Ladenöffnungszeiten im Zweibrücken Fashion Outlet – oder: die inzwischen nichtige Rechtsverordnung zum Outlet-Center

Eine wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtige Rechtsverordnung entfaltet – anders als ein zwar rechtswidriger, aber nicht nichtiger Verwaltungsakt – keine Legitimationswirkung für eine nach dem Lauterkeitsrecht zu beurteilende geschäftliche Handlung.  Die Nichtigkeit einer im Ermessen des Normgebers stehenden, ursprünglich rechtmäßigen Rechtsverordnung kann eintreten, wenn der Normgeber die Änderung oder Aufhebung der Rechtsverordnung unterlassen hat, obwohl sein Ermessen zu einem solchen Tätigwerden wegen einer nach Erlass der Rechtsverordnung eingetretenen Veränderung der maßgeblichen Umstände auf Null reduziert ist.

Ladenöffnungszeiten im Zweibrücken Fashion Outlet – oder: die inzwischen nichtige Rechtsverordnung zum Outlet-Center

Nach § 1 der von der Landesregierung Rheinland-Pfalz erlassenen Landesverordnung zur Durchführung des § 7 Abs. 2 des Ladenöffnungsgesetzes Rheinland-Pfalz vom 13.03.20071 („Durchführungsverordnung“) sind Sonntagsöffnungen von Verkaufsstellen von 11 Uhr bis 20 Uhr im näheren Einzugsgebiet des Flughafens Zweibrücken während der rheinlandpfälzischen Oster, Sommer- und Herbstferien sowie, sofern der erste Ferientag ein Montag oder der letzte Ferientag ein Freitag ist, an dem dem ersten Ferientag vorausgehenden oder dem dem letzten Ferientag folgenden Sonntag gestattet. Das Zweibrücken Fashion Outlet Center liegt im durch die Anlage der Durchführungsverordnung definierten Einzugsgebiet in unmittelbarer Nähe des Flugplatzes Zweibrücken. Der kommerzielle Linienflugverkehr auf diesem Flugplatz wurde am 3.11.2014 eingestellt. Seit dem 29.03.2018 besteht für ihn eine Genehmigung als Sonderlandeplatz; erlaubt sind seither der Fracht- und Geschäftsreiseverkehr, Flüge zu privaten sowie zu Ausbildungs- und Schulungszwecken.

Ihre im Zweibrücken Fashion Outlet Center gelegene Damenmode-Filiale hat die beklagte Händlerin von der Betreiberin des Zweibrücken Fashion Outlet Center, angemietet. Nach dem Mietvertrag ist die Beklagte gegenüber ihrer Vermieterin zur Öffnung des Geschäfts an Sonntagen nach Maßgabe des Ladenöffnungsrechts verpflichtet. Demgegenüber hält der klagende Händler, der Damenmodeartikel in seinen Ladengeschäften in der Pfalz und in Baden verkauft, die Durchführungsverordnung für ungültig und ist der Auffassung, die sonntägliche Ladenöffnung durch die Beklagte verstoße gegen das in § 3 Satz 1 Nr. 1 Ladenöffnungsgesetz Rheinland-Pfalz vom 21.11.20062 geregelte Verbot der Öffnung von Verkaufsstellen an Sonntagen.

Seine auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Klage hat das Landgericht Zweibrücken abgewiesen3. Die Berufung des Konkurrenten ist vor dem Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken ebenfalls ohne Erfolg geblieben4. Auf seine vom Oberlandesgericht zugelassene Revision hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht Zweibrücken zurückverwiesen; mit der vom Oberlandesgericht Zweibrücken gegebenen Begründung können die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche gemäß § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 3, 3a UWG nicht verneint werden:

Das Oberlandesgericht Zweibrücken ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die gesetzlichen Vorschriften über die Ladenöffnungszeiten, insbesondere das in § 3 Satz 1 Nr. 1 LadöffnG RP geregelte Verbot der Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen, das Marktverhalten regelnde Vorschriften im Sinne des § 3a UWG darstellen, weil sie nicht allein dem Arbeitsschutz, sondern im Interesse der Wettbewerber zugleich der Wettbewerbsneutralität dienen5.

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Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat jedoch zu Unrecht angenommen, ein Verstoß gegen § 3a UWG scheide wegen der Legitimationswirkung der Durchführungsverordnung aus, ohne dass es auf deren Rechtmäßigkeit ankomme.

