Kundenbewertungen bei Amazon – und die Haftung des Händlers

Den Händler, der ein Produkt auf der Online-Handelsplattform Amazon anbietet, trifft keine wettbewerbsrechtliche Haftung für die auf Amazon abgegebenen (falschen) Bewertungen dieses Produkts.

Kundenbewertungen bei Amazon – und die Haftung des Händlers

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hatte ein Wettbewerbsverein eine Händlerin verklagt, die Kinesiologie-Tapes vertreibt. Sie hat diese Produkte in der Vergangenheit damit beworben, dass sie zur Schmerzbehandlung geeignet seien, was jedoch medizinisch nicht gesichert nachweisbar ist. Sie hat deshalb am 4. November 2013 gegenüber dem klagenden Wettbewerbsverein eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.

Die Händlerin bietet ihre Produkte auch bei der Online-Handelsplattform Amazon an. Dort wird für jedes Produkt über die EAN (European Article Number) eine diesem Produkt zugewiesene ASIN (Amazon-Standard-Identifikationsnummer) generiert, die sicherstellen soll, dass beim Aufruf eines bestimmten Produkts die Angebote sämtlicher Anbieter dieses Produkts angezeigt werden. Käuferinnen und Käufer können bei Amazon die Produkte bewerten. Amazon weist eine solche Bewertung ohne nähere Prüfung dem unter der entsprechenden ASIN geführten Produkt zu. Das hat zur Folge, dass zu einem Artikel alle Kundenbewertungen angezeigt werden, die zu diesem – unter Umständen von mehreren Verkäufern angebotenen – Produkt abgegeben wurden.

Am 17. Januar 2017 bot die Händlerin bei Amazon auch ihre Kinesiologie-Tapes an. Unter diesem Angebot waren Kundenrezensionen abrufbar, die unter anderem die Hinweise „schmerzlinderndes Tape!“, „This product is perfect for pain…“, „Schnell lässt der Schmerz nach“, „Linderung der Schmerzen ist spürbar“, „Die Schmerzen gehen durch das Bekleben weg“ und „Schmerzen lindern“ enthielten. Der Wettbewerbsverein forderte daraufhin von der Händlerin die Zahlung der Vertragsstrafe. Die Löschung der Kundenrezensionen lehnte Amazon auf Anfrage der Händlerin ab.

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Der Wettbewerbsverein klagte daraufhin gegen die Händlerin auf Unterlassung und Zahlung der Vertragsstrafe sowie der Abmahnkosten; die Händlerin habe sich die Kundenrezensionen zu Eigen gemacht und hätte auf ihre Löschung hinwirken müssen. Falls dies nicht möglich sei, dürfe sie die Produkte bei Amazon nicht anbieten.

Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Essen hat die Klage abgewiesen1; es bestehe kein Anspruch aus § 8 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 HWG. Die Berufung des Wettbewerbsvereins hatte vor dem Oberlandesgericht Hamm ebenfalls keinen Erfolg2; zwar seien, so das Oberlandesgericht in seinem Berufungsurteil, die in den Kundenrezensionen enthaltenen gesundheitsbezogenen Angaben irreführend. Sie stellten aber keine Werbung dar. Zumindest wäre eine solche Werbung der Händlerin nicht zuzurechnen. Der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsansicht nun bestätigt und auch die Revision des Wettbewerbsvereins zurückgewiesen; das Berufungsgericht habe, so der Bundesgerichtshof, mit Recht angenommen, dass die Händlerin für Kundenbewertungen der von ihr bei Amazon angebotenen Produkte keine wettbewerbsrechtliche Haftung treffe.

Ein Unterlassungsanspruch des Wettbewerbsvereins ergibt sich nicht aus der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 und Satz 2 HWG, die Werbung für Medizinprodukte mit irreführenden Äußerungen Dritter verbietet. Die Kundenbewertungen sind zwar irreführende Äußerungen Dritter, weil die behauptete Schmerzlinderung durch Kinesiologie-Tapes medizinisch nicht gesichert nachweisbar ist. Die Händlerin hat mit den Kundenbewertungen aber nicht geworben. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat sie weder selbst aktiv mit den Bewertungen geworben oder diese veranlasst, noch hat sie sich die Kundenbewertungen zu eigen gemacht, indem sie die inhaltliche Verantwortung dafür übernommen hat. Die Kundenbewertungen sind vielmehr als solche gekennzeichnet, finden sich bei Amazon getrennt vom Angebot der Händlerin und werden von den Nutzerinnen und Nutzern nicht der Sphäre der Händlerin als Verkäuferin zugerechnet.

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Die Händlerin traf auch keine Rechtspflicht, eine Irreführung durch die Kundenbewertungen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 2 Nr. 1 UWG zu verhindern. Durch ihr Angebot auf Amazon wird keine Garantenstellung begründet. Von ausschlaggebender Bedeutung ist dabei, dass Kundenbewertungssysteme auf Online-Marktplätzen gesellschaftlich erwünscht sind und verfassungsrechtlichen Schutz genießen. Das Interesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern, sich zu Produkten zu äußern und sich vor dem Kauf über Eigenschaften, Vorzüge und Nachteile eines Produkts aus verschiedenen Quellen, zu denen auch Bewertungen anderer Kunden gehören, zu informieren oder auszutauschen, wird durch das Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Einer Abwägung mit dem Rechtsgut der öffentlichen Gesundheit, die als Gemeinschaftsgut von hohem Rang einen Eingriff in dieses Grundrecht rechtfertigen könnte, bedarf es hier nicht, weil Anhaltspunkten für eine Gesundheitsgefährdung bei dem Angebot von Kinesiologie-Tapes fehlen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. Februar 2020 – I ZR 193/18

  1. LG Essen, Urteil vom 30.08.3017 – 42 O 20/17[]
  2. OLG Hamm, Urteil vom 11.09.2018 – 4 U 134/17[]

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