Leistungsschutz von Datenbanken – und die Landkarten

Ist bei der Frage, ob eine Sammlung von unabhängigen Elementen im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 96/9/EG vorliegt, weil sich die Elemente voneinander trennen lassen, ohne dass der Wert ihres informativen Inhalts dadurch beeinträchtigt wird, jeder denkbare Informationswert oder nur derjenige Wert maßgebend, welcher unter Zugrundelegung der Zweckbestimmung der jeweiligen Sammlung und der Berücksichtigung des sich daraus ergebenden typischen Nutzerverhaltens zu bestimmen ist?

Leistungsschutz von Datenbanken – und die Landkarten

Diese, die Auslegung des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.03.1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken1 betreffende Frage hat jetzt der Bundesgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Diese Frage stellt sich dem Bundesgerichtshof in einem Rechtsstreit über die Verwendung topographischer Karten, die das Bayerische Landesamtes für Vermessung und Geoinofrmation im Maßstab 1:50.000 (sogenannte TK 50) herausgibt und die bundesweit nach einheitlichen Abbildungsvorschriften (einem sogenannten Musterblatt) und einem einheitlichen geodätischen Bezugssystem erstellt werden, und die der beklagte Verlag unter anderem Atlanten, Tourenbücher

und Karten für Radfahrer, Mountainbiker und Inline-Skater veröffentlicht.

Der Datenbankhersteller hat nach § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG das ausschließliche Recht, die Datenbank insgesamt oder einen nach Art oder Umfang wesentlichen Teil der Datenbank zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob der Beklagte nach Art oder Umfang wesentliche Teile im Sinne des § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG aus dem Kartenmaterial des Klägers übernommen und dieses vervielfältigt hat. Für das Revisionsverfahren ist dies daher zu unterstellen. Daraus folgt, dass der Beklagte schuldhaft Rechte des Klägers verletzt hat, wenn die in Rede stehenden Karten Datenbanken im Sinne des § 87a Abs. 1 Satz 1 UrhG sind.

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Eine Datenbank ist nach § 87a Abs. 1 Satz 1 UrhG eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art und Umfang wesentliche Investition erfordert. Das Berufungsgericht hat – aus seiner Sicht folgerichtig – auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung der in den vom Kläger herausgegebenen Karten enthaltenen Daten eine nach Art und Umfang wesentliche Investition erfordern. Mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts ist daher im Revisionsverfahren zugunsten des Klägers davon auszugehen, dass eine solche wesentliche Investition erforderlich war und der Kläger diese getätigt hat.

Für die Beurteilung des Streitfalls kommt es deshalb auf die Frage an, ob die übrigen Voraussetzungen einer Datenbank im Sinne von § 87a Abs. 1 Satz 1 UrhG gegeben sind. Die Vorschrift setzt Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 96/9/EG um und greift die Schutzvoraussetzungen nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie auf2. § 87a Abs. 1 Satz 1 UrhG ist deshalb richtlinienkonform auszulegen.

Der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass eine topographische Landkarte eine Zusammenstellung von Daten enthält, die systematisch angeordnet sind. Nach dem Wortlaut der Richtlinie 96/9/EG können neben der Sammlung von Werken auch Daten oder andere Elemente geschützt sein. Bei den Geodaten und den Angaben zu den topographischen Eigenschaften der Landschaft handelt es sich um solche Daten.

Diese sind im Rahmen der topographischen Landkarten auch systematisch angeordnet. Die Darstellung der dreidimensionalen Erdoberfläche orientiert sich – wie das Berufungsgericht festgestellt hat – am so genannten deutschen geographischen Einheitsnetz. Dabei handelt es sich um eine Hilfskonstruktion zur Bestimmung der absoluten Lage eines Einzelpunktes auf der dreidimensionalen Erdoberfläche durch Projektion und Entzerrung auf ein zweidimensional darstellbares Gitternetz. Jeder Punkt der Erdoberfläche entspricht somit einem Koordinatenpunkt des Gitternetzes und kann über diese Koordinaten auf der Karte aufgefunden werden. Über die Koordinaten des Gitternetzes lässt sich daher für jeden Punkt des Ausschnitts der Erdoberfläche, der auf der Karte dargestellt ist, eine Einzelinformation über diesen Punkt der Erdoberfläche entnehmen.