Eine nach den §§ 3, 3a UWG unlautere Zuwiderhandlung gegen eine Marktverhaltensregelung setzt neben der Eignung, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen, allein ein den Tatbestand der das Marktverhalten regelnden Vorschrift vollständig erfüllendes, objektiv rechtswidriges Verhalten voraus6.

An einem solchen Rechtsverstoß fehlt es, wenn ein Marktverhalten durch einen Verwaltungsakt ausdrücklich erlaubt worden ist und der Verwaltungsakt wirksam, also nicht nichtig ist7. Die bloße Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts, die nicht zu seiner Nichtigkeit führt, berührt also seine Wirksamkeit und damit seine Legitimationswirkung nicht, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (vgl. § 43 Abs. 2 und Abs. 3, § 44 VwVfG). Hieraus folgt, dass die Zivilgerichte bei der Prüfung von Verstößen gegen § 3a UWG die Wirksamkeit eines das Marktverhalten erlaubenden Verwaltungsakts zu prüfen haben.

Ein Marktverhalten kann auch durch eine Rechtsverordnung legalisiert werden. Gestattet im Streitfall die Durchführungsverordnung die grundsätzlich nach § 3 Satz 1 Nr. 1 LadöffnG RP verbotene; vom Konkurrenten beanstandete Sonntagsöffnung des Geschäfts der Outlet-Händlerin, liegt darin kein Verstoß gegen § 3a UWG.

Eine rechtswidrige und damit nichtige Rechtsverordnung entfaltet allerdings keine Legitimationswirkung. Grundsätzlich ist eine mit höherrangigem Recht unvereinbare Rechtsverordnung nichtig8. Die Gerichte haben Rechtsverordnungen darauf zu überprüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht verstoßen9. Die Nichtigkeit einer Rechtsverordnung können die Fachgerichte selbst feststellen, weil insoweit kein Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts besteht10.

Die Rechtmäßigkeit einer Rechtsverordnung ist zunächst an spezifischen verfassungsrechtlichen Rechtmäßigkeitsvorgaben zu messen11. Nach dem für eine rheinlandpfälzische Landesverordnung geltenden Art. 110 Abs. 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz (LV RP), der insoweit dem Art. 80 Abs. 1 GG entspricht, kann die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung nur durch Gesetz erteilt werden (Satz 1), muss das Gesetz Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen (Satz 2) und ist in der Verordnung die Rechtsgrundlage anzugeben (Satz 3). Diesem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot ist genügt, wenn sich der Verordnungsermächtigung im Wege der verfassungskonformen Auslegung eine ausreichende gesetzgeberische Programmentscheidung entnehmen lässt12. Weiter ist die Vereinbarkeit der Rechtsverordnung mit sonstigem höherrangigem Recht, insbesondere den Grundrechten, zu prüfen13.

Entgegen der Auffassung des Pfälzischen Oberlandesgerichts ist im Streitfall nicht von Bedeutung, ob die für die Gewerbeaufsicht zuständige Verwaltungsbehörde gegenüber der Outlet-Händlerin eine Untersagungsverfügung aussprechen kann. Das mit lauterkeitsrechtlichen Fragen befasste Zivilgericht entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten (vgl. § 17 Abs. 2 GVG) und ist nicht daran gehindert, eine von der zuständigen Verwaltungsbehörde abweichende Rechtsauffassung zu vertreten14. Die vom Oberlandesgericht Zweibrücken herangezogene, der Entscheidung „Atemtest II“15 zugrundeliegende Fallgestaltung ist im Streitfall nicht einschlägig. Dort schied ein Rechtsverstoß aufgrund des Verwaltungsakts aus, den die zuständige Bundesbehörde mit Bindungswirkung für die Landesbehörden erlassen und womit sie die Zulässigkeit des Marktverhaltens festgestellt hatte.

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Dem Oberlandesgericht Zweibrücken kann auch nicht darin beigetreten werden, dass eine nachträgliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse keine Auswirkung auf die rechtliche Beurteilung der Durchführungsverordnung haben könne.

Allerdings ist anerkannt, dass der Fortfall der Ermächtigungsgrundlage im Sinne des Art. 80 Abs. 1 GG nicht zum Erlöschen der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnung führt16. Das Grundgesetz normiert in Art. 80 GG Anforderungen an den Erlass von Rechtsverordnungen, ohne in dieser Vorschrift Festlegungen für die Zeit danach zu treffen17.

