Die in § 1 PodG geregelte Erlaubnispflicht gilt nur im Hinblick auf die Führung der Bezeichnung „Medizinische Fußpflegerin/Medizinischer Fußpfleger“ und verbietet nicht die Werbung für die erlaubnisfreie Tätigkeit einer medizinischen Fußpflege.

In § 1 Abs. 1 PodG ist das Verbot geregelt, die Berufsbezeichnung „Podologin“ und „Medizinische Fußpflegerin“ zu führen. Die Bewerbung von rechtlich erlaubten Leistungen der medizinischen Fußpflege durch diejenigen, die in diesem Berufsfeld tätig sind, untersagt § 1 Abs. 1 PodG nicht. Ein Verstoß gegen $ 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 1 PodG scheidet damit aus.
Auch einen Verstoß gegen § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG verneint der Bundesgerichtshof:
Zwar bejaht er – wie in der Vorinstanz bereits das Oberlandesgericht Celle1 eine Irreführungsgefahr: Ein erheblicher Teil des maßgeblichen Verkehrskreises werde der angegriffenen Werbung entnehmen, dass die von der Beklagten ausschließlich und ohne Einschränkung beworbene „medizinische Fußpflege“ auch von einem durch einen entsprechenden Ausbildungsgang qualifizierten „medizinischen Fußpfleger“ ausgeübt werde. Denn die Werbung mit dem Angebot der Fußpflege unter dem Zusatz „medizinisch“ vermittele dem Verkehr den Eindruck, dass der Werbende gerade medizinisch indizierte Behandlungen in der erforderlichen Qualität durchführen könne. Es könne und solle der Eindruck entstehen, dass weitergehende als nur kosmetische Fußpflege erbracht werde und hierfür die erforderliche qualifizierte Ausbildung vorliege. Diese versprochene Qualifikation entspreche der Ausbildung nach Maßgabe des Podologengesetzes. Die Vorstellung sei unrichtig, weil die beklagte Fußpflegerin eine solche Qualifikation nicht erworben habe.
Wie zuvor bereits das OLG Celle verneint der Bundesgerichtshof gleichwohl einen Unterlassungsanspruch gemäß § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 UWG. Das OLG Celle1 hat angenommen, ein uneingeschränktes Gebot, jeglichen Hinweis auf die Durchführung medizinischer Fußpflege schlechthin zu unterlassen, sei mit Blick auf die Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG unverhältnismäßig, weil die Beklagte die mit „medizinische Fußpflege“ bezeichnete Tätigkeit tatsächlich ausüben dürfe. Der Bundesgerichtshof sieht dies genauso:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, an denen sich durch die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken nichts geändert hat, kann auch eine objektiv richtige Angabe irreführend sein, wenn sie beim Verkehr, an den sie sich richtet, gleichwohl zu einer Fehlvorstellung führt, die geeignet ist, das Kaufverhalten oder die Entscheidung für die Inanspruchnahme einer Dienstleistung durch die angesprochenen Verkehrskreise zu beeinflussen. In einem solchen Fall, in dem die Täuschung des Verkehrs lediglich auf dem Verständnis einer an sich zutreffenden Angabe beruht, ist für die Anwendung des § 5 UWG grundsätzlich eine höhere Irreführungsquote als im Fall einer Täuschung mit objektiv unrichtigen Angaben erforderlich; außerdem ist eine Interessenabwägung vorzunehmen2. Bei der Abwägung der maßgebenden Umstände, insbesondere der von einer Werbung mit objektiv richtigen Angaben ausgehenden Auswirkungen, der Bedeutung der Irreführung sowie dem Gewicht etwaiger Interessen der Verbraucher und der Allgemeinheit oder des Werbenden selbst sind auch Wertungen des Gesetzgebers3 sowie das verfassungsrechtliche und auch in Erwägungsgrund 6 der Richtlinie 2005/29/EG zum Ausdruck kommende Verhältnismäßigkeitsgebot zu beachten4. Mit Blick auf die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG kann deshalb ein uneingeschränktes Verbot unverhältnismäßig sein, das auf die Untersagung eines Hinweises auf eine rechtlich erlaubte berufliche Tätigkeit gerichtet ist5.