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Als nicht abschließend geklärt anzusehen ist aber, welche Anforderungen an die Unabhängigkeit der Elemente nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 96/9/EG zu stellen sind. Darauf bezieht sich die Vorlagefrage.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union liegt eine Sammlung von unabhängigen Elementen vor, wenn die Elemente sich trennen lassen, ohne dass der Wert ihres informativen, literarischen, künstlerischen, musikalischen oder sonstigen Inhalts dadurch beeinträchtigt wird3.

Daraus folgt aber nicht ohne Weiteres, ob die aus dem jeweiligen Kartenmaterial des Klägers übernommenen Daten, die die Beschaffenheit bestimmter Punkte der Erdoberfläche beschreiben, unabhängige Elemente im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 96/9/EG darstellen. Diese Frage ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten.

Teilweise wird das Vorliegen unabhängiger Elemente abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass bei einer Landkarte die zusammengefügten Informationen in der vorgenannten Art ineinander verschmolzen und hierdurch aufeinander bezogen seien. Dadurch erhalte die Landkarte ihren eigentlichen Informationswert, der weit über den Wert der punktuellen Information hinausgehe4. Dagegen wird von anderen angenommen, dass bereits die Information, was sich an einer bestimmten Geokoordinate befinde, ausreichend sei, um ihre Unabhängigkeit anzunehmen. So schließe die Möglichkeit, die Einzelinformation auch in ihrer Kombination zu nutzen, deren einzelne Zugänglichkeit nicht aus, sondern sei nur deren Folge5.

Dabei hängt die Frage, ob bei topographischen Karten die Trennung der Daten vom topographischen Zusammenhang ihren Informationswert beeinträchtigt, davon ab, nach welchen Maßstäben dieser Wert zu bestimmen ist.

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Aus Sicht des Bundesgerichtshofs ist davon auszugehen, dass nicht jegliche Minderung des Werts der Information durch die Trennung dazu führt, dass die Daten nicht mehr als unabhängige Elemente anzusehen sind. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat angenommen, dass die Daten einer einzelnen Begegnung einer Fußballmeisterschaft, die aus dem Datum, der Uhrzeit und der Identität der Mannschaften einer bestimmten Begegnung bestehen, einen selbständigen Informationswert besitzen und daher unabhängige Elemente einer Datenbank darstellen können, selbst wenn das Interesse an einer Fußballmeisterschaft weitergehend in der Gesamtberücksichtigung der einzelnen Begegnungen dieser Meisterschaft liegt6 und die Spielpläne deshalb weitere Informationen umfassen. Dem entsprechend hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass die Information, auf welchem Platz einer Chart-Liste sich ein Musikstück befindet, für sich genommen einen Aussagegehalt hat, und es dazu nicht der Kenntnis der weiteren Elemente und Inhalte der Chart-Liste insgesamt bedarf7. Hieraus ergibt sich, dass es der Qualifizierung einer Information als unabhängiges Element nicht entgegensteht, wenn dieses Element das Interesse des Nutzers der Datenbank nicht vollständig, sondern nur teilweise befriedigt. Für den Streitfall würde dies bedeuten, dass die in einer topographischen Landkarte enthaltenen einzelnen Daten, etwa die Information, ob es in einer bestimmten Ortschaft eine Kirche gibt oder diese Ortschaft an einem Fluss liegt, einen selbständigen Informationswert haben können, selbst wenn das Interesse des Nutzers der Karte sich auf weitere Informationen beziehen wird, wie zum Beispiel die Entfernung zum eigenen Standort und die Art der von dort zum Zielort führenden Verkehrsverbindungen oder etwa die Lage der Ortschaft, in der sich die Kirche befindet. Deshalb kommt es aus Sicht des Bundesgerichtshofs darauf an, ob eine Beeinträchtigung des Wertes eines Elements in inhaltlicher Hinsicht nach der Trennung schon dann zu verneinen ist, wenn das Element noch über einen Informationswert verfügt, oder ob in die Beurteilung der Beeinträchtigung des Informationswerts des Elements nach der Trennung die Zweckbestimmung der jeweiligen Sammlung und das sich daraus ergebende typische Nutzerverhalten einzubeziehen sind.

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Ist Ersteres der Fall, wären die Elemente einer topographischen Landkarte unabhängig, weil die mit jedem Koordinatenpunkt auf der Karte verbundene Information auch nach der Trennung erhalten bleibt. Ist dagegen Letzteres entscheidend, wären die Elemente einer topographischen Landkarte nicht unabhängig.