Hiervon nicht berührt wird allerdings die Frage, inwiefern nachträgliche tatsächliche Veränderungen die Annahme rechtfertigen können, dass eine Rechtsverordnung nicht mehr im Einklang mit sonstigem höherrangigem Recht, insbesondere dem Verfassungsrecht, steht. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass eine ursprünglich verfassungsgemäße gesetzliche Regelung wegen Veränderungen der maßgeblichen Umstände verfassungswidrig werden kann18. Dieser für formelle Gesetze geltende Grundsatz hat entsprechend für eine durch Rechtsverordnung getroffene Regelung zu gelten.

Mit Blick auf das in einer Ermächtigungsgrundlage für eine Rechtsverordnung vorgesehene Regelungsermessen des Normgebers kommt allerdings die Nichtigkeit infolge einer nach Erlass der Rechtsverordnung eingetretenen Veränderung maßgeblicher Umstände nur in Betracht, wenn der Normgeber eine Änderung oder Aufhebung der Rechtsverordnung unterlassen hat, obwohl aufgrund der geänderten Situation sein Ermessen zu einem solchen Tätigwerden auf Null reduziert ist19.

Die angegriffene Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO), weil es – wie die Revisionserwiderung geltend macht – an der Anspruchsberechtigung des Konkurrenten als Mitbewerber der Outlet-Händlerin gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG oder der Spürbarkeit eines etwaigen Verstoßes gegen die Vorschrift des § 3 Satz 1 Nr. 1 LadöffnG RP fehlte oder das Vorgehen des Konkurrenten als rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8c UWG anzusehen wäre. Insoweit hat das Oberlandesgericht Zweibrücken keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen, so dass dem Bundesgerichtshof mangels Entscheidungsreife eine eigene Sachentscheidung verwehrt ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Weiter fehlt es an tatsächlichen Feststellungen des Pfälzischen Oberlandesgerichts , die eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Vereinbarkeit des § 1 der Durchführungsverordnung mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Sonn- und Feiertage nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV sowie Art. 47, 57 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 LV RP ermöglichten.

Danach ist auf die Revision des Konkurrenten das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Oberlandesgericht Zweibrücken zurückzuverweisen.

Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren wird auf Folgendes hingewiesen:

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Das Oberlandesgericht Zweibrücken wird zu prüfen haben, ob § 7 Abs. 2 LadöffnG RP sowie § 1 der Durchführungsverordnung mit höherrangigem Recht, insbesondere dem verfassungsrechtlichen Gebot des Schutzes der Sonn- und Feiertage nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV sowie Art. 47, 57 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 LV RP, vereinbar sind.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts enthält Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV einen Schutzauftrag an den Gesetzgeber, der für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen unter anderem ein Regel-Ausnahme-Verhältnis statuiert. Grundsätzlich hat die typische „werktägliche Geschäftigkeit“ an Sonn- und Feiertagen zu ruhen. Der verfassungsrechtlich garantierte Sonn- und Feiertagsschutz ist nur begrenzt einschränkbar. Ausnahmen von der Sonn- und Feiertagsruhe sind zur Wahrung höher- oder gleichwertiger Rechtsgüter möglich; in jedem Falle muss der ausgestaltende Gesetzgeber aber ein hinreichendes Niveau des Sonn- und Feiertagsschutzes wahren20. Danach müssen gesetzliche Schutzkonzepte für die Gewährleistung der Sonn- und Feiertagsruhe diese Tage erkennbar als solche der Arbeitsruhe zur Regel erheben. Ausnahmen hiervon bedürfen eines dem Sonntagsschutz gerecht werdenden Sachgrundes. Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches Erwerbsinteresse („Shopping-Interesse“) potenzieller Käufer genügen grundsätzlich nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsunmittelbar verankerten Schutz der Arbeitsruhe und der Möglichkeit zu seelischer Erhebung an Sonn- und Feiertagen zu rechtfertigen. Darüber hinaus müssen Ausnahmen als solche für die Öffentlichkeit erkennbar bleiben und dürfen nicht auf eine weitgehende Gleichstellung der sonn- und feiertäglichen Verhältnisse mit den Werktagen und ihrer Betriebsamkeit hinauslaufen21. Dem Regel-Ausnahme-Gebot kommt generell umso mehr Bedeutung zu, je geringer das Gewicht derjenigen Gründe ist, zu denen der Sonn- und Feiertagsschutz ins Verhältnis gesetzt wird und je weitergreifender die Freigabe der Verkaufsstellenöffnung in Bezug auf das betroffene Gebiet sowie die einbezogenen Handelssparten und Warengruppen ausgestaltet ist. So müssen etwa bei einer flächendeckenden und den gesamten Einzelhandel erfassenden Freigabe der Ladenöffnung rechtfertigende Gründe von besonderem Gewicht vorliegen, wenn mehrere Sonn- und Feiertage in Folge über jeweils viele Stunden hin freigegeben werden sollen22.