Für die Erbringung von Leistungen der medizinischen Fußpflege ist Behandlung schließen zu können6. Durch die in § 1 PodG geregelte Erlaubnispflicht wird lediglich entsprechend der Systematik der übrigen Gesundheitsfachberufe das Führen der Berufsbezeichnung geschützt, nicht aber die Tätigkeit auf dem Gebiet der medizinischen Fußpflege und die Werbung für diese Tätigkeit eingeschränkt. Deshalb dürfen Personen, die nicht über die Erlaubnis zum Führen der geschützten Berufsbezeichnung verfügen, weiterhin fußpflegerische Leistungen im Rahmen der allgemeinen rechtlichen Regelungen (insbesondere § 1 HeilprG) anbieten und auch ihre Tätigkeit als „medizinische Fußpflege“ bezeichnen7. Diese gesetzgeberische Wertung ist auch im Rahmen des Irreführungstatbestandes zu beachten.
Überwiegende Interessen der Verbraucher und der Allgemeinheit, die den von der Klägerin in der Abmahnung geltend gemachten Unterlassungsanspruch trotz der entgegenstehenden gesetzgeberischen Wertung und den verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Beklagten rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
Hiergegen kann nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auch nicht eingewandt werden, der Fußpflegerin sei es nicht erlaubt, sämtliche Leistungen der medizinischen Fußpflege zu erbringen, weil diese Leistungen in weiten Teilen als Heilkunde im Sinne des § 1 Abs. 2 HeilprG anzusehen seien. Dieser Gesichtspunkt ist für den im Streitfall klageweise geltend gemachten Anspruch auf Freistellung von Abmahnkosten unerheblich, da vorliegend der Beklagten nicht zur zur Last gelegt wurde, nach dem Heilpraktikergesetz teilweise unzulässige Leistungen anzubieten.
Der Bundesgerichtshof verwirft auch das Argument, bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit des von der abmahnenden Konkurrentin (einer Podologin) begehrten Verbots sei die großzügige Übergangsvorschrift des § 10 Abs. 4 PodG zu beachten, wonach die Beklagte unter erleichterten Bedingungen die Erlaubnis zur Führung der Bezeichnung „Podologin“ im Sinne von § 1 Satz 1 PodG erhalten könne, sofern sie bei Inkrafttreten des Podologengesetzes eine mindestens zehnjährige Tätigkeit auf dem Gebiet der medizinischen Fußpflege nachweisen könne. Wie dargelegt wurde, kommt es im Streitfall nicht auf die Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung „Podologin“ oder „Medizinische Fußpflegerin“ an.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. September 2013 – I ZR 219/12
- OLG Celle, Urteil vom 15.11.2012 – 13 U 57/12[↩][↩]
- BGH, Urteil vom 22.04.1999 – I ZR 108/97, GRUR 2000, 73, 75 = WRP 1999, 1195 – Tierheilpraktiker; Urteil vom 18.03.2010 – I ZR 172/08, GRUR 2010, 1024 Rn. 25 = WRP 2010, 1024 – Master of Science Kieferorthopädie; Beschluss vom 16.08.2012 – I ZR 200/11, WRP 2012, 1526 Rn. 3 – Über 400 Jahre Brautradition[↩]
- BGH, GRUR 2000, 73, 75 – Tierheilpraktiker[↩]
- vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn.02.212 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 08.03.1990 – I ZR 239/87, GRUR 1990, 1032, 1034 = WRP 1990, 688 – Krankengymnastik; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 07.06.2005 – 14 U 198/04; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn.05.154; Lindacher in GKUWG, 2. Aufl., § 5 Rn. 883; Dreyer in Harte/Henning, UWG, 3. Aufl. § 5 Rn. B 204[↩]
- Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/5593, S. 10[↩]
- Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/5593, S. 9, 11[↩]