Eine topographische Landkarte zeichnet sich dadurch aus, dass sie in generalisierender und symbolisierender Weise topographische Informationen in leicht wahrnehmbarer Form darstellt und auf diese Weise nicht nur die räumliche Belegenheit dieser Informationen für sich genommen, sondern in ihrem räumlichen Kontext zu anderen dargestellten Informationen sichtbar macht. Durch diese Art der Darstellung hat der Nutzer die Möglichkeit, sich räumlich in Bezug auf seinen Standort und ein mögliches Ziel zu orientieren und eine Veränderung seines Standortes zu planen und durchzuführen. Zwar ist es auch möglich, einer Landkarte bestimmte Einzelinformationen wie zum Beispiel alle in dem betreffenden Gebiet liegenden Kirchen oder Orte und damit Elemente mit einem selbständigen Informationswert zu entnehmen. Dazu ist es jedoch erforderlich, die Landkarte vollständig nach den entsprechenden Symbolen abzusuchen. Dies entspricht im Normalfall nicht der zweckentsprechenden Nutzung einer Landkarte als eines spezifisch auf die generalisierende und leicht lesbare Abbildung topographischer Informationen in ihrem räumlichen Kontext zueinander zugeschnittenen Mediums. Anders als ein Verzeichnis über das Vorhandensein bestimmter Informationen, etwa aller Kirchen eines Landkreises, dient eine topographische Landkarte in ihrer zweckentsprechenden Anwendung nicht allein der Vermittlung der Kenntnis über eine einzelne Information, wie des Vorhandenseins einer Kirche in einem Ort, sondern sie ermöglicht dem Nutzer bestimmungsgemäß eine umfassende Orientierung über das dargestellte Gebiet.

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Für die Berücksichtigung der auf eine Gesamtdarstellung, also auf den Zusammenhang der einzelnen Elemente bezogenen Zweckbestimmung des jeweiligen Mediums bei der Bestimmung des Werts eines Elements in inhaltlicher Hinsicht nach der Trennung spricht auch Erwägungsgrund 17 der Richtlinie 96/9/EG. Danach fällt die Aufzeichnung eines audiovisuellen, kinematographischen, literarischen oder musikalischen Werkes als solche nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 96/9/EG. Hierdurch sollen solche Teile vom Schutz als Datenbank ausgenommen werden, bei denen die einzelnen Teile ihre Aussage erst im Zusammenhang mit dem Ganzen erhalten8. Die einzelnen Elemente eines audiovisuellen, kinematographischen, literarischen oder musikalischen Werkes erhalten ihren Wert auch durch die Reihenfolge ihrer Anordnung. Werden sie aus dem Werk herausgelöst, wird ihr Wert beeinträchtigt. Diese Maßstäbe sind nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auf eine topographische Landkarte übertragbar, in der die Einzelinformationen in einer bestimmten Reihenfolge zueinander angeordnet und aufeinander bezogen sind. Werden sie aus diesem Gesamtgefüge gelöst, wird ihr Wert beeinträchtigt.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18. September 2014 – I ZR 138/13

  1. ABl. Nr. L 77 vom 27.03.1996, S.20[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 21.04.2005 – I ZR 1/02, GRUR 2005, 940, 941 = WRP 2005, 1538 – Marktstudien[]
  3. vgl. EuGH, Urteil vom 09.11.2004 C444/02, Slg. 2004, – I 10549 = GRUR 2005, 254 Rn. 29 Fixtures-Fußballspielpläne II[]
  4. vgl. Vogel in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 87a UrhG Rn. 17; Haberstumpf in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., § 87a UrhG Rn. 7; Czychowski in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl., § 87a Rn. 10 UrhG; Wiebe, CR 2014, 1, 2 f.; wohl auch Thum/Hermes in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 4. Aufl., § 87a UrhG Rn. 13[]
  5. vgl. LG München, GRUR 2006, 225, 226 f.; LG Stuttgart, Urteil vom 18.07.2006 17 O 633/05 26 ff.; LG Leipzig, BeckRS 2013, 2896; Thum/Hermes in Wandtke/Bullinger aaO § 87a UrhG Rn. 17, 105[]
  6. EuGH, GRUR 2005, 254 Rn. 33 f. Fixtures-Fußballspielpläne II[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 21.07.2005 – I ZR 290/02, BGHZ 164, 37, 42 HIT BILANZ[]
  8. vgl. Kotthoff in Dreyer/Kotthoff/Meckel, Urheberrecht, 3. Aufl., § 87a UrhG Rn. 17; Koch in Ahlberg/Götting, Beck´scher Online-Kommentar UrhG, Stand: 1.09.2013, § 87a Rn. 10[]
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AUTOBINGOOO - Der Schutz von Internet-Datenbanken

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