Das Oberlandesgericht Zweibrücken dürfte zu Recht angenommen haben, dass die Ermächtigungsnorm des § 7 Abs. 2 LadöffnG RP der verfassungsrechtlichen Prüfung standhält, weil sie jedenfalls verfassungskonform ausgelegt werden kann.

Nach § 7 Abs. 2 LadöffnG RP kann die Landesregierung durch Rechtsverordnung für Verkaufsstellen, die im näheren Einzugsgebiet eines Personenbahnhofs des Schienenfernverkehrs oder der in Absatz 1 Satz 1 genannten Flugplätze – dies sind Frankfurt-Hahn und Zweibrücken – liegen, bestimmen, dass diese auch während der allgemeinen Ladenschlusszeiten (§ 3) und außerhalb von nach § 4 festgelegten erweiterten Ladenöffnungszeiten an Werktagen geöffnet sein dürfen; in der Rechtsverordnung können die erweiterten Öffnungsmöglichkeiten auf bestimmte Tage und Zeiträume begrenzt sowie weitere in diesem Zusammenhang erforderliche Regelungen getroffen werden.

Die in § 7 Abs. 2 LadöffnG RP vorgesehene Verordnungsermächtigung ist hinreichend bestimmt im Sinne des Art. 110 Abs. 1 Satz 2 LV RP, weil sich ihr jedenfalls bei verfassungskonformer Auslegung eine ausreichende gesetzgeberische Programmentscheidung entnehmen lässt.

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Der Landesgesetzgeber wollte den Schutz von Sonn- und Feiertagen ausdrücklich berücksichtigen23 und hat dies durch das in § 3 Satz 1 Nr. 1 LadöffnG RP vorgesehene grundsätzliche Verbot der Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen, die in § 7 Abs. 1 Satz 2 LadöffnG RP vorgesehene Beschränkung des außerhalb der regulären Ladenöffnungszeiten gestatteten Verkaufs auf Bahnhöfen, Flugplätzen und Schiffsanlegestellen – verkauft werden dürfen nur Reisebedarf sowie an Bahnhöfen und auf Flugplätzen auch Waren des täglichen Gebrauchs und Geschenkartikel – und die Ausnahmetatbestände für den Verkauf von Zeitungen, Milcherzeugnissen, Bäcker- und Konditorwaren etc. in § 9 LadöffnG RP sowie für verkaufsoffene Sonntage in § 10 LadöffnG RP konkretisiert. Vor diesem Hintergrund kann auch die Verordnungsermächtigung angesichts des durch ihren Wortlaut eröffneten Regelungsermessens im Sinne der Erfordernisse des Schutzes von Sonn- und Feiertagen verfassungskonform ausgelegt werden und genügt damit dem Bestimmtheitserfordernis des Art. 110 Abs. 1 Satz 2 LV RP.

Fraglich ist jedoch, ob § 1 der Durchführungsverordnung der Sache nach den verfassungsrechtlichen Erfordernissen des Schutzes von Sonn- und Feiertagen noch genügt. Nach dieser Vorschrift dürfen Verkaufsstellen im näheren Einzugsgebiet des Flugplatzes Zweibrücken an Sonntagen während der rheinlandpfälzischen Oster, Sommer- und Herbstferien sowie unter den näher bezeichneten Voraussetzungen auch an Sonntagen vor oder nach diesen Ferien von 11 Uhr bis 20 Uhr geöffnet sein (Satz 1 und 2) und Waren abgeben, die üblicherweise von Reisenden mitgeführt werden können (Satz 3).

Soweit nach der Begründung des Landesgesetzgebers die nach § 7 Abs. 2 LadöffnG RP ermöglichte Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen in Betracht kommt, wenn in einem Einzelfall die allgemeinen Ladenöffnungszeiten beziehungsweise die im Bahnhof oder im Flugplatz selbst vorhandenen Verkaufsstellen nicht bedarfsdeckend sind24, stellt sich die Frage, inwiefern am Sonderlandeplatz Zweibrücken entsprechender Bedarf besteht und dieser nicht gedeckt wird. Infolge der Herabstufung des Flugplatzes vom Verkehrsflughafen zum Sonderlandeplatz erscheint insbesondere fraglich, inwiefern in den von der Durchführungsverordnung erfassten Schulferien ein (erhöhtes) Aufkommen an Reisenden besteht, deren Bedarf nicht am Flugplatz selbst gedeckt werden kann, so dass in dieser Zeit eine Ausnahme vom Verbot der Sonntagsöffnung auch im Einzugsbereich des Flugplatzes erforderlich ist.

