmers, deren Ahndung und des mehrfachen Verlusts der Fahrerlaubnis ergibt, hatte der Unternehmer – gerade auch im Hinblick auf seine wirtschaftliche Situation und seine existenzielle Abhängigkeit vom weiteren Betrieb seines Gewerbes – mehrfach Anlass und Gelegenheit, sein Verhalten im Straßenverkehr einer grundlegenden Änderung zu unterziehen. Dazu war er aber offensichtlich nicht in der Lage, was bereits daraus ersichtlich ist, dass das letzte bekannt gewordene Vergehen des Unternehmers – Mobiltelefonnutzung im Krankentransportwagen – noch einige Monate nach Abschluss eines Aufbauseminars zum Abbau von Punkten im Verkehrszentralregister erfolgt ist. Das zwischenzeitlich keine weiteren Verstöße bekanntgeworden sind, dürfte in erster Linie darauf zurückzuführen sein, dass der Unternehmer seine Fahrerlaubnis im Hinblick auf eine drohende neuerliche Entziehung am 31.03.2014 zurückgegeben hat, bevor er am 11.08.2014 bereits wieder deren Neuerteilung beantragte. Auch die schwierige persönliche Situation des in Scheidung lebenden Unternehmers rechtfertigt es nicht, Abstriche bei der erforderlichen Zuverlässigkeit zu machen, zumal eine Beendigung dieser Situation nicht absehbar ist.

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Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 6. Januar 2015 – 13 ME 192/14

  1. vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl.2014, § 49 Rdnr. 12, m.w.N.[]
  2. vgl. Ufer/Schwind, Niedersächsisches Rettungsdienstgesetz, § 22, Anm 1.2, Loseblatt, Stand Juni 2013[]
  3. vgl. Nds. OVG, Beschluss vom. 03.05.2012 – 13 ME 9/12 10[]
  4. vgl. BVerwG, Urteil vom 20.11.1970 – VII C 73.69[]
  5. BGBl. I S. 851[]
  6. vgl. Ufer/Schwind, a.a.O.[]
  7. vgl. BVerwG, Urteil vom 24.01.1992 – 7 C 38.90 13[]
  8. vgl. BVerwG, Urteil vom 24.01.2001 – 8 C 8.00 17 m.w.N.[]