Soweit die Gesetzesbegründung als weiteren Anwendungsfall beispielhaft die Situation nennt, dass sich ein Verkehrsknotenpunkt in einer besonderen Konkurrenzsituation zu anderen Verkehrsknotenpunkten befindet und er ohne eine Ausweitung der Öffnungszeiten im näheren Einzugsgebiet wegen des dann nur beschränkten Angebots an Verkaufsstellen in seiner Konkurrenzfähigkeit und weiteren Entwicklung unangemessen beeinträchtigt würde24, stellt sich die Frage, welche Konkurrenzsituation im Falle des Sonderlandeplatzes Zweibrücken mit Blick auf andere Verkehrsknotenpunkte besteht. Soweit mit diesem weiteren Anwendungsfall das Ziel der regionalen Wirtschaftsförderung angesprochen sein sollte, ist fraglich, ob dieses Ziel die ausnahmsweise Einschränkung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Sonn- und Feiertagsruhe rechtfertigen kann und ob es – bejahendenfalls – unter Berücksichtigung der konkreten Situation des Flugplatzes Zweibrücken hinreichend gewichtig ist, um die hier in Rede stehende Einschränkung der Sonn- und Feiertagsruhe zu rechtfertigen. Soweit nach der bundesrechtlichen Regelunge des § 23 Abs. 1 Satz 1 LadSchlG in Einzelfällen befristete Ausnahmen vom in § 3 Satz 1 Nr. 1 LadSchlG geregelten Verbot der Ladenöffnung an Sonntagen bewilligt werden können, wenn die Ausnahmen im öffentlichen Interesse dringend nötig werden, hat die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung angenommen, dass das für eine solche Ausnahmebewilligung erforderliche öffentliche Interesse nicht durch das Interesse an der Förderung strukturschwacher Regionen begründet werden kann25.

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Sofern das Oberlandesgericht Zweibrücken zu dem Ergebnis gelangt, dass infolge der Herabstufung des Flugplatzes Zweibrücken zum Sonderlandeplatz kein hinreichender Bedarf an Sonntagsöffnung mehr besteht und auch zur Einschränkung der Sonn- und Feiertagsruhe geeignete anderweitige Sachgründe nicht bestehen, dürfte aufgrund des hohen verfassungsrechtlichen Stellenwerts dieses Schutzguts davon auszugehen sein, dass das Ermessen des Normgebers zur Aufhebung von § 1 der Durchführungsverordnung auf Null reduziert ist.

Sofern das Oberlandesgericht Zweibrücken zu dem Ergebnis gelangt, dass die Durchführungsverordnung rechtswidrig ist, ist mit Blick auf die geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatzfeststellung und Auskunftserteilung – nicht aber auf Unterlassung – ein Verschulden der Outlet-Händlerin zu prüfen. Es ist naheliegend, dass ein solches Verschulden zu verneinen ist, weil die Beklagte im berechtigten Vertrauen auf die Rechtswirksamkeit der Durchführungsverordnung gehandelt haben könnte, so dass ein den Fahrlässigkeitsvorwurf ausschließender unvermeidbarer Verbotsirrtum vorliegt26.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. Juli 2023 – I ZR 144/22

  1. GVBl. Rheinland-Pfalz S. 65[]
  2. GVBl. Rheinland-Pfalz S. 351; nachfolgend: LadöffnG RP[]
  3. LG Zweibrücken, Urteil vom 15.10.2021 – HK O 46/20[]
  4. OLG Zweibrücken, Urteil vom 04.08.2022 – 4 U 202/21[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 17.10.2019 – I ZR 44/19, GRUR 2020, 307 10] = WRP 2020, 314 – Sonntagsverkauf von Backwaren; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 3a Rn.01.263; MünchKomm-UWG/Schaffert, 3. Aufl., § 3a Rn. 552 f.; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Aufl., § 3a Rn. 74[]
  6. zu § 4 Nr. 11 UWG aF vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2005 – I ZR 194/02, BGHZ 163, 265 20] – Atemtest I; Urteil vom 20.10.2005 – I ZR 10/03, GRUR 2006, 82 21] = WRP 2006, 79 – Betonstahl; Urteil vom 08.11.2007 – I ZR 60/05, GRUR 2008, 530 11] = WRP 2008, 777 – Nachlass bei der Selbstbeteiligung; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 3a Rn.01.84; Ohly in Ohly/Sosnitza aaO § 3a Rn. 27; MünchKomm-UWG/Schaffert aaO § 3a Rn. 100[]
  7. BGHZ 163, 265 17] – Atemtest I; BGH, Urteil vom 24.09.2013 – I ZR 73/12, GRUR 2014, 405 10 f.] = WRP 2014, 429 – Atemtest II; Urteil vom 30.04.2015 – I ZR 13/14, BGHZ 205, 195 31] – Tagesschau-App; Urteil vom 15.12.2022 – I ZR 8/19, GRUR 2023, 503 27] = WRP 2023, 442 – Gruppenversicherung II[]
  8. vgl. BeckOK.GG/Uhle, 54. Edition [Stand 15.02.2023], Art. 80 Rn. 36; Brenner in Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl., Art. 80 Rn. 82[]
  9. vgl. BVerfGE 48, 40 16]; BGH, Beschluss vom 29.07.2021 – I ZR 135/20, GRUR 2021, 1320 50] = WRP 2021, 1290 – Flaschenpfand III, mwN[]
  10. st. Rspr.; vgl. BVerfGE 1, 184, 195 39 bis 53]; BVerfGE 68, 319 18 und 20]; BVerfGE 114, 303 35][]
  11. vgl. Remmert in Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, 70. Ergänzungslieferung Dezember 2013, Art. 80 Rn. 121[]
  12. zu Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG vgl. BVerfG, NJW 2019, 3054 110]; BeckOK.GG/Uhle, 55. Edition [Stand 15.05.2023], Art. 80 Rn. 24[]
  13. vgl. Remmert in Dürig/Herzog/Scholz aaO Art. 80 Rn. 132[]
  14. vgl. MünchKomm-UWG/Schaffert aaO § 3a Rn. 43[]
  15. BGH, GRUR 2014, 405 14 f.][]
  16. vgl. BVerfGE 9, 3 32]; BVerfGE 14, 245 16]; BVerfGE 44, 216 26][]
  17. vgl. Remmert in Dürig/Herzog/Scholz aaO Art. 80 Rn. 53 f.[]
  18. BVerfGE 59, 336 53]; vgl. auch BVerfGE 39, 169 72 und 89 f.], BVerfGE 41, 360 49], BVerfGE 54, 11 66 und 69] und BVerfGE 56, 54 62 und 66][]
  19. zur Frage der nachträglichen Rechtswidrigkeit einer Rechtsverordnung über Schulsprengel vgl. BayVGH, BayVBl 1994, 694 23] und BayVGH, Urteil vom 25.03.1998 – 7 N 96.187 27; zur Nichtigerklärung einer Bebauungsplansatzung gemäß § 47 VwGO wegen nachträglichen Funktionsverlusts vgl. BVerwGE 108, 71 13 und 22] und OVG Berlin, UPR 1992, 357 35]; vgl. ferner Panzer in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 30. Ergänzungslieferung Februar 2016, § 47 VwGO Rn. 111; Unruh in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl., § 47 Rn. 108[]
  20. vgl. BVerfGE 111, 10 175]; BVerfGE 125, 39 152][]
  21. BVerfGE 125, 39 157]; vgl. auch BVerwGE 168, 356 15 f.]; BVerwGE 175, 166 11][]
  22. zu einer landesweiten Ladenöffnung an vier aufeinanderfolgenden Adventssonntagen vgl. BVerfGE 125, 39 158][]
  23. vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zum Ladenöffnungsgesetz, LT-Drs. Rheinland-Pfalz 15/387, S. 17[]
  24. vgl. LT-Drs. Rheinland-Pfalz 15/387, S. 17[][]
  25. vgl. OVG Sachsen-Anhalt, NJW 1999, 2982 6]; OVG Mecklenburg-Vorpommern, NVwZ 2000, 945 35]; VG Berlin, Urteil vom 05.04.2019 – 4 K 527.17 41; vgl. auch OVG Sachsen, Beschluss vom 09.11.2009 – 3 B 455/09 39; zum Anwendungsbereich des Ladenschlussgesetzes vgl. BGH, GRUR 2020, 307 21] – Sonntagsverkauf von Backwaren[]
  26. vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2017 – I ZR 258/15, GRUR 2017, 409 36] = WRP 2017, 418 – Motivkontaktlinsen[]
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